Phantastische Literatur im Dilemma „cool Nazis!“ / „coole Nazis“
Hermann Ritter, Johannes Rüster, Dierk Spreen, Michael Haitel (Hrsg.)
HEUTE DIE WELT – MORGEN DAS GANZE UNIVERSUM
Rechtsextremismus in der deutschen Gegenwarts-Science-Fiction /
Science-Fiction und rechte Populärkultur
AndroSF 54
p.machinery Michael Haitel, Murnau am Staffelsee, Mai 2016
für den Science Fiction Club Deutschland e. V.
ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 049 8
Im gemeinsam verfassten Vorwort „Wenn‘s denn nur um Julius Caesar ginge“ bringen die drei Autoren Ritter, Rüster und Spreen das Problem auf den Punkt:
„(…) (D)ie Verarbeitung von totalitär-nationalsozialistischenVersatzstücken in der Popkultur bedarf dringend der Decodierung, damit der Umgang mit der Zeitgeschichte differenzierter erfolgt als der mit Julius Caesar.“
In „Asterix“-Comics bleibt die „satirisch-kreative Geschichtsklitterung“ nämlich unproblematisch, auch wenn sie nicht als solche erkannt wird. Bei faschistischer bzw. nationalsozialistischer Ideologie in Unterhaltungsmedien, egal, ob affirmativ „gut gefunden“, unkritisch als Versatzstück zwecks Spannungserzeugung eingesetzt oder als geschliffene Satire verarbeitet, kann das gefährlich sein.
Die drei Autoren nähern diesem Problem aus deutlich unterschiedlichen Perspektiven.
Hermann Ritter widmet sich in seinem Aufsatz mit dem seltsamen Titel „Die geheime Weltregierung tagt in Tibet“ der völkischen Esoterik.
Dieses scheinbar entlegene Thema hat mehr mit der phantastischen Literatur zu tun, als es auf den ersten Blick scheint. Gar nicht einmal so selten tauchen Versatzstücke der „rechten Esoterik“ in Science Fiction, Fantasy und Horror auf. Umgekehrt ließen und lassen sich braunstichige Okkultisten, völkische Propagandisten und rechtsdrehende Verschwörungstheoretiker von phantastischer Literatur anregen.
Abgesehen davon beeinflussten die verquasten theosophischen und ariosophischen Gedankengebäude die Weltanschauung und politische Praxis der alten und neuen Nazis sowie weiter Teile der „neuen Rechten“.
Sowohl auf dem Gebiet der „völkischen Esoterik“ wie dem der phantastischen Literatur ist Hermann Ritter ein ausgewiesener Experte. Als Historiker, Sozialarbeiter, SF- und Fantasy-Autor und, das sollte nicht verschwiegen werden, Aktiver in neuheidnischen Organisationen und Verfasser von Büchern, die im „Esoterik“-Regal des Buchhandels zu finden sind, hat er über sein theoretischen Fachwissen hinaus auch „Insider-Einsichten“, die in Verbindung mit seiner durchweg kritischen Haltung eher selten sein dürften.
Nüchtern stellt er beispielsweise fest:
„Der Markt für Verschwörungstheorien und/oder Esoterik ist genau das: ein Markt. Er schafft Fragen, die er selbst zu beantworten sucht. Wir lehnen uns viel zu selten zurück, um uns selbst zu fragen, ob diese Fragen auch unsere Fragen sind, und geben Geld für Literatur und Lebenshilfe aus, obwohl wir damit Fragen beantworten, die wir nicht stellen müssten, wenn wir uns selbst und unseren ehrlichen Interessen treu wären.“
In den letzten Jahren gab es, folgt man Hermann Ritter, wieder einen Boom um zwei Themen im Bereich Verschwörungstheorien/Esoterik, die mit dem Nationalsozialismus in Verbindung stehen.
- Das eine sind die weißen, „arischen“ bzw. „germanischen“ „Kulturbringer“ aus einem mythischen Ursprungsland (Thule, Atlantis, Lemuria usw.), die der übrigen Menschheit alle Kultur gebracht hätten.
- Das andere Thema ist die von Tibet ausgehende organisierte Weltherrschaft, die auch mit Nationalsozialisten Kontakt anstrebte.
In vielen Fällen ist es nicht möglich, die beiden Themen voneinander abzugrenzen.
