„Gutes tun“ ist gar nicht schwer – oder doch?
Zu keiner anderen Jahreszeit kommen mehr Menschen auf die Idee „auch mal was Gutes zu tun“ als im Dezember.
Gleich vorab meine persönliche Meinung dazu:
Ob sie das nun tun, um sich selbst auf die Schulter klopfen zu können, aus „schlechtem Gewissen“, weil sie den Rest des Jahres die Augen vor den Bedürfnissen anderer verschließen, um eine Spende von der Steuer abzusetzen oder einfach nur aus Überzeugung: Wenn dadurch ein Kind in Afrika eine notwendige Impfung erhält, ein Tierheim ein paar Futtersäcke mehr oder ein Obdachloser einen Schlafsack, sind mir die Beweggründe – erst mal – völlig egal, weil mir die „Empfänger“ wichtiger sind als die „Spender“.
Und jede Kleinigkeit ist besser als nichts.
Auch diese – leider häufig zu beobachtenden – Diskussionen, was denn nun am Wichtigsten wäre, wer Hilfe am meisten verdient hätte und für wen man spenden / etwas tun sollte, finde ich äußerst befremdlich.
Um bei gängigen Beispielen zu bleiben:
Da spendet jemand einem Tierheim vor Ort Futtermittel und prompt meinen viele: „Man sollte doch erst Mal Menschen helfen.“– Also spendet er für hungernde Kinder in Afrika. Dann heißt es: „Aber hierzulande gibt es auch bedürftige Menschen, um die sollte man sich doch besser erst Mal kümmern!“ –Also bringt er Schlafsäcke zur Bahnhofsmission. Worauf dann kommt: „Na ja, hierzulande muss ja niemand so leben, die sind doch oft selbst dran schuld, man sollte lieber Menschen helfen die nichts für ihr Schicksal können!“ — Gut dann also eine Spende an die Krebshilfe… Nun tönt es: „Viele Erkrankungen sind umweltbedingt, da wäre es doch viel sinnvoller erst Mal was für die Umwelt zu tun, um die Ursache zu bekämpfen, nicht die Symptome!“–Puh … OK, also „Rettet den Regenwald“…? Worauf dann manche Zeitgenossen antworten: „Wie können einem ein paar Bäume am anderen Ende der Welt wichtiger sein als die traurigen Augen rumänischer Straßenhunde?!“–. Also die Organisation „Harte Hunde“ unterstützen….? „Du weißt aber schon, dass auch – direkt vor Deiner Haustür – Tierheime ums Überleben kämpfen?“…
Das ist beliebig erweiterbar.
Und ich habe noch nie begriffen warum nicht einfach jeder das tun soll, was ihm grade am Herzen liegt, ohne „Bewertungen“ von anderen Menschen. Denn nur so kann das funktionieren, wie bei so vielem im Leben ist hier die Vielfalt der Schlüssel. Denn durch diese Vielfalt gelangt Hilfe an die unterschiedlichsten Stellen – und gebraucht wird sie überall.
Denn wie wundervoll wäre es zwar allen hungernden Kinder dieser Welt helfen zu können, doch wie tragisch wäre es dann erleben zu müssen, dass sie Eisbär, Tiger, Wal, Hai, Biene usw. nur noch in Büchern sehen können wie wir heute die Dinosaurier …
By Pavel.Riha.CB at the English language Wikipedia, CC BY-SA 3.0
Doch das ist nicht der einzige Punkt, der mir bei so mancher „Gutes-Tun“-Diskussion sauer aufstößt.
Wie ich schon erwähnte sind mir prinzipiell erst Mal die einzelnen Beweggründe der „Spender“ nicht so wichtig ist wie die Tatsache, dass sie überhaupt etwas tun.
Zumindest wenn sie aus „dem Hintergrund heraus“ z.B. von Zuhause aus einfach auf irgendein Spendenkonto etwas überweisen, oder warme Decken in einer Bahnhofsmission abgeben.
