… wo der Hammer hängt!
Der Mjölnir hat leider ein Imageproblem. Oder genauer gesagt: wer einen Thorshammer trägt, kann unter Umständen in den Verdacht geraten Rechtsextremist zu sein – oder zumindest Anhänger eines emanzipationsfeindlichen und die soziale Wirklichkeiten verschleiernden Weltbildes.
Den Fäden der Nornen sei dank sieht die Wirklichkeit doch etwas anders aus, als sie von engagierten, wenn auch leider etwas engstirnigen Antifas konstruiert wird. Anders als die nicht nur engstirnige, sondern paranoide Weltsicht vieler fundamentalistischer Christen, die mitunter buchstäblich eine Heidenangst vor Thorshämmern zeigen, sieht sie sowieso aus.
Zum Glück ist es, anders als es etwa die Marburger “Antifa Gruppe 5″ gerne hätte, in der links-alternativen Subkultur nicht Konsens, dass Symbolen der nordgermanischen Mythologie auf Veranstaltungen ein Platzverweis erteilt wird. Und immerhin weisen sogar die knapp gehaltenen Informationsseiten der Polizei unter Codes und Chiffren der „Rechten“ darauf hin, dass Thors Hammer in verschiedenen Jugendkulturen verbreitet ist, also nicht zwangsläufig auf „rechte“ Gesinnung hinweist, (Wobei ich mich wundere, wieso z. B. die Metal-Szene offenbar unter „Jugendkultur“ verschlubladisiert wird. Die Altersspanne dort geht bis 50+.) Die Wikipedia verrät sogar:
Aufgrund seiner Beliebtheit auch bei Personen, die nicht der rechten Szene angehören, und weil ihm ein unmittelbarer Bezug zur NS-Zeit fehlt, weil er nicht als offizielles Zeichen der NS-Regierung oder irgendeines ihrer Organe geführt wurde, kann der Thorshammer für sich genommen allerdings nicht als rechtsextremes Erkennungsmerkmal gelten.
Trotzdem ist der Thorshammer in Deutschland (und Österreich) ein „suspektes Symbol“. Und es bleiben Fragen. Einige dieser Fragen versuche ich zu beantworten:
Wofür steht der Mjölnir bzw. Thorshammer?
Mjölnir ist das typische Attribut des germanischen Donnergottes, und daher auch das Symbol für Thor. Thor wiederum ist der Beschützer der Menschen vor bösartigen und gefährlichen Riesen (wobei nicht alle Riesen / Thursen in der nordgermanischen Mythologie bösartig sind – es sind noch nicht einmal alle körperlich besonders groß). Diese bedrohlichen Riesen können als Personifikation von gefährlichen Naturgewalten gedeutet werden. (Besonders eindrucksvoll ist, wie so oft, die Interpretation meines bevorzugten Schweinepriesters: Thor.) Mjölnir ist Thors Waffe gegen diese Riesen, womit ein Thorshammeranhänger zum Schutzamulett taugt. Ferner ist Thor ein Wetter- und damit auch ein Fruchtbarkeitsgott. Wieso, wird vielleicht deutlich, wenn nach langer Dürre ein ferner Donner endlich ergiebigen Regen verspricht. Für die menschliche Fruchtbarkeit ist Thor ebenfalls hilfreich, weshalb zumindest im vorchristlichen Island nach einer Hochzeit so ein Hammer ins Ehebett gelegt wurde. Was betont „männliche“ und „kämpferische“ Freizeit-Wikinger im ebenso martialischem wie unhistorischem „Barbaren-Look“ oft verwundert: Tatsächlich wurden fast alle der aus dem 9. und 10. Jahrhundert stammenden Thorshämmer in Frauengräbern gefunden!
Es ist jedenfalls verkehrt, den Mjölnir auf seine Funktion als Waffe und damit Thor auf den kämpferischen Aspekt zu reduzieren.