Ritter vertritt außerdem die These, dass die Rezeption von völkischen Verschwörungstheorien, rassistischen Revancheideen oder einer Überhöhung der Leistung der Arier/Germanen/Deutschen in der Weltgeschichte am ehesten über erzählende Literatur und pseudowissenschaftliche Sachbücher geschieht.
Als Historiker geht Ritter streng chronologisch vor, und er beschränkt sich aus methodischen Gründen auf die gedruckte Literatur – wie er schrieb, gab er Geld für Bücher aus, die er nicht geschenkt haben wollte.
Die chronologische Übersicht beginnt im 19. Jahrhundert. Edward Bulwert-Lytton dachte sich für einen frühen Science-Fiction-Roman die geheimnisvolle „Energieform“ Vril aus – ein Konzept, das Esoteriker bis heute für bare Münze nehmen. Helena Petrovna Blavatsky begründete mit der Theosophie die wahrscheinlich einflussreichste esoterische Lehre, eine Lehre, die deutlich rassistische Züge trägt. Von ihr abgeleitet ist Rudolf Steiners Anthroposophie, die das rassistische Konzept der „Wurzelrassen“ genauso übernahm, wie die („selbstverständlich“) weißen Kulturschöpfer von Atlantis und Lemuria. Auch Rudolf Lanz „von Liebenfels“, der Begründer der erzrassistischen Ariosophie und der „Runenmystiker“ Guido „von“ List bauten ihren menschenverachtenden Mystizismus auf der Theosophie auf. Zugleich faszinierend wie erschreckend ist, wie immer wieder eindeutig fiktionale Ideen von Esoterikern ernst genommen wurden – oder dass sie zumindest so taten, als würden sie diese Ideen ernst nehmen.
Anderseits greifen Fantasy- und Science-Fiction-Autoren gern auf esoterische, darunter auch rassistisch-esoterische, Versatzstücke zurück.
Dieses Wechselspiel zwischen Ideen aus fiktionalen Texten, die von Esoterikern als geheime, unterdrückte Tatsachen, die als Fiktion getarnt wurde, aufgefasst wurde und dann Teil esoterischer Lehren wurde, und von SF- und Fantasyautoren, die dann wiederum „okkulte“ Ideen für ihre fiktionalen Texte verwenden, verfolgt Ritter durch die Jahrzehnte bis in die Gegenwart. Dabei zeigt er auf, wie Nazi-Ideologie, die Mystizismen der „braunen Esoterik“ und die phantastische Literatur ineinander verflochten sind.
Offensichtlich neigen Nazis und andere Faschisten dazu, alles aufzugreifen, was ihnen ideologisch in den Kram passt – und seien es „Reichsflugscheiben“ und „Arier“ vom Aldebaran. Ritter geht auch auf fiktive Sachtexte ein, die als nicht-fiktional verkauft werden. Dabei fällt mir auf, dass Ritter das in der rechten Esoterik enorm einflussreiche „Sachbuch“ „Aufbruch ins dritte Jahrtausend“ von Louis Pauwels und Jacques Bergier in erstaunlich mildem Licht sieht, quasi als „Eulenspiegelei“.
Am Schluss des Artikels stellt Ritter zwei Möglichkeiten vor, wie man den irrsinnigen verschwörungsideologischen „Argumentationsketten“ begegnen kann.
Der historische Abriss Ritters ist, dem komplexen und kompliziertem Thema angemessen, ausführlich (117 Seiten) und ist angenehm zu lesen.
Herman Ritter begegnet besonders hanebüchenen Ein- und Ausfällen oft mit triefender Ironie, was allerdings voraussetzt, dass der Leser die Ironie auch versteht. Das ist bei Lesern ohne Vorkenntnisse auf den Gebiet der phantastischen Literatur, wie ich vermute, nicht immer selbstverständlich.
Es gibt meiner Ansicht nach einen „Elefanten im Raum“, etwas eigentlich Unübersehbares, das jedoch nicht angesprochen wird: Auch die Perry Rhodan-Serie greift auf Motive „völkischen Esoterik“ zurück, auf Atlantis und Lemuria. Wenn Hermann Ritter z. B. über „weißhäutige, blonde Außerirdische, die dann auf der Erde eine Kolonie aufgebaut haben“ schreibt, die dann den Menschen die Kultur gebracht hätten, dann denke wahrscheinlich nicht nur ich sofort an die Arkoniden und Atlan.
