Vorurteile gegenüber Juden und Moslems nehmen zu
Auch wenn letztes Wochenende in Köln ein breites Bündnis gegen Rattenfänger mit anti-islamischen Parolen aufstand: Fast die Hälfte der Deutschen hegt anti-islamische Vorurteile. Auch die weit verbreitete Ansicht, „Islamophobie“ sei anstelle des Antisemitismus getreten, ist offensichtlich falsch: der Anteil der Deutschen mit antijüdischen Vorurteilen stieg in der letzten vier Jahren von 20 auf 25 %. Oft gehen ausgeprägt antiislamische und antisemitische Vorurteile Hand in Hand. (Was nicht wirklich überrascht, „pro Köln“ ist z. B. eindeutig beides.)
Womit Deutschland sich bei den antijüdischen Vorurteilen im traurigen europäischen Mittelfeld bewegt, bei den antiislamischen leider sogar zur „Spitzengruppe“ gehört.
Das geht jedenfalls aus einer letzte Woche veröffentlichten Studie:des Pew Research Center in Washington hervor: UNFAVORABLE VIEWS OF JEWS AND MUSLIMS ON THE INCREASE IN EUROPE (pdf) Deutsche Zusammenfassung der Studie bei Dr. Blume: Umfragen weisen massive Vorbehalte gegen Juden und Muslime in Europa und Deutschland aus. Auch antichristliche Stimmungen vorhanden.
Die erwähnten antichristlichen Stimmungen sind in der Türkei mit 74 % sogar „mehrheitsfähig“. Aber auch in Frankreich und Deutschland hegen über 10 % der Bevölkerung anti-christliche Vorurteile.
Der „humanistische pressedienst deutschland“ (hpd) verbindet seinen Bericht über die Studie mit einem Appell der „Initiative Pro Ethik“, die in Berlin für einen für alle Schüler verbindlichen Ethik-Unterricht eintritt. Durch ein gemeinsames Ethik-Fach für alle Schülerinnen und Schüler mit ihrer verschiedenen religiösen, weltanschaulichen und kulturellen Herkunft könne der Vorurteilen vorgebeugt werden. „Religion“ wäre ein freiwilliges Zusatzfach. Dier „Initiative Pro Ethik wirft der sich für eine freie Wahl zwischen den Pflichtfächern „Ethik“ und „Religion“ (getrennt nach evangelischer, katholischer, islamischer und jüdischer Religion) eintretenden Initiative „Pro Reli“ vor, ein Modell der Trennung und der Förderung von Parallelgesellschaften zu vertreten.
hpd: Wachsende Vorurteile in Europa.
Was ist von den Ergebnissen der Studie aus aufgeklärt-heidnischer Sicht zu halten?
Ich nehme an, dass sich der bekannte enge Zusammenhang zwischen allgemeiner Verunsicherung und Vorurteilen in den alarmierenden Zahlen wiederspiegelt. Hinzu kommt der alte Trick, dass Jemand zum „bösen Buben“ erklärt wird, weil das den angeschlagenen Laden psychologisch zusammenschweißt, bzw. murrende Bürger dazu bringt, manche hässliche Kröte zu schlucken. Die auch von regierungsamtlicher Seite geschürte Angst vor islamistischen Terroristen, die uns jederzeit bedrohen, mag zwar noch zwischen Achmed Normalmoslem und islamistisch motivierten Terroristen differenzieren – aber spätestens auf dem Weg durch die Boulevardmedien geht diese, meist eher halbherzige, Differenzierung verloren. Erst recht gilt das für das notorisch zerstrittene „rechte Lager“ – so wie der Antisemitismus eine „bewährte“ Klammer für Neonazis unterschiedlicher Bauart ist, so taugt der Antiislamismus zur Klammer für die „bürgerlichen“, nicht ns-nostalgischen, Rechtsextremisten, wie z. B. „pro Köln“. Wenn der Untergang des „christliche Abendlandes“ durch die angebliche Islamisierung beschworen wird, klappt sogar so etwas paradoxes wie die internationale Zusammenarbeit nationalistischer Parteien.
