Warum „Thor Steinar“ keinen Spaß versteht
Es ist beinahe Realsatire: das Unternehmen Mediatex („Thor Steinar“) klagt gegen die Initiative „Endstation Rechts“ („Storch Heinar“).
Schon am ersten Prozesstag um den „Führerstorch“ „Storch Heinar“ scheint eine Entscheidung gefallen.
Der Richter Horst Rottmann machte schon am ersten Verhandlungstag klar, dass er nicht, wie der Kläger, in Optik oder Namen eine Verwechslungsgefahr sehe. Trotz der Empfehlung des Richters, die Klage zurückzuziehen, besteht Mediatex aber auf einem Urteil.
Prozess um „Thor Steinar“-Persiflage (Spon).
Die Initiative „Endstation Rechts“ aus Mecklenburg-Vorpommern vertreibt über das Internet Kleidungsstücke mit dem „Storch Heinar“-Motiv, die Erlöse aus dem Versandhandel fließen in ihre Aufklärungsarbeit über Rechtsextremismus.
Das Mediatex-Modelabel „Thor Steinar“ ist wegen seiner zynischen Geschäftsidee, Kleidung mit an die NS-Propaganda angelehnte Symbolik in sein Sortiment aufzunehmen, seit langem umstritten. Daher ist es wahrscheinlich kein Zufall, sondern Kalkül, dass diese Mode häufig von Anhängern der rechtsextremen Szene getragen wird. Der Brandenburger Verfassungsschutz warnte 2009 in einer Broschüre, dass „Thor Steinar“ im „aktionsorientierten Rechtsextremismus“ – sprich: von Nazi-Hools und anderen inwändig braunen Schlägern – getragen werde.
Mediatex hat eine Verwechslungsgefahr zwischen „Thor Steinar“-Mode und Bekleidung mit „Storch Heinar“-Motiven moniert. Dabei ginge es sowohl um den Namen als auch um die Körperhaltung des Vogels, die nach Auffassung von Mediatex stark dem Andreaskreuz (tatsächlich wohl der Rune „Gebo“) ähnele, das auf „Thor Steinar“-Kleidungsstücken zu finden sei. Nach Angaben des Gerichtssprechers sieht sich die Firma außerdem durch die Satire „in unsachlicher Weise herabgesetzt und verunglimpft“. Außerdem redete sich Mediatex darauf hinaus, dass sie ja nichts für die politische Gesinnung ihre Kunde könne.
Richter Rottmann äußerte sich schon vor der Urteilsverkündung außergewöhnlich deutlich zu seiner juristischen Einschätzung der Lage:
- Zum Vorwurf der Verwechslung: „Es besteht keine Gefahr, dass mit dem Storch eine Nähe zur Marke der Klägerin vermutet wird“, sagte Rottmann. Wer den Vogel betrachte, assoziiere damit nicht das Andreaskreuz. Dieses, versehen mit zwei Punkten, verwendet Thor Steinar. In der Persiflage streckt Storch Heinar die Flügel links und rechts in die Höhe, in der Mitte liegt ein Ei.
- Zum Klang der Namen: „Thor und Storch sind nicht verwechselbar“, sagte der Richter. Zwar wiesen beide die gleiche Anzahl an Silben und die gleichen Vokale auf, aber es bestehe dennoch ein Unterschied.
- Zur einer möglichen Verunglimpfung: Eine Verunglimpfung der Marke Thor Steinar zum Zweck der Gewinnerzielung könne er ebenfalls nicht erkennen, sondern vielmehr eine Persiflage als kritische Gegenüberstellung, sagte Rottmann. Diese satirische Verfremdung falle unter die Kunstfreiheit.
(aus: Spiegel online).
Mediatex versteht keinen Spaß und strengt einen Prozess an, bei dem von vornherein nur wenig Aussicht auf Erfolg bestand, und bei dem ein erheblicher Imageschaden abzusehen ist.