Perry Rhodan ist zwar eindeutig keine faschistoide Serie, und war sogar schon in den 1960er Jahren ausgesprochen antirassistisch, ist aber lange Zeit dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, faschistoid zu sein. So sehr ich Hermann Ritter, der für Perry Rhodan schreibt, verstehe, dass er keine Konflikte von vorgestern aufwärmen will, oder gar übereifrigen Antifa-Aktivisten und säuerlichen Kulturkritikern Argumente liefern möchte, so sehr wünsche ich mir, dass der Komplex „Perry Rhodan und theosophisch / anthroposophisches Gedankengut“ einmal aufgearbeitet wird.
Der Literaturwissenschaftler Dr. Johannes Rüster, geht im seinem Aufsatz: „Ein Volk, ein Reich und / oder ein Führer? Von der Faszination nationalsozialistischer Alternativwelten“ darauf ein, dass in alternativhistorischen Romanen, Filmen, Computerspielen usw. auffällig oft Divergenzen (das sind die „Abzweigungen“, ab der sich die alternative Geschichte von den uns bekannten historischen Abläufen unterscheiden) mit Bezug zum Nationalsozialismus thematisiert werden.
Johannes Rüster unterscheidet zwischen essayistisch-wissenschaftlicher und belletristischer Herangehensweise. (Dabei ist es nützlich, zuvor Hermann Ritters Aufsatz gelesen zu haben, denn Ritter erläutert darin, was „kontrafaktische Geschichtsschreibung“ ist und wie sie sich z. B. von schlecht recherchierten historischen Romanen unterscheidet.)
Essayistische „kontrafaktische Geschichte“ beschreibt eher sachlich mögliche Entwicklungen, während belletristische die Auswirkungen alternative Geschichtsabläufe anhand der Erzählcharaktere personifiziert. Rüster konzentriert sich auf Literatur mit belletristischer Herangehensweise. Er bespricht ausschließlich Texte, die die NS-Zeit und die Nazi-Ideologie kritisch sehen, neofaschistische oder „neurechte“ Werke spart er aus. Dabei verweist er auf den Folgebeitrag von Dierk Spreen, in dem es um eine ns-affimative SF-Serie geht.
Rüste unterteilt die Alternativwelten in Kategorien und führt für jede Kategorie mindestens zwei Beispiele an.
- Kontrafaktische Koloraturen (Die Handlung ist zeitlich nah an der Divergenz.)
Len Deighton: „SS-GB“ (1978)
Oliver Henkel: „Im Jahre Ragnarök“ (2009) - Ungemütliche Utopien (Zeitlich fern der Divergenz.)
Robert Harris: „Fatherland“ (1992, deutsch „Vaterland“)
Otto Basil: „Wenn das der Führer wüsste!“ (1966, Neuausgabe 2010) -
Exkurs: Popnazis (Keine Auseinandersetzung mit der Ideologie.)
Indiana-Jones-Filmreihe
„Iron Sky“ (2012)
„Danger 5“, australische Fernsehserie ab 2012 - Satirische Spitzen
Ronald M. Hahn, Horst Pukallus: „T. N. T. Smith“ (12 Bände 1998 – 2008)
Norman Spinrad: „The Iron Dream“ (1972, deutsch „Der stählerne Traum“)
Anmerkung: Weitere bekannte und sehr lesenswerte Romane dieser Kategorie sind „Elleander Morning“ (1984) von Jerry Yulsman, den Hermann Ritters übrigens in seinem Aufsatz bespricht, „Making History“ (1996, deutsch „Geschichte machen“) von Stephen Fry und „The Man in the High Castle“ (1962, deutsch „Das Orakel vom Berge“) von Philip K. Dick.
Johannes Rüster fragt nach den Gründen dafür, weshalb dieses heikle Thema so beliebt ist, und wie die Autoren mit ihm umgehen. Da er, wie er einräumt, die Frage nach der Beliebtheit nicht schlüssig beantworten kann, konzentriert er sich neben der Klassifizierung der einschlägigen Werke auf die kritische Auseinandersetzung mit den von ihm ausgewählten Texten.
Rüster analysiert die von ihm vorgestellten Texte scharf und ohne Rücksicht auf deren guten oder schlechten Ruf unter Kritikern und Lesern. Er schreibt in einem feuilletonistisch-eleganten, pointierten Stil. Seine Kernaussagen unterstreicht er mit klaren, eingängigen Metaphern und Vergleichen.