Grad zu dieser Jahreszeit jedoch kann ich hier und da Skurriles beobachten, speziell in der Heidenszene.
Ich kann mit ruhigem Gewissen wohl auch für die Nornirs Æett sprechen wenn ich sage, dass wir das in manchen Heidenkreisen beliebte „Christen-Bashing“ genauso ablehnen wie die Herabwürdigung anderer Weltanschauungen (solange sie nicht den Menschenrechten widersprechen natürlich). Und dass uns „missionieren“ fern liegt.
Selbstverständlich fallen in lockeren Runden auch mal Sprüche wie: „Ha, Du wirst schon sehen, wir werden Dich assimilieren!“ oder wenn die sechsjährige Tochter eines Aettlings unser nächstes Treffen kaum abwarten kann, weil sie es so toll fand „Sehr gut, die nächste Asatru-Generation ist gesichert!“
Aber eben immer mit Augenzwinkern und Humor.
Und wenn besagte Tochter eine Laufbahn als christliche Nonne einschlägt ist sie bei uns weiterhin ganz genauso willkommen wie jetzt auch. Und jeder Aettling wird beim Ahnentrinken auch auf Jesus sein Horn heben, wenn sein Name gerufen wird (Und ja so was kam tatsächlich schon vor 😉 .
Was hat dieser kleine Exkurs zum Umgang der Nornirs Ætt mit anderen Religionen/Weltanschauungen nun mit meinem eigentlichen Thema zu tun?
Viel, denn -ich- habe kein Problem damit, z.B. christliche Organisationen, die viel für Obdachlose tun, für ihren Einsatz und ihre Arbeit zu schätzen. Ich käme nie auf die Idee, nur weil ich Asatru, ergo Heide bin, das was ich für andere Menschen tue höher zu bewerten oder „herauszustellen“.
Einige Heiden bemängeln bei vielen christlichen Organisationen den eindeutigen Bezug zur Religion, befürchten anscheinend, dass hilfebedürftige Menschen beginnen, das Christentum toll zu finden weil sie dort praktische Hilfe erhalten.
Fliegendes Spaghetti-Monster
Von Omidmottaghi – Eigenes Werk, GFDL,
Ich sehe das ganz pragmatisch: Wenn eine Organisation tatsächlich Menschen hilft ist sie toll -, zumindest in diesem Bereich – und da finde ich es einfach völlig unwesentlich, ob über ihrer Tür ein Kreuz, ein Pentagramm, ein Davidsstern, ein Thorshammer, ein Spaghettimonster oder sonst irgendetwas hängt. Und wenn ein hilfebedürftiger Mensch tatsächlich daraufhin zu irgendeinem Glauben / einer Religion findet, und damit glücklich wird, habe ich mitnichten den Gedanken jemanden „an die anderen verloren zu haben“, wenn es sich nicht um meinen eigenen Glauben handelt.
Denn es geht um diesen Menschen und nicht um mich und mein persönliches „Glaubens-Ego“.
Überhaupt habe ich oft das Gefühl, bei so mancher, grade „weihnachtlicher Hilfsbereitschaft“ steht das eigene Ego in vorderster Front, was mir wie gesagt bei Spenden aus der Ferne kein Kopfzerbrechen macht, aber dann nicht mehr funktioniert wenn man selbst und ganz persönlich den Kontakt mit den Menschen sucht,denen man helfen will.
Etwas was ich nie von jemandem verlangen würde (denn dann wären wir wieder bei meinem „Tierheim – hungernde Kinder usw.“-Beispiel), aber einigen einfach mal empfehlen würde.