Warum? Ich vermute, dass „Endstation Rechts“ einen wunden Punkt bei „Thor Steinar“ getroffen hat – nämlich, dass „aktionsorientierte Rechtsextremisten“ tatsächlich eine wichtige Zielgruppe dieses Modelabels sein dürften – und dass es daher Mediatex wichtiger sein könnte, den „blöden Antifas“ eines auszuwischen, als einen weiteren Imageschaden zu riskieren. Dass Mediatex die Klage nicht einfach zurückzieht, sondern stur und kostenträchtig auf einem Urteil beharrt, passt zu dieser Vermutung: es ist abzusehen, dass anschließend in rechtsextremen Foren wieder einmal wehleidig von „Zensur“, „Unrechtsurteilen“ und „politischer Verfolgung“ die Rede sein wird. Bei ihren mutmaßlich treuesten Kunden wird „Thor Steinar“ das zugute kommen. („Unpolitische“ Kunden, die einfach nur die Klamotten cool finden, sind offensichtlich nicht so wichtig – oder Mediatex baut weiterhin auf die bisher schier grenzenlose Naivität und Wegsehbereitschaft dieses Kundenkreises.)
Noch etwas:
Ich rate wegen der zynischen Geschäftsidee, der mutmaßlichen Verbindungen zwischen „Thor Steinar“ / Mediatex und der rechtsextremen Szene und der nicht ganz unberechtigten Gefahr, als TS-Träger für einen gewaltbereiten Neonazi gehalten zu werden, vom Kauf dieser nicht ganz billigen Klamotten dringend ab!
Es ist unverkennbar, dass „Thor Steinar“ sich streckenweise wirklich eng an die „NS-Propagandaästhetik“ anlehnt. Aber an und für sich und ohne den Kontext, den die Marke „Thor Steinar“ gibt, taugen Runen, Wikingerschiff, nordische Götter, aber auch „Heia Safari“ oder „Ultima-Thule“ noch nicht einmal als Indizien für eine „rechtsextreme Gesinnung“.
Es stimmt einfach nicht, dass diese Symbole nur den „Eingeweihten“ verständliche „Nazi-Codes“ seien.
Trotz des Faibles vieler Nazis für alles „Nordische“ sind Runen an sich keine Nazissymbole, Wikingerschiffe erst recht nicht. „Heia Safari“ wurde bestimmt auch im Afrika-Corps der Wehrmacht gesungen, stammt aber aus der Kolonialzeit, womit der Begriff zwar problematisch, aber eben nicht „NS-belastet“ ist.
Er wird noch heute gern in der Afrika-Touristik verwendet.
Als erheblich zynischer empfinde ich übrigens ein „TS“-Shirt mit der Aufschrift „Südseekreuzfahrt“ und einer Graphik mit einem Schiff hinter Palmen. Beim näheren Hinsehen entpuppt sich das Schiff als Kriegsschiff, genauer gesagt als waffenstarrender Kreuzer der Kaiserlich Deutschen Marine.
„Ultima Thule“ ist u. A. der Name einer schwedischen Vikingrock-Band, die zwar wegen ihrer (ehemaligen) Geschäftsbeziehungen zu Bert Karlsson, einem rechtsgerichteten Politiker und Eigentümer eines Musiklabels vielen schwedischen Antifaschisten suspekt ist, aber von den Texten und der Symbolik her nicht als „Neonazi-Band“ bezeichnet werden kann. „Ultima Thule“ , das „äußerste Thule“, ist eine Allegorie für den „hohen Norden“, ein Bezug zur rechtsextremen „Thule-Gesellschaft“ oder dem „neurechten“ „Thule-Seminar“ ist keineswegs zwingend.
Es wird Zeit, den Nazis nicht widerstandslos Symbole zu überlassen, die ihnen einfach nicht gehören!
„Es wird Zeit, den Nazis nicht widerstandslos Symbole zu überlassen, die ihnen einfach nicht gehören!“
Das sage ich auch! Wie währe es damit: Wir dragen Svastika, Pentagramm, Runen, Mjöllnir usw. in der Öffentlichkeit, und DEMONSTRIEREN gegen Symbolmissbrauch!
Die Bitte ist ihnen egal, FORDERT unsere Symbole zurück!