Vom magischen Prozess des Kochens
Immer wieder werde ich nach diversen Kochrezepten gefragt.
Jedes Mal muss ich aufs Neue den Kopf schütteln und sagen, dass das für mich nicht möglich ist, da das Resultat meiner Stunden in der Küche sich nicht einfach durch ein Rezept „Man nehme 1 kg…“ erklären lässt.
Nun denn, was erzähle ich, was gebe ich auf solche Fragen zur Antwort?
Ich habe vor etlichen Jahren in „Lalita“ gelebt, ein Seminarzentrum im spanischen Extremadura, wo ich die Küche leitete und viele Lebensmittel aus dem hauseigenen Garten bezog.
Anhand eines durchschnittlichen lalitiensischen Menüs möchte ich hier meine Art zu Kochen, meine Art Lebensmittel miteinander zu vermengen, zu vermischen, erklären.
09.30 Morgens: Ich bespreche mit der Chefin des Gemüsegartens, die zugleich auch meine Begleiterin durch Dick und Dünn hier ist, was im Garten ansteht. Da wir versuchen, möglichst selbstversorgerisch zu leben, ist das natürlich Punkt Nummer eins. Damit ist die wichtigste Basis für mich abgedeckt: Ich bevorzuge stets das zu essen, was mir die Erde hier und jetzt anbietet. Durch die Monate habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese Form der Ernährung meinem Körper am besten bekommt. Gut, heute haben wir eine Menge großer Zucchini, reife, ja fast überreife Tomaten, des weiteren Auberginen, Frühlingszwiebel und jede Menge Kräuter. Petersilie, Schabziegerklee, Basilikum, Oregano und Schnittlauch. Noch dazu gibt es ein paar frische Bohnenschoten, aber nicht genug, um ein Hauptgericht daraus zu kreiren und natürlich Salat in allen Variationen.
Eine Stunde später habe ich sämtliches Gemüse schnittfrisch auf meiner Arbeitsbank. Dann ein Blick aus dem Fenster – wie ist das Wetter? Es ist warm, aber nicht wirklich heiß. Ich pendle zwischen Gazpacho, der kalten spanischen Tomatensuppe oder einer warmen Zucchinisuppe. Die Entscheidung fällt zugunsten der warmen Suppe aus, da sie den Körper einfach besser aufwärmt. Es sieht ein wenig nach Regen aus, und ich möchte nicht schuld an den kalten Füssen und Händen sein, die durch die kalte Tomatensuppe auftreten könnten. Die Tomate ist bekanntlich im Sommer erntereif und ist damit ein Gemüse, das den Körper abkühlt. Dann ein Blick in den Gruppenraum – wie ist die Energie der Gruppe? Ist die Energie eher niedrig, würze ich gerne ganz ordentlich, um die Energie in Schwung zu bringen. Habe ich den Eindruck, dass die Energie der Gruppe schon am Kochen ist, bevorzuge ich Gemüse eher zu kochen als zu braten oder zu grillen, da das Kochen eine sanftere Zubereitungsart ist und dem Körper weniger Feuerenergie zuführt.
Das Menü wird also aller Voraussicht nach aus Zucchinisuppe, Auberginen im Ofen, Bulgur mit Bohnenschoten, Joghurtsoße und Salat bestehen. Zusätzlich gibt es einen kleinen Brombeerkuchen – für die Süßen…
Nun gut, 2 Leute zum Brombeerpflücken gefunden… alles organisiert und los geht es.
Der Brombeerkuchen
Für gewöhnlich beginne ich mit den Kuchen, da sie die meiste Zeit im Rohr benötigen und außerdem auch noch auskühlen sollten.