Oft wird behauptet, der Thorshammer sei eine Reaktion auf das christliche Kreuz gewesen, was stimmen könnte, denn aus der Zeit vor 800 sind meines Wissens keine Mjölnir-Anhänger bekannt. Fraglich ist, ob er wirklich ein Symbol des „Kampfes gegen das Christentum“ war. Sicher war er ein Symbol des Bekenntnisses zu Thor, und die „ollen Wikinger“ sahen Glaubensdinge damals pragmatischer, als manch ein Neuheide heute glaubt. Auf einen Gott mehr oder weniger kommt es Polytheisten nicht an, worauf ein Thorshammer mit kreuzförmiger Punzierung hindeutet. Es wurden Gussformen gefunden, mit denen sich sowohl Kreuzanhänger wie Thorshämmer gießen ließen, je nach Kundenwunsch, und aus Island ist ein für praktischer Hammer-Anhänger bekannt, der mit dem Stil nach unten als christliches Kreuz durchgeht.
Zu diesem Thema, bei Neunholz: Hammer-Amulette bei den Wikingern.
Der Thorshammer in Busdorf bei Schleswig.
Warum tragen Menschen heutzutage einen Thorshammer?
Dass Ásatrú-Anhänger gerne Mjölnir-Anhänger als Zeichen ihrer spirituellen Orientierung tagen, dürfte nicht überraschen.
Die meisten Thorshämmer werden allerdings von Nicht-Heiden getragen, als Schmuck ohne tiefere Bedeutung, abgesehen von einem Interesse an der Wikingerzeit. Für die meisten skandinavischen Thorshammerträger dürfte er allenfalls die Verbundenheit mit nordischer bzw. skandinavischer Kultur und Geschichte sybolisieren.
Auch im äußersten Norden Deutschlands kann der Mjölnir ein Bekenntnis zur Heimat und deren besonderen Geschichte sein. Ein Radwanderweg in dieser Gegend trägt den Namen „Thorshammerweg“ und einige Gemeinden im Landkreis Schleswig-Flensburg tragen den Thorshammer im Wappen.
Zum Beispiel Taarstedt, dänisch: Torsted „Stätte des Thor“.
Jedenfalls in dieser Gegend wäre es schwerlich möglich, in einem Thorshammer ein Zeichen für rechtsextreme bzw. völkische Gesinnung zu sehen.
Ein weiterer Grund dafür einen Thorshammer zu tragen, ist Rebellionsromantik. Der Thorshammer, als das „Wikingersymbol“ schlechthin, hat einen ähnlichen Appeal wie der „Jolly Roger“, die einst von karibischen Piraten verwendete Totenkopfflagge.
Kein Wunder also, dass der Mjölnir in der Metalszene gern getragen wird. Beliebt ist der Thorshammer außerdem bei Angehörigen der „Schwarzen Szene“ und beinahe schon traditionell bei Rockern bzw. Bikern. Auch in Teilen der Alternativ-Szene wurde der Thorshammer schon gesichtet.
Und warum verwenden auch Neonazis den Thorshammer?
Schon die originalen „Nationalsozialisten“ okkupierten zahlreiche germanische Zeichen und Symbole und deuteten sie im Sinne ihrer „Weltanschauung“ um. Der Thorshammer war allerdings nicht darunter.
Vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis nach dem ersten Weltkrieg war der Thorshammer das populärste Symbol der „völkischen Bewegung“, und zwar wegen des Einflusses ariosophischer Germanentümler.
Aus dieser Ecke stammt die unter Neonazis und Freunden der „braunen Esoterik“ auch heute noch beliebte falsche Deutung, Thor stünde für „die reinigende Kraft“ und würde mit seinem Hammer „das deutsche Volk vom verderbenden Ungeziefer“ reinigen. Nicht eindeutig ariosophisch, aber mythologisch nicht haltbar sind die Deutungen, Thor würde mit dem Hammer „Lebensraum“ erobern oder stünde für Stärke und Gewalt als „richtigem“ oder gar „einzig legitimem“ Mittel, „sich durchzusetzen“ und „Ordnung zu schaffen“.
