Das Ende der Scientology-Beratungsstelle in Hamburg

20. August 2010 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Hamburg schließt seine Arbeitsgruppe Scientology – und deren Leiterin, Ursula Caberta verliert zum 1. September 2010 ihre Aufgabe bei der einzigen „amtlichen“ Scientology-Aufklärungsstelle in Deutschland. Caberta soll als Ministerialreferentin weiterhin Aufklärungsarbeit leisten, die Einzelberatung würde fortan ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes übernehmen. Dies sei etwa bei den Themen Islamismus und Rechtsextremismus bereits üblich. Mit dem Umzug Cabertas in die Innenbehörde sollen insgesamt 140 000 Euro eingespart werden. NDR online: Stadt spart bei Scientology-Arbeit

Die ebenfalls von Frau Caberta geleitete „Oberste Landesjugendbehörde für den Jugendschutz bezüglich neuer und ideologischer Gemeinschaften und Psychogruppen“ ist meines Wissens nicht von dieser Entscheidung betroffen.

Im Deutschlandradio, im Neues Deutschland, in der Welt, in der Süddeutschen Zeitung und in vielen anderen Medien wird die Entscheidung der „schwarz-grünen“ Hamburger Landesregierung z. T. heftig kritisiert. Denn schließlich wäre damit das erklärte Ziel der Scientologen, die Schließung der Aufklärungsstelle, erreicht.

Ich halte diesen Schritt der Hamburger Landesregierung für im Großen und Ganzen richtig. Warum?

Bestimmt nicht aus Sympathie, Verständnis oder auch nur religiöser Toleranz für Scientology heraus. Dass ich seit einigen Jahren nicht mehr im Telefonbuch stehe, liegt daran, dass die freundlichen Mitarbeiter der Scientology-Org mir tatkräftig bewiesen, wie nervenschädigend Telefonterror sein kann – vor allem, wenn man aus beruflichen Gründe telefonisch erreichbar sein muss und nicht die einfache Möglichkeit „Abschalten“ hat. Ja, übrigens, der Grund war mein Artikel in einem auflagenschwachen Science-Fiction-Fanmagazin über Unterwanderungsversuche der „Scienties“ in der Science-Fiction-Szene. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie dann erst der „Psycho-Kleinkrieg“ der Scientologen gegen ernsthafte Gegner aussehen muss.
Was ich von Scientology halte? Es ist meiner Ansicht nach eine Vereinigung mit den Zielen Geld und Macht, wobei sie auch vor z. T. kriminellen Mittel nicht zurück schreckt. Außerdem habe ich den Eindruck, dass sie im großen Umfang gefährliche Quacksalberei auf psychotherapeutischem Gebiet und Scharlatanerie auf dem Gebiet der Unternehmensberatung betreibt. Ich bin außerdem der Meinung, dass für die „Org“ die Begriffe „Kirche“, „Spiritualität“ oder „Religion“ nichts als Tarnung sind. „Scientology“ ist daher für meine Begriffe auch keine „Sekte“.

Aus diesem Grunde hatte ich lange Zeit auch großen Respekt vor der Arbeit der „Arbeitsgruppe Scientology“ und besonders vom Engagement Frau Cabertas.

Dass Frau Caberta als Person und die vor ihr geprägte Stelle auch eine fragwürdige Seite hat, bringt ein Kommentar auf taz-online zur Sprache: Die abservierte Sektenjägerin.

Der Ton, in dem Caberta dieses Wissen [über Scientology. MM] vortrug, wurde jedoch immer schriller, ihre Auskünfte gingen mehr und mehr in Scientology-Beschimpfungen über. Ihre Mitarbeiter, ist zu hören, sollen sich schon vor der jetzt verkündeten Auflösung der Arbeitsgruppe „anderweitig orientiert“ haben.

Nun mag man der Ansicht sein, dass der Fanatismus Frau Cabertas hinsichtlich Scientology vielleicht nicht die feine Art, aber berechtigt sei – nach dem Motto, dass auf einen groben Klotz ein grober Keil gehört. Auch wenn man das zugesteht, bleibt das Problem, dass ihr Aufgabenbereich eben nicht nur Scientology und vergleichbare gefährliche „Psychosekten“ betrifft.

Frau Cabertas Haltung ist nicht erst seit Kurzem problematisch.
Vom Mai 2001 bis zum April 2002 fand im Völkerkundemuseum Hamburg die große Ausstellung „Hexenwelten“ statt. Sie widmete sich der historischen Hexenverfolgung, den Hexen im Volksglauben und in den Massenmedien wie auch den „neuen Hexen“, und schlug außerdem eine Brücke zu den magischen und schamanischen Religionen in aller Welt.