Denn tatsächlich kann bei solchen Begegnungen etwas ganz Unerwartetes passieren:
Statt sich selbst allein zuhause auf die Schulter klopfen zu können, weil man grade 20 € auf ein Spendenkonto überwiesen hat, und das Gefühl „zumindest etwas getan zu haben“ zu genießen, könnte man – oft vorhandene – Berührungsängste überwinden und im besten Fall erleben, wie auch schon eine kleine Geste, ein paar nette Worte und eine unvoreingenommene Kontaktaufnahme die dem Gegenüber zeigt, dass er / sie ein „ganz normaler Mensch ist“, dazu führt, dass dieser Mensch sich geschätzt fühlt, manchmal sogar so sehr ins geradezu enthusiastische Plaudern gerät, dass seine Freude darüber, dass jemand ihn wahrnimmt, sich für ihn interessiert, ihm zuhört, mit ihm lacht, praktisch greifbar ist.
Ich durfte diese Erfahrung erst kürzlich wieder machen, und im Nachhinein… bin -ich- diejenige,die sich irgendwie beschenkt fühlt.
So gesehen – also egoistisch gesehen 😉 – war diese Erfahrung für mich sehr viel wertvoller als das gute Gewissen etwas gespendet zu haben.
Und ja ich trug dabei – wie immer – offen meinen Thorshammer um den Hals, und – wie in jeder anderen Situation auch – würde ich etwas dazu sagen wenn mich jemand explizit darauf anspricht und Interesse daran zeigt. (Was ich tatsächlich auch schon Mal hier thematisierte in einem anderen Artikel „Ich und mein Thorshammer“).
Doch wenn es nicht dazu kommt,,kann ich damit leben, dass dieser Mensch vielleicht denkt, ich würde aus christlicher Nächstenliebe handeln.
Weil es für diesen Menschen keine Rolle spielt, woher diese „Nächstenliebe“ kommt, sondern nur, dass sie da ist.
Ich möchte noch anfügen, dass ich das von mir etwas flapsig verwendete „Sich selbst auf die Schulter klopfen“ im Sinne von „sich selbst gut dabei fühlen wenn man etwas für andere tut“ vollkommen legitim finde. Dieses Gefühl darf – und soll man auch – meiner Meinung nach haben. Denn es geht ja nicht um den vollkommenen Altruismus. Ich würde es sogar als ungesund empfinden, sich selbst komplett hintenan zu stellen – und ich selbst bin ganz sicher kein Mensch der das könnte oder auch nur wollte.
Ich bin durchaus auch stolz auf meine eigenen „Guten Taten“, ob es eine Geldspende war, einem Igel über die Straße zu helfen oder einen Plausch mit einem Obdachlosen zu halten.
Doch inzwischen ist für mich die Intention dahinter einfach wichtiger geworden.
Tatsächlich war das bei den letzten Beispielen ehrlicherweise das Gefühl des pochenden Herzens des Igels in meinen Händen (und meine Angst meine „Rettungsaktion“ würde ihm einen Herzinfarkt bescheren, denn das ganze Tier schien wild zu pochen), und meine Erleichterung, als er sich nachdem ich ihn im Wald absetzte davon trollte.
Ein wundervolles Gefühl. Und trotzdem es eine für viele wohl eher verhältnismäßig kleine Tat war, fühlte ich mich wahnsinnig gut und lächle noch heute beim Gedanken daran.
Was man dann wohl „Lohn für die gute Tat“ nennt.
Und ich meine den braucht man auch um gern zu geben.
Ob das nun ein pochendes Igelherz, ein lächelnder Obdachloser, Bilder von geretteten Hunden, oder das schlichte Wissen darum ist, gerade mit Geld etwas bewirkt zu haben. Letztendlich geht es darum irgendetwas verbessern zu wollen.
Und ich finde jemand dem daran gelegen ist etwas zu verbessern, zu helfen, der sich bewusst dafür entscheidet für eine bestimmte Sache etwas „Gutes zu Tun“, der sollte sich durchaus gut fühlen dürfen.
Und sich darüber freuen, dass andere dasselbe tun. Weil es – völlig unabhängig von ihren jeweiligen Beweggründen – letztendlich darauf ankommt was eben „ankommt“, nämlich Hilfe.
Und wer das etwas bewusster tut, der hat eben unter Umständen dann selbst mehr davon.
😉
Diana Jägermond