Gewaltfreie Erziehung wirkt!
Der alte, dumme Spruch „eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet“ ist zwar immer noch unangenehm oft zu hören, vor allem in stark konservativen streng (monotheistisch) religiösen Kreisen. (Z. B. seitens konservativer Katholiken oder auch Evangelikaler – und dass in konservativen muslimischen Familien die „Prügelpädagogik“ noch weit verbreitet ist, ist leider kein antiislamisches Klischee.)
Erfreulicherweise hat es sich mitlerweile herumgesprochen, dass Erziehung mit Gewalt und Einschüchterung eine ziemlich sichere Methode ist, Menschen zu autoritätshörigen „Gefühlskrüppeln“ zu machen, und dass Menschen, die als Kinder misshandelt wurden, stärker dazu neigen, ihrerseits ihre Kinder zu misshandeln.
Vor allem aber sind Menschen, die mit alltäglicher Gewalt aufwuchsen, als Erwachsene viel häufiger selber gewalttätig, als gewaltfrei erzogene Menschen. Auch unter „freischaffenden Terroristen“ und Amokläufern gibt es auffällig viele Täter, die in Kindheit und Jugend ständig Gewalt ausgesetzt waren.
Das findet auch Professor Christian Pfeiffer, ehemals Leiter des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen in Hannover (KFN).
Von Terrorismus bis zu Amokläufen
„Wo die Kinder nicht geschlagen werden, sinkt die Zahl der Gewalttaten“ (Ärztezeitung)
„Seit im Jahr 2000 das Schlagen im Elternhaus in Deutschland gesetzlich verboten wurde, verzeichnen wir einen Rückgang bei den Tötungsdelikten im Land von 40 Prozent“, berichtet Pfeiffer.
Wie in anderen Äußerungen des prominenten Kriminologen findet sich leider auch hier eine fragwürdige Annahme: Peiffer begründet den Umstand, dass fast immer Männer die Gewalttäter sind, mit der Rolle der Männer in der kulturellen Evolution der Menschheit.
So in den Raum gestellt ist das nicht falsch, aber Pfeiffer argumentiert „vulgärdarwinistisch“ und wirft dabei biologische und kulturelle Evolution durcheinander: Männer seien gewaltgeneigter, weil im Verlauf der menschlichen Evolution sich die Kämpfertypen eben eher fortpflanzen könnten. Die Frauen dagegen hätten eine Kultur des Behütens und der Kommunikation entwickelte und würden diese Eigenschaften tradieren.
Dass (biologische) Männer im Durchschnitt aggressiver als (biologische) Frauen sind, hat unter Anderem tatsächlich biologische Gründe – etwa hormonelle Ursachen. Allerdings bedeutet eine stärkere Veranlagung zu aggressivem Verhalten noch lange nicht, das jemand gewalttätig oder gar gewaltkriminell sein müsse. Zudem müsste sich eine genetisch bedingte erhöhte Aggressionsneigung tendenziell auch bei Frauen auswirken – auch sie müssten gegenüber ihren Vorfahrinnen agressiver werden. (Analoges Beispiel aus der Hundezucht: Bei auf Aggressivität gezüchteten Hunderassen sind auch die Weibchen im Durchschnitt agressiver als bei anderen Hunden. Das Hundebeispiel verdeutlicht aber auch, wie sehr es vom Zufall, Erziehung und anderen äußeren Faktoren abhängt, ob und wie sich das Erbgut auswirkt: Es gibt unter den „Kampfhunden“ eine erstaunlich große Zahl friedlicher Schmuser, während es „Schoßhündchen“ gibt, deren Verhalten für Menschen lebensgefährlich wären, wenn sie nur etwas größer und stärker gebaut wären.)
In Pfeiffers Modell müsste auch noch erklärt werden, wieso die „Kultur des Behütens und der Kommunikation“ nur unter Frauen überliefert würde. Vorstellbar wäre das nur in einer Kultur, in der Mädchen und Jungen vom frühen Kindesalter an getrennt aufwüchsen.
Im Ansatz hat Preiffer schon recht: Dass fast alle Gewaltverbrecher Männer sind, hat sowohl biologische wie kulturellen Ursachen. An den biologischen Ursachen läßt sich kaum etwas „drehen“, aber glücklicherweise wirken sie nicht zwangsläufig und sind ohnehin viel weniger bedeutsam als die kulturell bestimmten Geschlechtunterschiede.
Jungen werden immer noch anders erzogen als Mädchen, vor allem Mädchen immer noch in „sanfte“ Rollen gedrängt, und die „Machokultur“ unter jungen Männer ist immer noch lebendig.
Problematisch ist, dass die – populären – Klischees vom „von Natur aus kämpferischen Mann“ und mehr noch das von der „behütenden Frau“ Pfeiffers Darstellung bestimmen. Als Sozialwissenschaftler müsste ihm bekannt sein, dass z. B. weibliche Managerinnnen, Politikerinnen in Machtpositionen und – in den Armee, in denen das möglich ist – Offizierinnen usw. keineswegs „behütender“ bzw. rücksichtsvoller als Männer wären. So weit „oben“ in der Hierarchie spielen biologische und kulturelle Unterschiede anscheinend kaum noch eine Rolle. Die Hoffnung, dass Frauen, nur weil sie Frauen sind, die menschlicheren Führungskräften sein könnten, ist trügerisch. (Was nicht gegen sehr viel mehr Frauen „oben“ in der Hierchie spricht. Aber aus anderen Gründen.)
Selbst Polizistinnnen sind im Dienst kaum weniger „hart“ als ihre männlichen Kollegen – sie müssen es auch sein, sonst würden sie nicht ernst genommen. Dass Frauen in unserer Gesellschaft im Durchschnitt durchaus mehr Sozialkompetenz als Männer aufweisen, ist problemlos durch Umwelt und Erziehung erklärbar. Bessere Sozialkompetenz ist erlernbar, selbst „kämpferische“ Männer können es.
Gerade hierin liegt eine berechtigte Hoffnung, auf Erziehung, auf die Alltagskultur und auf Aufklärung. Das Beispiel der gewaltfreien Erziehung macht Mut – Gewaltkriminalität ist kein „Naturgesetz“!