Hitler baute zwar jede Menge ariosophischen Gedankenguts bzw. -schrotts in seine Weltanschauung ein, aber von den weltfremden und undisziplinierten „völkischen Wanderscholaren“ hielt er nicht viel. Vielleicht deshalb wurde der Thorshammer, anders als einige Runen, nie das Emblem einer der zahllosen NS-Organisationen.
Für die meisten der meist intellektuell eher schlicht gestrickten Neonazis reicht es aus, dass der Mjölnir nordisch-germanischen Ursprungs und nicht verboten ist.
Der Thorshammer ist aus Neonazisicht also ein Ersatzsymbol. Einige der gebildeteren unter den Rechtsextremisten kamen sogar darauf, dass in Island im 16. Jahrhundert ein magisches Zeichen namens þórshamarr verwendet wurde, das der Swastika ähnelt. Auch gibt es wikingerzeitliche swastika-ähnliche Ornamente an Figuren, die wahrscheinlich Thor darstellen, zum Beispiel im Schatz von Oseberg. Damit ist der Thorshammer sozusagen „Platzhalter“ für das verbotene Hakenkreuz.
Es ist eine sattsam bekannte Strategie der Rechtsextremisten, Symbole zu besetzen, d. h. dafür zu sorgen, dass sie nur noch im Kontext ihrer Ideologie öffentlich wahrgenommen werden. Die Nazis hätten gern den Thorshammer als „ihr“ Symbol. Zeigen wir ihnen also, wo der Hammer hängt!
Wofür steht eigentlich die „Dreier-Schleife“ die so oft auf den Abbildungen auf dem Hammer zu sehen ist?
Dieses Symbol, das aus drei verbundenen Kreisbögen besteht, wird Knoten der Dreisamkeit oder Triqueta (oder auch Triquetta oder Triquetra) genannt. Es kommt häufig in der frühmittelalterlichen keltischen Kunst vor, aber auch im nordischen Kulturkreis. Der norwegische König Harald Hardråde (Regierungszeit 1047–1066) verwendete es auf seinen Münzprägungen.
Was es bedeutet? In der christlichen Deutung ist es ein Symbol der Dreifaltigkeit – Vater, Sohn, heiliger Geist. Wofür es vor der Christanisierung gestanden haben mag, ist mangels Überlieferung reine Spekulation. Im Wicca ist die Deutung der drei Kreisbögen als Jungfrau, Mutter und alte Frau, den drei Phasen einer weiblichen Lebensspanne, also eine weibliche Trinität, weit verbreitet.
Interessant im Zusammenhang mit Thor und Asatrú sind die germanischen Götterdreiheiten (nicht zu verwechseln mit Dreieinigkeiten). Eine bekannte weibliche Dreiheit ist die der drei Matronen, auch die drei Nornen bilden eine weibliche Dreiheit. Männliche Dreiheiten, für die es sogar schriftliche Quellen gibt (z. B. das sächsische Taufgelöbnis) bilden die drei „Hauptgötter“, wobei „stammesübergreifend“ Odin / Wodan – Thor / Donar genannt werden – der dritte Gott im Bunde ist meistens der alte Himmelsgott Tyr (Ziu, Tiu, Tiuz, Tiwaz), Wahrer des Rechts und Schützer des Thing (als „Schwertgott“ dem römischen Mars gleichgesetzt – „Mars Thincsus“) – der im sächsischen Taufgelöbnis neben „Thunaer“ (Thor) und „Uuoden“ (Wodan / Odin – Doppel-U entspricht W) genannte „Saxnot“ ist wahrscheinlich der Beiname Tiuz‘ unter den Sachsen. Eine abweichende Überlieferung stammt aus Schweden, hier ist der dritte Gott Freyr (Fricco, Frø). Immerhin ist auch Freyr ein „Schwertgott“.
Es könnte sein, dass das Triqueta auf Thorshämmern eine solche Dreiheit symbolisiert. Wenn es überhaupt mehr als ein dekoratives Element sein sollte.
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