Am 11. Februar 2002 erschien im „Hamburger Abendblatt“, einer auflagenstarken Regionalzeitung, ein längerer Artikel mit dem Titel „Fauler Zauber im Museum“ über die bereits seit über neun Monate laufende Ausstellung. Der Verfasser des Artikels, Per Hinrichs, stützte sich auf die Angaben eines namentlich nicht genannten Mitarbeiters der Museums, der sich besorgt über „okkultistische Praktiken“ in einem öffentlichen Museum äußerte, und auf eine Broschüre der „Arbeitgruppe Scientology“ des Hamburger Senats zum Thema „Gefahren durch Satanismus und Okkultismus“.
Ursula Caberta nahm den Artikel zum Anlass für öffentliche Kritik: Es sei Aufgabe der Museumspädagogik, aufzuklären und Gefahren durch „Sekten“ und okkulte Praktiken abzuwenden. Sie bemängelt vor allem, dass das Museum im Rahmen seiner Veranstaltungen auch „modernen Hexen“ erlaubte, sich in Vorträgen und öffentlichen Ritualen selbst darzustellen, ohne dass die Museumsleitung diese Selbstdarstellung kritisch-hinterfragend kommentierte. Dass dort, in städtisch subventioniertem Raum, schamanistische Rituale und Tarot-Abende statt fanden, fand Frau Caberta schlichtweg „empörend“.

Ich bin zwar, anders als die österreichische Historikerin und Germanistin Birgit Neger in ihrem lesenswerten Buch „Moderne Hexen und Wicca“, nicht der Ansicht, dass Frau Caberta „tobte“. Wer, wie ich, ihre temparamentvollen Auslassung über die Scientologen „live“ miterlebt hat, wird zugestehen: „toben“ sieht bei ihr ganz anders aus als die in der Wortwahl drastische, inhaltlich aber durchaus nachvollziehbaren Kritik an der Hexenausstellung. Das zeigt aber meiner Ansicht die nicht nur in der Persönlichkeit Frau Cabertas liegende Problematik.

Was Frau Caberta persönlich betrifft, so habe ich den Eindruck, dass sie bereits im Fall „Hexenausstellung“, also vor mehr als acht Jahren, das nötige Augenmaß in ihrer Arbeit verloren hatte. Einmal, weil die Hexen, Schamanen und Ritualfrauen, die im Rahmen der Begleitveranstaltungen auftraten, selbst bei übelwollender Betrachtung nicht annähernd so gefährlich sind wie Scientologen. Es gab im Museum keinen kriminellen, insbesondere betrügerischen, verfassungsfeindliche, die Menschenwürde missachtenden oder jugendgefährdenden Aktivitäten.
Sie schoss also, jedenfalls was die Wortwahl anging, mit Kanonen auf Spatzen.
Zum Anderen: Mochte ihre Kritik auch nachvollziehbar und eventuell teilweise berechtigt sein, so war es nicht ihre Aufgabe als Vertreterin einer staatlichen Behörde, einem größtenteils öffentlich finanzierten Museum, das aber ausdrücklich nicht der Regierung untersteht, vorschreiben zu wollen, wie dessen Arbeit auszusehen hätte. Sie verlor hier also ihr Augenmaß hinsichtlich ihres Aufgabenbereichs.
Da sie nicht zwischen ihrer persönlichen Ansicht und der offiziellen der Arbeitsgruppe differenzierte, roch das unangenehm nach Zensur im besonders heiklen Gebiet der Wissenschaftsfreiheit und Religionsfreiheit.

Im Laufe der letzten Jahre gewann ich den Eindruck, dass sie so ziemlich gegen alle spirituellen Gruppen – sogar solche innerhalb der etablierten Religionen – mit drastischen Worten zu Felde zog. Religionsfreiheit ist jedoch „Sektenfreiheit“ und solange eine „Sekte“ weder gegen geltende Gesetze noch gegen die Bürger- und Menschenrechte ihrer Anhänger verstößt, hat der Staat sich aus solchen Fragen herauszuhalten.
Jeder Bürger hat das Recht an Blödsinn zu glauben oder abergläubisch zu sein. Es ist auch nicht Aufgabe des Staates, zu bestimmen, was sittlich gefährlich ist.
Deshalb ist eine staatliche (!) Stelle wie die Arbeitsgruppe Scientology sogar dann fragwürdig, wenn es um eine meiner Ansicht nach kriminelle Organisation wie Scientology geht. Erst recht natürlich, wenn sich die Leiterin dieser staatlichen Stelle durch einen wachsenden Fanatismus auszeichnet.

Bei einer Nichtregierungsorganisation ist die Aufklärung über gefährliche (pseudo-)religiöse Gruppen jedenfalls besser aufgehoben.

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2 Kommentare
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  1. Hier der Film „Bis nichts mehr bleibt“ über die Methoden von Scientology youtube.com/watch?v=cv_8qP5ZIEY

  2. Danke, informativer Film! Bestätigt wieder einmal, dass mit den Scienties nicht zu spaßen ist. Beim VS und der Kripo sind die schon in den richtigen Händen.

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