Die Studie weist meiner Ansicht auch darauf hin, dass der „Antisemitismus von links“ auch kein Medienphantom sein dürfte, wenn auch der „klassische“ „rechte“ Antisemitismus noch weiter verbreitet ist. Das geht gut mit meiner Alltagserfahrung zusammen, dass die Empörung über die Behandlung der Palästinenser durch Israel für viele Menschen leider wenig mehr als ein bequemer Vorwand ist, um mit „gutem Gewissen“ antisemitischen Vorurteilen nachgehen zu können.
Leider beobachte ich auch die „Gegenreaktion“, dass legitime und notwendige Kritik an Religionen als „religionsfeindlich“ wahrgenommen wird. Im Falle der Anhänger der kritisierten Religion zeugt das meines Erachtens von mangelnder Toleranz – und einer arg dünnen Haut, sprich Verunsicherung und Angst. Im Falle jener, die nicht der kritisierten Religion angehören, vermute ich, dass weniger das viel geschmähte „Gutmenschentum“ oder die noch mehr geschmähte „Multi-Kulti-Seeligkeit“ die Hauptursachen für diese auffällige Kritikscheu ist, sondern schlicht Angst. Angst z. B. davor, dass irgend ein Moslem-Fanatiker etwa einen schwarzen Würfel als Schmähung der Kaaba in Mekka wahrnimmt und einen Bombenanschlag verübt. Oder, im Alltag, Angst davor, zu Unrecht als „islamophob“ zu gelten und damit in eine Schublade mit den dumpfen Moscheegegnern von „pro Köln“ oder den „stolzen Islamophoben“ von PI gesteckt zu werden.
Ich teile, obwohl ich seinen Atheismus nicht teile, die Grundüberzeugung Johann Haris: Keine Feigheit vor dem Islam.
Wie hat das Christentum seine Fähigkeit verloren, Menschen mit Fantasmen um Sünde und Hölle zu terrorisieren? Wie kam es dazu, dass es die Verbreitung von Scham für natürliche Triebe eingestellt hat – vorehelicher Sex, Selbstbefriedigung oder Homosexualität? Weil Kritiker über die religiösen Geschichten nachgegrübelt haben und große Löcher in Logik und Moral darin entdeckten.
Das gilt sinngemäß auch für den Islam.
Was die anti-christlichen Vorurteile angeht: Auch in diesem Fall habe ich den Verdacht, dass da ein „böser Bube“ an die Wand gemalt wird, um einen angeschlagenen Laden zusammenzuhalten. Im Falle der Türkei bin ich mir dessen ziemlich sicher: ein wichtiger Punkt, in dem fromme Islamisch-Konservative und säkulare Kemalisten einer Meinung sind, ist die Ablehnung der als aggressiv missionarisch wahrgenommenen christlichen Kirchen.
Anti-christliche Vorurteile, die „den Laden zusammenschweißen“ sollen, kenne ich auch aus dem heidnischen Lager. Wenn man sich auch sonst auf nichts einigen kann, etwas Christenbashing geht immer. Oder fallweise die Legende von den 10 Millionen verbrannten Hexen (tatsächlich dürfte es, was schlimm genug ist, europaweit „nur“ etwa 60000, allerhöchsten vielleicht 100000, Todesopfer des „Hexenwahns“ gegeben haben).
Bei rechtsextremen „Ásatrú“ (ich weis nicht, mit welchen Göttern die sprechen, meine sind es sicher nicht, trotz Namensgleichheit) kursiert ja auch die Legende von der „Heidenverfolgung“. Liebe „Artgemeinschaftler“ und andere Nazitrus: Ihr steht nicht deshalb im Verfassungsschutzbericht, weil Ihr Heiden seit, sondern weil Ihr notdürftig „nordisch-germanisch“ getarnten Rassismus und anderen braunen Dreck vertretet!
Ich denke sowohl Islam als auch Christentum haben im Laufe der letzten Jahrhunderte vielen Völkern ihre alten Götter geraubt, oft gewaltsam, weil meine missionarisch sind. Erst in Europa, später in Afrika und Amerika. Ich denke das war flasch und ist traurig, da hierdurch viele Kulturen zerstört wurden.