Obwohl ich die von Rüster vorgenommene Kategorisierung grundsätzlich für wichtig und richtig halte, habe ich doch einige Zweifel an den von ihm gewählten „Schubladen“. Im Exkurs „Popnazis“ landen sehr unterschiedliche Filme bzw. Fernsehserien. „Indiana Jones“ wie auch z. B. „Captain America“ und andere Filme, in denen die Nazi einfach „Bösewichte“ sind, passen nicht in das Genre „alternative Geschichte“. Im Großen und Ganzen entspricht der Geschichtsablauf in ihnen nämlich der realen Historie; sie sind in dieser Hinsicht nicht „kontrafaktischer“ als z. B. viele im 2. Weltkrieg angesiedelte Unterhaltungsfilme.
Hingegen ist die Satire „Iron Sky“, obwohl sie in einer „nahen Zukunft“ spielt, kontrafaktisch und setzt sich kritisch mit Nazi-Ideologie auseinander, und zwar mit der durchgeknallten Weltsicht der NS-Esoterik und den darauf aufbauenden, auch von manchen Nicht-Nazis geglaubten, Verschwörungsmythen.
Mich wundert es auch ein wenig, wieso Spinrads „Der stählerne Traum“ und Basils „Wenn das der Führer wusste“ in unterschiedliche Kategorien einsortiert sind. Das Besondere an „T.N.T. Smith“ und „Der stählerne Traum“, das die eigene Kategorie „Satirische Spitzen“ rechtfertigen soll, ist, dass sie keine Satiren mitttels Nazis, sondern Satiren über Nazis seien. Folgt man Rüster, dann brechen sie die Nazi-Ikonografie selbst, und nutzen sie nicht nur, um etwas Drittes zu parodieren oder satirisch zu verfremden. Ich sehe das anders: „Wenn das der Führer wüsste“ spitzt die Nazi-Denke bis zur Kenntlichkeit satirisch zu. Vielleicht geht es Rüster aber auch um Satiren, die, wie „Der stählerne Traum“, faschistoide Ästhetik und faschistoide Machtphantasien in der phantastischen Literatur aufs Korn nehmen. Allerdings trifft das meines Ansicht nach nur sehr bedingt auf die Pulp-Parodie „T.N.T.-Smith“ zu.
Nicht ganz einverstanden bin ich auch mit Rüsters Kritik an „Fatherland“. Ich hatte nämlich nicht den Eindruck, dass das Wissen um die Wannsee-Konferenz zur „Endlösung der Judenfrage“, und letzten Endes der in dieser Alternativwelt sorgfältig vertuschte industrielle Massenmord bei Harris zum „McGuffin“ degeneriert, der in erste Linie die Thriller-Handlung vorantreibt.
In einem bin ich aber voll und ganz bei Rüster:
„Dazu kommt der leise Verdacht, dass auch solche Subversion bei Teilen des Publikums eher Affirmation bewirkt: Von „Cool, Nazis!“ zu „Coole Nazis!“ ist es manchmal nur ein kleiner Schritt.“
Ich bin übrigens der Ansicht, dass es dieses Dilemma nicht nur bei Satiren und Parodie, die sich des NS-Themas bedienen, gibt. Es existiert bei jeder Art fiktionaler Darstellung von Nazis, einschließlich der „Doku-Dramen“ im Fernsehen. Mein Verdacht ist nicht leise: Ich bin mir schon lange sicher, dass Teile des Publikums schlicht von Nazis fasziniert sind, sich zum Beispiel an den Machtphantasien des NS berauschen, und die ablehnende Haltung der Autoren entweder nicht erkennen oder als irrelevant ausblenden.
Der dritte Beitrag stammt von Dierk Spreen: Rechtsextreme Populärkultur – Zum mediensoziologischen und medienethischen Verständnis der Print-Science-Fiction-Serie „Stahlfront“
Der Aufsatz erschien ursprünglich in „Das Heyne Science Fiction Jahr 2009“ (herausgegeben von Sascha Manczak und Wolfgang Jeschke) und wurde für die Wiederveröffentlichung ergänzt, überarbeitet und mit einem abschließenden Kapitel über das weitere Vorgehen des „Stahlfront“-Verlegers versehen.
