Aller Anfang ist manchmal schwer
Um es gleich zu Beginn festzustellen: Dies hier wird keine Anleitung zu schamanischem Reisen. Ich glaube – derlei lässt sich auf schriftlichem Wege auch gar nicht vermitteln. Reisen in die parallele Realität sind vor allem anderen Erfahrungssache – also Learning by doing; ebenso wie zum Beispiel Schwimmen oder Radfahren.
Worum es hier gehen soll, sind mögliche Hürden denen man vor allem zu Beginn begegnen kann, wenn man sich anschickt, erste Erfahrungen im schamanischen Reisen zu sammeln.
Durch Michael Harners Buch „Der Weg des Schamanen“ und die Gründung der „Foundation for Shamanic Studies“ (FSS) hat auch der Begriff der „Nichtalltäglichen Wirklichkeit“ (NAW) mittlerweile eine recht weite Verbreitung gefunden. Aus Gründen des ganz persönlichen Geschmacks bleibe ich in diesem Blog aber lieber bei dem Begriff „Anderswelt“.
Trancereisen kann man, meine ich, grob in zwei Kategorien einteilen: Geführte Reisen – also Reisen deren Ablauf durch gesprochenen Text quasi vorgegeben ist und die Möglichkeit zur Entfaltung der eigenen Vorstellungskraft geben (aber auch zu einem Kontakt mit der Anderswelt führen können) – und solche, die üblicherweise als „schamanische Reisen“ bezeichnet werden; Anders als bei geführten Reisen ist hier meist ein erzeugter monotoner Rhythmus der rote Faden, sei’s zum Beispiel mithilfe einer Klangschale, einer Rassel – oder eben „klassisch“ – durch eine Trommel.
Eine Randnotiz: Da und dort taucht auch immer mal wieder der Begriff „Astralreisen“ auf; Obwohl des Häufigeren ein Unterschied zum schamanischen Reisen postuliert wird, hat mir im Lauf der Jahre niemand auch nur annähernd überzeugend darlegen können, worin der denn liegen soll.
Darüber hinaus kann man eine solche Reise durchaus auch gänzlich ohne Hilfsmittel bewerkstelligen; aber zumindest anfangs macht ihre Zuhilfenahme die Sache deutlich leichter – und viele Praktizierende haben aus verschiedenen Gründen auch ein sehr persönliches Verhältnis zu ihrem…nennen wir’s an dieser Stelle mal profan – „Klanggerät“.
Einbildung oder Realität ?
Die wohl größte Hürde beim Kennenlernen und Erleben der Anderswelt ist die Frage: „Ist das was ich sehe Wirklichkeit – oder bilde ich mir das nur ein ?“
Als ich damals das praktische Reisen erlernte, wurde mir vermittelt ich solle einen Tunneleingang oder eine natürliche Höhlung visualisieren über die ich in einen Tunnel gelange, an dessen anderem Ende ich in der Anderswelt ankommen würde. Für den Fall, dass dieser Tunnel nicht von selbst ein Ende nimmt, solle ich mich einfach an dessen Ende wünschen.
An diesem Punkt ist die Reise offensichtlich noch ein aktiv herbei geführtes Szenario – und das ist auch in Ordnung so; Weil dieser Tunnel (oder ein anderes äquivalentes Bild) in mehr als einer Hinsicht als Tür fungiert:
Man stellt sich diesen Übergang in aller Regel in einer Form vor, die einem persönlich angenehm oder sogar vertraut ist – und damit trägt er zu einer gewissen zusätzlichen Entspannung bei und man beginnt sich im Zuge des Durchschreitens dieses Übergangs mehr und mehr vom Alltagsgeschehen zu lösen. Wahrnehmbar ist das – manchmal – durch eine Vertiefung der Trance.
Das Ankommen in dieser parallelen Realität insgesamt, ist zu Beginn oft ein Prozess des relativ gemächlichen Hinübergleitens, der sich auch über eine ganze Anzahl von Reisen hinweg erstrecken kann; Wirklich interessant wird es dann, wenn die Dinge beginnen, sich zu verselbstständigen ! 😉
Dann bleibt allerdings immer noch die Frage offen: „Handelt es sich um die Projektion meines Unterbewusstseins – oder ist das tatsächlich eine von mir und meinem Willen autonome Realität ?“
Ich selbst habe als grundlegende Richtlinie mal gelernt: „Zwischen dem was ist – und dem was ich wahrnehme, steht immer noch das Ego !“
Das soll heißen: Gesetzt den Fall, da ist etwas – dann trage ich immer noch meine eigene Sicht auf die Welt mit mir herum, die erheblichen Einfluss darauf nimmt, wie ich etwas wahrnehme. Das ist in unserem alltäglichen Leben ganz genauso – „drüben“ fällt das nur einfach etwas plastischer, bzw. anschaulicher aus.
Ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung: Wenn ich auf einer Reise einer Wesenheit begegne – dann fasse ich diese Wesenheit erstmal als durchaus real auf; Real im Sinne einer autonomen Existenzform. In welcher Gestalt ich dieses Wesen in dieser spezifischen Situation wahrnehme, kann sowohl ein Entgegenkommen seinerseits sein – zum Beispiel im Sinne eines Wiedererkennungswertes, oder vielleicht sogar vor dem Hintergrund meiner Zielsetzung auf dieser Reise; Es kann aber auch von meiner eigenen, verinnerlichten Weltanschauung ausgehend eine gewisse Form „übergestülpt“ bekommen – als Versuch meines Gehirns, das Gesehene in meine Erfahrungswelt einzuordnen. Selbstverständlich ist auch beides gleichzeitig möglich.
Es handelt sich hier also grundsätzlich, wie in vielem anderen auch, um keinen Widerspruch, sondern es geht darum, ein „sowohl als auch“ gelten zu lassen zu können… was für sich genommen schon eine Lernaufgabe sein kann.
Wie bereits angedeutet bin ich der Überzeugung, dass sich während einer Reise externe Geschehnisse mit Inhalten des Unterbewusstseins vermengen können. Das ist weder ein Widerspruch noch im Grunde ein Problem – wenn man sich vergegenwärtigt, dass wirklich alle Elemente einer Reise eine reale Aussagekraft haben.
In welchem Umfang wir in der Lage sind, sie zu interpretieren, ihnen überhaupt Beachtung schenken (wollen) – oder welche Relevanz sie für die Zielsetzung unserer Reise haben – das ist dann wiederum ganz individuell gelagert.
In jedem Fall hat es mir wertvolle Dienste geleistet, o.g. Merksatz immer im Hinterkopf zu behalten !
Mein persönliches, zu Beginn häufiger auftretendes, Problem waren teils chaotische Bilder und Symbole, die sich mit den andererseits durchaus sehr plastischen Bildern vermengten und mit denen ich mich schwer tat, sie zu verstehen.
Andere Menschen haben zum Beispiel die Schwierigkeit, dass das Gesehene in unzusammenhängenden oder schlaglichtartigen Bilderfolgen erscheint – oder dass sie womöglich gar nichts zu Gesicht bekommen. Dafür gibt es verschiedene mir bekannte Ursachen – und bestimmt auch noch ein paar, die mir nicht bekannt sind:
Eine der Herausforderungen, mit denen man zu tun bekommen kann – mit der ich es zu tun bekam – war, überhaupt erstmal die eigene innere Bilderwelt kennenzulernen; Also die Symbolsprache, über die das Unterbewusstsein kommuniziert. Das dauert natürlich – sofern man nicht schon auf anderem Wege Gelegenheit hatte, sich damit zu befassen.
Umgekehrt habe ich aber auch festgestellt, dass meine Auseinandersetzung mit dem Schamanismus den positiven Effekt nach sich zog, dass ich durch das Kennenlermen dieser Symbolsprache zunehmend besser meine Träume zu deuten lernte.
Auch Träume sind ein veränderter Bewusstseinszustand – und auch da kann es zu Berührungen mit der Anderswelt kommen. Aber davon ein ander Mal mehr… 😉
Es ist gerade zu Beginn einer „Karriere“ in der schamanischen Praxis durchaus hilfreich, sich einen rituellen Ablauf zu entwickeln, der im Vorfeld einer Reise in immer gleicher Form praktiziert wird. Es sollten keine alltäglichen Handlungen sein, weil man sich ja gerade darauf vorbereitet, dem normalen Leben für eine gewisse Zeit den Rücken zuzukehren. Aber wie das im Einzelnen aussieht – da ist der Kreativität keine Grenze gesetzt: Kerzen… womöglich in bestimmten Farben – eine spezielle Decke als Unterlage, sonstige Gegenstände und (magische) Hilfsmittel in einer bestimmten Anordnung drapieren… what so ever…
Einerseits kann man das als Teil einer heiligen Handlung ansehen… völlig legitim – und im Zusammenhang mit dem Folgenden auch wichtig. Aber an dieser Stelle geht es mir vor allem um einen eher pragmatischen Grund: Mit diesem immer gleichen Ablauf konditioniert man sich auf eine bestimmte Handlung (Pawlow lässt grüßen) – eben die einer Reise in die Anderswelt. Irgendwann registriert das Gehirn, oder sogar der ganze Organismus mit dem Einsetzen dieser ganz spezifischen Handlung: „Ah – gleich geht’s los“ – und stimmt sich schon mal unwillkürlich darauf ein.