Beide waren oft grausam…das Christentum mit Hexenverbrennungen von heidnischen Frauen…der Islam z.B. mit Steingungen Ungläubiger.
Wenn ich mir heute Europa anschaue, so ist das Christentum sehr zahm geworden. So erkennt es inzwischen sogar Darwins Evolutionstheorie neben der Bibel an, schwule Prister sind keine Seltenheit mehr und andere Religionen werden als gleichwertig betrachtet. Es ist so zahm, das ihm die Mitgleider davon laufen, weil es dadurch so konturlos geworden ist.
Anders der Islam. Er hat sehr deutliche Konturen und der Islam wächst – vor allem auch in Europa. Er wirkt immer noch missionarisch und seine Anhänger haben hohe Geburtenzahlen. Große Teile bleiben auch in Europa ihrer Kultur treu und wechseln nicht zum Christentum oder Atheismus . Auch radikale, sehr konservative Strömungen sind teilweise präsent.
Man vergleiche die Veröffentlichung der Mohammendkarikaturen mit der Veröffentlichung der Films „Leben des Brian“… wärhend Christen die Veralberung ihres Propheten relativ locker nahmen, wurde die islamische Welt wütend und agressiv. Der Zeichner kann heute kein normales Leben mehr führen und wird permanent bedroht. Diese Intoleranz sieht man auch in islamischen Ländern, in denen Ungläubige, Frauen oder Homosexuelle oft deutlich weniger Rechte haben.
Ich sehe im gezähmten Christentum keine Gefahr für das Heidentum mehr, es versucht so friedlich und offen zu sein, wie es überhaupt nur möglich ist. Und es schrumpft.
Im wachsenden Islam allerdings schon, da hier Polytheisten immer noch unbeliebt sind und der Islam auch heute in weiten Teilen noch nicht sehr tolerant gegenüber Kritik und anderen Meinungen ist…er ist noch nicht zahm geworden.
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Ich meine nicht, dass das Christentum zu zahm geworden ist und ihm deshalb die Gläubigen davonlaufen. Vielmehr verbreiten die christlichen Kirchen weltfremde, zum Teil mittelalterliche Normen und Wertvorstellungen, die nicht mehr in unsere Zeit passen. Diese Begründung wird häufig bei Kirchenaustritten genannt. Allen voran die römisch-katholische Kirche mit ihrer restriktiven Sexualmoral: Vorehelicher Sex, Selbstbefriedigung, Homosexualität und Empfängnisverhütung werden als Sünde gebrandmarkt, die nur durch Beichte und Buße vergeben werden kann. Unbestritten kümmert sich die Mehrheit der Katholiken nicht um diese rigiden Vorschriften, sondern lebt ihre eigene Sexualmoral aus. Es ist allerhöchste Zeit, dass die RKK ihre Sexualmoral überarbeitet und der heutigen Lebenswirklichkeit anpasst.
Nicht alle Christen erkennen Darwins Evolutionstheorie an. In der katholischen Theologie beispielsweise wird nach wie vor wortwörtlich an der Schöpfungsgeschichte festgehalte: Erschaffung der Welt in sechs Tagen, Erschaffung der ersten Menschen (Adam und Eva) an einem Tag, Konstanz der Arte. Wohl vor allem zur Aufrechterhaltung der „Erbsünde“ wird an der historischen Existenz Adams und Evas festgehalten. Man begegnet diesem Fundamentalismus auch in den zahlreichen christlichen Foren im Internet.
Bezugnehmend auf Johann Haris: Die römisch-katholische Kirche sowie die fundamentalistisch-biblizistischen Gruppierungen terrorisieren ihre Gläubigen immer noch mit Fantasmen um Sünde und Hölle. Aber die Wirkung ist nicht mehr so stark wie früher – viele Schäfchen verstoßen heutzutage gegen die Verbote bei vorehelichem Sex, Selbstbefriedigung, Homosexualität oder Schwangerschaftsverhütung.