Spreen stellt die im „Unitall-Verlag“ erschiene Serie „Stahlfront“ in einem Abriss vor, nebst einer Inhaltsangabe der ersten zwei Bände, die 2007 und 2008 erschienen, sowie Informationen zur Indizierung der ersten drei Bände im Jahr 2009. Es geht dabei um die Frage, ob „Stahlfront“ tatsächlich rechtsradikal, gewaltverherrlichend, sexistisch und rassistisch ist, und die Serie deshalb zu Recht indiziert wurde.
Spreen stellt, bevor er an die Analyse geht, erst einmal klar, was genau er mit dem Begriff „Rechtsradikalismus“meint. (Was wichtig ist, denn es existieren viele, zum Teil widersprüchliche, Definitionen von „rechtsradikal“ und „rechtsextrem“.) Für die Untersuchung zieht er die vier Kriterien „Wehrmachts- und Nazimythologie“, „Gewaltrechtfertigung“, „Rassismus“ und „nationalistisches Kollektivdenken“ heran und prüft jeweils ab, ob sie auf „Stahlfront“ zutreffen.
Dierk Spreen stellt außerdem die Methodik der Medienethik vor. Da es hier, jedenfalls 2009, nur Publikationen zu Filmen und Computerspielen gab, passt er die Methodik für die Arbeit an geschriebener Literatur an. Der Inhalt, die Rezeption und das Verhalten des Verlegers analysiert Spreen anhand dieser medienethischen Methodik, wobei er sich auf die Gewaltdarstellung beschränkt.
Spreen untersucht die Serie wissenschaftlich-sachlich und möglichst vorurteilsfrei. Dabei stellt er auch Tatsachen heraus, die nicht ins Bild von „Stahlfront“ als einer „Nazi-Serie“ passen. Es fehlt vor allem das „nationalistische Kollektivdenken“ – Spreen vermutet, dass das auf die Erwartungshaltung der SF-Leser zurückzuführen sei. Die Zielgruppe ginge weit über die „rechtsextrem Bewegten“ hinaus. „Stahlfront“ ist allerdings eindeutig gewaltverherrlichend, und damit medienethisch hochproblematisch.
Das abschließende Kapitel fasst die weitere Entwicklung nach dem Erscheinen der Erstfassung von 2009 bis 2016 zusammen, insbesondere das Verhalten des Verlegers. Spreen hinterfragt zwei Diskursstrategien des Verlegers: Zum einen die der Verharmlosung, „Stahlfront“ (und die weiteren, ähnlichen Unitall-Serien „Aldebaran“ und „Kaiserfront“) seien Gesellschaftsparodien, absichtlich „politisch inkorrekt“ und ironisch gemeint. Das Verwaltungsgericht Köln verwarf diese Argumentation. Zum anderen versucht er sich an die Tradition der Perry-Rhodan-Serie anzuhängen. Er spielt sich als Gralshüter eines „wahren Geistes“ dieser Serie auf, wie er zu Zeiten geherrscht hätte, als K. H. Scheer noch die Exposés verfasste. Dabei reduziert er Perry Rhodan auf „Military-SF“, die selbst in den 1960er-Jahren nur einer von vielen Aspekten der Serie war.
Sehr positiv fällt mir auf, dass Dierk Spreen die Leser zunächst in die verwendete Methodik einführt. Das erleichtert es, seine Untersuchung und seine Argumentationslinie nachzuvollziehen. Negativ ist allenfalls, dass beim „Update“ des Aufsatzes die neueren Serien des Unitall-Verlags nur am Rande berücksichtigt wurden. Die sehr „wissenschaftliche“ Sprache des Aufsatzes ist dem Charakter einer Analyse angemessen.
Fazit: „Heute die Welt und morgen das ganze Universum“ besteht aus drei hervorragend recherchierten Artikeln, die sich dem Thema „Nazis und Verwandtes in der phantastischen Literatur“ aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln nähern. Zusammen geben sie ein recht umfassendes Bild dieser Problematik. Die jeweils angefügte Literaturlisten erleichtern es dem interessierten Leser, seinen Einblick in die Materie zu vertiefen.
Obwohl – oder vielleicht, gerade weil – ich mich selbst schon lange mit dieser Thematik befasse, habe ich alle drei Aufsätze mit Gewinn gelesen. Dass ich den Autoren nicht in allen Punkten folgen möchte, tut dem keinen Abbruch.
Empfehlenswert!
Martin Marheinecke