Eine Begegnung auf einer schamanischen Reise – MartinMs Eindruck von Odin
Es ist grundsätzlich wichtig, den Alltag und alles, was einen den Tag über beschäftigt hat, für den Zeitraum einer solchen Reise bis zu einem gewissen Grad ausblenden und hinter sich lassen zu können – weil auch das einen Einfluss auf die Qualität der Ergebnisse dieser Reise hat. Nachvollziehbar, oder ?
In diesem Zusammenhang kann es auch zumindest hilfreich sein, spezifische Entspannungsübungen als Teil der Reisevorbereitungen auszuführen. Atemübungen – vielleicht sogar autogenes Training. Alles was zu einer geistigen und körperlichen Entspannung beiträgt, kann nur von Nutzen sein – damit das Bewusstsein sozusagen den Rücken frei hat, um sich auf die Zielsetzung der Reise fokussieren zu können.
Ein weiterer essentieller Punkt ist, wie stark ein Thema bzw. das Ziel der Reise, über das man sich Informationen oder sogar Klarheit zu verschaffen wünscht, emotional besetzt ist.
„Motivation ist alles“ sage ich immer ! Wer absolut willens ist, etwas zu erreichen, wird sich weder hüben noch drüben von auftauchenden Schwierigkeiten beirren lassen und sich durchbeißen !
Auf der anderen Seite laufen allerdings auch die Ergebnisse einer Reise Gefahr larifari zu werden, wenn man von vorneherein mit der Einstellung „versuchen kann man’s ja mal“ herangeht.
Wie einst der weise Yoda schon sagte: „Nicht versuchen; Tu es – oder lass es…“ 😉
Und zu (fast) guter Letzt: Eine kurze, prägnant und knackig formulierte Zielsetzung trägt auch ihren Teil zu einem erfolgreichen Unternehmen bei. Man sollte sich im Vorfeld mit dem zu erreichenden Ziel soweit auseinander gesetzt haben, dass man es in einem einzigen kurzen Satz zusammenfassen kann.
Es gibt der Reise grundsätzlich eine eindeutige Marschrichtung – es kann aber auch hilfreich sein, weil es bisweilen passiert, dass man aufgrund einer Vielzahl von Eindrücken ein wenig das ursprüngliche Ziel aus den Augen verliert oder sich darin verzettelt.
Manchmal wird die Trance auch so tief, dass man an der Grenze zum Einschlafen entlang schrammt. In solchen Fällen ist es dann gut, sich mit diesem „Mantra“ wieder zur Ordnung rufen und auf Kurs bringen zu können !
Zusammenfassend sind das alles Elemente, die einen Einfluss auf die Qualität einer schamanischen Reise haben – nebst natürlich und vor allem der zunehmenden Erfahrung im Reisen ansich; sowie dem wachsen müssenden Vertrauen, dass das Wahrgenommene keine Hirngespinste sind.
Ein ganz massives Problem kann es noch als Ursache dafür geben, wenn man so gar nicht vom Fleck kommt – oder gar nichts wahrzunehmen in der Lage ist:
Angst, die Kontrolle abzugeben.
Dazu kann ich im Moment nur sagen, dass man das ja im Grunde auch nicht mehr tut als im Hier und Jetzt; Eine Reise in die Anderswelt hat den Sinn und Zweck, etwas auf einem spezifischen Weg erreichen zu wollen, der eine Ergänzung zu anderen Mitteln darstellt – oder weil andere Mittel und Wege ausgeschöpft sind.
Aber ich kontrolliere primär, wohin ich reise und wie lange; nur – einer solchen Reise liegt ja oft auch der Gedanke zugrunde, andere Wesen um Rat und Beistand zu bitten; Dann wird es sich wohl nicht vermeiden lassen, sich solchen „Einflüssen“ gegenüber zumindest auch zu öffnen.
Es ist auch nicht immer der Grund für fehlende Resultate. Ich kenne Menschen, die nur äußerst ungern die Kontrolle abgeben – bisweilen ist das auch bei mir selbst so; Und trotzdem funktioniert’s.
Ich vermute, es hat mit dem Ausmaß einer solchen Kontrollangst zu tun – und die ist dann gegebenenfalls nicht nur auf der anderen Seite ein Klotz am Bein…
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