Eier und Zucker aufschlagen. Immer wieder bin ich begeistert von den Blubberblasen, die die Masse nach einer Zeit des Rührens wirft. Da es sich um einen Kuchen für die Gruppe handelt, die immer noch im Aufbau begriffen ist, die ihre Arbeit hier erst vor zwei Tagen begonnen hat, bevorzuge ich die Masse nach rechts zu rühren, um Energie aufzubauen. In der aufgeschlagenen Masse kann ich schon die Dekoration der Kuchen erkennen, ein netter Hinweis, den ich gerne wahrnehme. Das Mehl als die Basis, das nährende Element – gegeben von Mutter Erde, aus den Weizenfeldern, in denen ich letztes Jahr mein Lammas gefeiert habe… Fast werde ich sentimental, als ich bemerke, wie die Zeit hier voranschreitet, denn schon wieder ist es Zeit, das Korn zu schneiden!
Gut, ab ins Rohr. Die Kraft des Feuers beginnt einzudringen, lässt die Eier stocken, das Mehl und das Backpulver aufgehen und färbt die Obstmasse an der Oberfläche goldbraun. Jedes Mal, wenn ich einen Kuchen aus dem Rohr nehme, staune ich wieder über diesen magischen Prozess der Umwandlung. Das Selbe passiert mir mit dem Backen von Brot, das steht haber heute zum Glueck nicht an!
Die Auberginen
Danach die Auberginen! Eine liebe alte Dame im Dorf unten macht hier den besten Ziegenkäse, den ich jemals gegegessen habe. Natürlich stammt der von ihren eigenen Ziegen, die ihr Mann und ihre Schwager seit 40 Jahren jeden Tag, jahrein, jahraus, hüten.
Der Ziegenkäse kommt auf die im Ofen vorgebräunten Auberginen. Vorher noch ein bisschen Salz drauf, drunter das Olivenöl, das hier in der Gegend hergestellt wird. Das Salz hat den Effekt, dass es den etwas bitteren Geschmack der Auberginen nimmt. Oben drauf zu guter Letzt noch ein Scheibchen Tomate und ein „Chimi-Churri“ – argentinischer Ausdruck für scharfe Kräuterdressings aller Art – Hauptsache, Knoblauch und Chili ist drinnen.
Beim Hacken von Petersilie und Schnittlauch, muss ich lachen. Dieses Frühjahr haben wir die Erde vorbereitet. Geflucht haben wir alle, lieber wollten wir eine Saison ohne Kräuter und Gemüse leben, als uns wochenlang im Riesengarten abzuquälen. Dann das wochenlange Warten, ob denn die Samen aufgehen würden oder nicht. Ein weiterer Kälteeinbruch und weiter warten… Dieses Jahr fiel das Keimen der Samen tatsächlich mit Ostara zusammen, was für Spanien allerdings sehr spät ist. Den ganzen Frühling haben wir das Wachsen der Pflanzen mitverfolgt, die ersten Sprossen, die ersten Blüten, die ersten Früchte. Es ist so wunderschön, zu wissen, was man denn da in der Küche bearbeitet. Die eine Tomate, die schon seit sie angefangen hat zu wachsen, so komisch schrumpelig war und der Paprika, der sich einfach immer wieder durch den Halt gebenden Draht hinausgeschlängelt hat.
Die Zucchinisuppe
Danach geht es an die Zucchinisuppe, die sehr wenig Zeit benötigt. Zucchini in grobe Ringe schneiden und mit wenig Salzwasser aufkochen. Dazu werfe ich noch ein paar Zehen Knoblauch dazu und Salz, damit das Gemüse schnell sein Wasser verliert. Wenn die Zucchini weich sind, gebe ich ein wenig abgeschöpfte Sahne der hauseigenen Milch dazu, wer Milchprodukte weniger schätzt, kann das natürlich auch weglassen. Des weiteren einen guten Bund Petersilie, ohne weiters können auch die Stengel verwendet werden. Dann alles mit dem Mixstab durchpürieren. Für ganz Feine empfehle ich das Hinzufügen einiger Butterflöckchen.
UND fertig…
So sieht also einer meiner Tage in der Küche aus.
Je nach Stimmung, Wetter, Gruppenenergie und Verfügbarkeit entscheide ich mein Menü. Das Wichtigste für mich ist, mich den äusseren Gegebenheiten anzupassen und so bewußt mit dem Energiestrom zu fliessen.