Gjallarhorn Weblog

Militärpfaffen und Menschenwürde

Manchen wir uns nichts vor: die „alten Germanen“ waren kriegerisch. Das ist für Stammesgesellschaften nicht untypisch, was auch eine Warnung an alle sein sollte, die das Leben in Stämmen allzusehr romantisieren.
Das schließt nicht aus, dass „Germanen“ auch friedliebend sein konnten. Allzu scharf werden einfache Bauern – die fast die gesamte Bevölkerung ausmachten – nicht aufs Blutvergießen gewesen sein. Außerdem sind die in aller Regel besonders grausamen Religionskriege, „Heilige Kriege“, eine Spezialität der Anhänger monotheistischer Religionen.
Germanische Götter sind allesamt ziemlich wehrhafte Typen, sogar die liebreizende Freyja ist Anführerin der Walküren auf den Schlachtfeldern, und darf die Hälfte der gefallenen Recken beanspruchen, während Odin – einem ausgewiesenen Schlachtengott – die andere Hälfte zusteht.
Bei anderen heidnischen Richtungen sieht es nicht wesentlich anders aus – praktisch alle keltischen, slawischen, griechischen usw. Götter sind ebenfalls nicht gerade Pazifisten.
Daher war es in heidnischen Gesellschaften auch selbstverständlich, die Götter vor einer Schlacht um Beistand zu bitten.

Der Anspruch nach ist das im Christentum anders, es gibt in ihm sogar eine moralische Verpflichtung zur Feindesliebe. Das ist keine bloße Theorie, wie pazifistische christliche Gemeinschaften, wie z. B. die Mennoniten bis heute beweisen, und tatsächlich war das frühe Christentum, bis zur „Konstanischen Wende“ um 320 u. Z. , generell eine pazifistische Religion. Danach segneten auch christliche Priester die Waffen.
Bis heute.

Vor dem deutschen Bundespräsident, Joachim Gauck, habe ich großen Respekt. Weniger wegen seines Amtes, als wegen seines Lebenswerkes und seines entschiedenen Bekenntnis zur Freiheit.
Das schließt nicht aus, dass ich mit so manchem, was er sagt und meint, überhaupt nicht einverstanden bin.
Obwohl Gauck ein ehemaliger evangelischer Pastor ist, ist er kein Militärpfarrer. Trotzdem klang ein Satz seiner Rede, die er vor der Führungsakademie der Bundeswehr hielt, ganz übel nach „preußischer Militärpfaffe“:

„Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen“

.

Irgendwie erinnert mich das unangenehm, selbst wenn es, wie ich annehme, nicht beabsichtigt war, an einen Ausspruch Friedrichs II. (genannt „der Große“), König von Preußen, während der Schlacht bei Kolin:

„Ihr verfluchten Racker, wollt ihr denn ewig leben?“

Stärker als in anderen Richtungen des lutheranischen Protestantismus ist im preußischen Protestantismus ein fast schon puritanisches Misstrauen gegen Genuss und Spaß ausgeprägt. Bei Gauck ist dieser preußische Protestantismus immer wieder zu spüren. Wie jetzt bei seiner Rede vor der Bundeswehr.
Im preußischen Protestantismus sind Pflichtbewusstsein, Fleiß und Entbehrung positiv besetzt. „Pficht“ weniger im Sinne der Pflichtethik des (auch preußischen) Philosophen Kant, als im Sinne des pflichtbewussten Beamten, der sich brav an Vorschriften und Vorgaben hält. Oder des disziplinierten und Disziplin fordernden Soldaten, der gehorsam tötet und sich töten lässt, dem Gehorsam mehr bedeutet als sein persönliches Wohlergehen.
So eine Haltung ist unverträglich mit Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Ich hoffe, der Bundespräsident hat es nicht so gemeint. Ich fürchte aber, dass er es so gemeint haben könnte.

Unentschuldbar ist meiner Ansicht nach aber die Aussage eines richtigen deutschen Militärgeistlichen, dem katholischen Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck.
Bei der diesjährigen Soldatenwallfahrt nach Lourdes hat Overbeck nichtreligiösen Menschen das Menschsein abgesprochen. Unter anderem behauptete er:

„Ohne Religion und ohne gelebte Praxis von Religion gibt es kein Menschsein.“

Zudem meinte Overbeck gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA), dass konfessionsfreie Soldaten nicht so gewissenhaft entscheiden könnten wie religiöse:

„Oberste Priorität hat, dass Soldaten Gewalt nur im äußersten Notfall und vor allem verantwortungsvoll einsetzen. Mit einem festen Glauben lassen sich solche Entscheidungen gewissenhafter treffen.“

Kritik der Giordano-Bruno-Stiftung an Militärbischof Overbeck.
Im Schreiben der Giordano-Bruno-Stiftung an Verteidigungsminister Thomas de Maizière heißt es:

[…]Und wir fragen uns: Wenn der Leiter der katholischen Militärseelsorge schon gegenüber der Öffentlichkeit solche Äußerungen abgibt, welche Botschaft vermitteln er und seine Militärgeistlichen den katholischen Soldaten dann, wenn „keiner zuschaut“?![…]

Genau das frage ich mich, als Heide, nämlich auch!

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