Aufklärung mit „Kollateralschaden“

30. Mai 2015 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher Euch wegen Eures Thorshammers für einen Nazi hält, könnte das am Kinderkanal liegen (ca. min 12:40):
Gefahr von Rechts

Grundsätzlich ist an der Folge der beliebten Kinder-Detektivserie „Die Pfefferkörner“ wenig auszusetzen. Das Thema ist auch wirklich wichtig, denn Nazis wanzen sich tatsächlich gern an nichts ahnende junge Menschen ´ran. Die in der Folge vorkommende Mischung aus Rockmusik mit „rebellischen“ Texten, Nationalstolz, Schuldzuweisung an „Ausländer“ / Außenseiter und coolem, unspießigem Auftreten ist einigermaßen realistisch. Nazis sind heutzutage eben nicht mehr nur „Glatzen“ mit Schnürstiefeln oder schmierige Typen mit strengem Seitenscheitel – auch Leute mit bunten Haaren, Piercings und früher als „typisch links“ oder „irgendwie alternativ“ geltendem Outfit können „rechts“ sein.

Max gerät durch seinen Freund Lennart in eine Gruppe rechtsradikaler Jugendlicher. Erschrocken wendet er sich ab. Ist sein Freund ein Nazi und möglicherweise verantwortlich für einen feigen Angriff auf Ninas Bruder Matteo? Matteo selbst redet nicht darüber. Er hat Angst. Die einzige Spur ist das Bild, das er malt. Es ist dasselbe Zeichen, das Max bei den Rechtsextremen gesehen hat: das Symbol der schwarzen Sonne.

Das Symbol der „Schwarzen Sonne“ ist tatsächlich ein ziemlich eindeutiges Indiz, dass es sich um Neonazis handelt. Die „Schwarze Sonne“ ist eine Eigenschöpfung der SS, gebildet aus zwölf armanischen „Sig“-„Runen“ (die leider der realen Sowilo bzw. Sol-Rune äußerlich gleichen) oder drei übereinanderliegenden Hakenkreuzen. Obwohl das Symbol selbst in Nazideutschland keine offizielle Bedeutung hatte, ist es, als nicht verbotenes NS-Symbol, ein wichtiges Ersatz- und Erkennungssymbol der rechtsesoterischen bis rechtsextremen Szene.
Als historische Vorlagen dienten vermutlich ähnlich gestaltete alemannische Zierscheiben, mit denen die „Schwarze Sonne“ allerdings nicht verwechselt werden kann.

Nun zeigt die in der Folge aufgerufene (übrigens fiktive) Internet-Seite nicht nur die „Schwarze Sonne“ und die als einschlägiges Rassisten-Symbol bekannte „White-Power“-Faust, sondern auch den Thorshammer.
Da nur dieser drei Symbole gezeigt werden, liegt es für Zuschauer ohne Vorwissen nahe, den Thorshammer für eines der wichtigsten Symbole moderner Nazis zu halten. Was er schlicht und einfach nicht ist!
Näheres im Artikel: Wo der Hammer hängt, hier nur soviel: Für Nazis ist dieses im 9. bis 12. Jahrhundert vor allem von Frauen getragene Symbol des Schutz-, Wetter- und Fruchtbarkeitsgottes Thor in erster Linie ein Ersatzsymbol; ein Platzhalter für das verbotene Hakenkreuz oder die verbotenen „SS-Runen“.
Übrigens wird das auch in der „Wikipedia“ so gesehen:

[…]Aufgrund seiner Beliebtheit auch bei Personen, die nicht der rechten Szene angehören, und weil ihm ein unmittelbarer Bezug zur NS-Zeit fehlt, weil er nicht als offizielles Zeichen der NS-Regierung oder irgendeines ihrer Organe geführt wurde, kann der Thorshammer für sich genommen allerdings nicht als rechtsextremes Erkennungsmerkmal gelten.[…]

Hätten die jungen Detektive statt der fiktiven Website die Wikipedia oder eine der als seriös bekannten Aufklärungsseiten z. B. Netz gegen Nazis aufgerufen, wäre das nicht passiert.

Ja, ich weiß, für eine Darstellung im Fernsehen müssen die Symbole ziemlich groß sein, damit auch auf kleinen Fernsehschirmen oder auf dem Tablet-Computer etwas zu erkennen ist. Eine fiktive Website ist daher in Ordnung. Nicht in Ordnung finde ich es, wenn unter drei Symbolen neben der einschlägigen „Schwarzen Sonne“ der nicht-einschlägige Thorshammer als „Erkennungssymbol“ gezeigt wird.

Es ist eine sattsam bekannte Strategie der Rechtsextremisten, Symbole zu besetzen, d. h. dafür zu sorgen, dass sie nur noch im Kontext ihrer Ideologie öffentlich wahrgenommen werden. Die Nazis hätten gern den Thorshammer als „ihr“ Symbol. Ungewollt helfen Darstellungen wie in der „Pfefferkörner“-Folge „Gefahr von rechts“ ihnen dabei.


Martin Marheinecke
(Hattip an Andreas Zautner, Eldaring)

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