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Der Julleuchter – eine erfundene „Tradition“

Es gibt „alte Bräuche“, die beim näheren Hinsehen gar nicht so alt sind.
Der (angeblich) germanische Julleuchter ist (angeblich) ein vorchristlicher, nordischer Kultgegenstand, der (angeblich) die Sonnenwende symbolisiert.
Julleuchter
Um diesen Kultgegenstand angeblich germanischer Herkunft rankt sich angeblich traditionelles Brauchtum:

Der Julleuchter
Während der Abende bis zum 21. Dezember symbolisiert das spärliche Licht der Kerze im Inneren des Julleuchters das scheidende Jahr, die sterbende Sonne, die dunkle Zeit. Zur Sonnenwende wird die Kerze hervorgeholt und auf die Spitze des Leuchters gesetzt. Im Anschluss daran können der Weihnachtsbaum sowie alle vier Kerzen des Adventskranzes entzündet werden – das neue Licht ist geboren und füllt den Raum ganz aus. Später am Abend sollte die Kerze des Julleuchters durch eine neue ersetzt werden, damit der Leuchter die gesamte Nacht brennen und am nächsten Morgen gemeinsam mit der aufgehenden Sonne den Anbruch des neuen – längeren -Tages erleben kann.
Das allabendliche Entzünden des Julleuchters in der Vorweihnachtszeit ist ein gleichermaßen einfaches und schönes Ritual für die ganze Familie zu Hause, auch die Kleinsten haben viel Freude daran. Größere Vorbereitungen sind genauso wenig nötig wie der Einsatz spezieller Hilfsmittel – mit Ausnahme des Julleuchters eben. Er besteht in der Regel aus gebranntem Ton und ist mit verschiedenen Sonnensymbolen verziert. Handgefertigt entfaltet jeder Leuchter sein eigenes Schattenspiel.
Das Julleuchter-Ritual ähnelt in Ausführung und Symbolik bezüglich der Erwartung des neuen Lichts der Adventskranz-Tradition, birgt aber auch Reste kultischer Feuererneuerung – das Julfeuer im Kleinen – in sich.

Aus: „Die geweihten Nächte“, Arun-Verlag,
5. Überarbeitete und ergänzte Auflage, 2005
In den älteren Auflagen des zitierten Buches fehlte jeder Hinweis auf die Bedeutung des Julleuchters für die SS, ab der 5. Auflage wurde, nach hartnäckiger Kritik, ein entsprechender Absatz eingefügt. Obwohl nun die unangenehme Nazi-Vergangenheit des Julleuchters nicht mehr verschwiegen wird, heißt es in der bearbeiteten Neuauflage:

Somit ist klar, dass der Julleuchter altehrwürdiges heidnisches Bauernerbe darstellt, das von den Nationalsozialisten lediglich übernommen wurde.

Somit stellen sich die Fragen:

  • Ist der Julleuchter wirklich „heidnisches Bauernerbe“?
  • und

  • Haben die Nazis dieses „alte Erbe“ lediglich übernommen?

Es dürfte nur wenigen Neuheiden egal sein, ob ein Brauch authentisch ist oder falls er erfunden ist, von wem er zu welchen Zweck er erfunden wurde.

Der Julleuchter – heidnisches Erbe?

Das Vorbild für den Julleuchter wurde 1888 im schwedischen Magazin „Runa“ erwähnt. Dabei wurde ein Original beschrieben, das aus dem 16. Jh. (nach anderen Angaben: 18. Jh.) aus der Gegend von Halland stammt und heute im Nordischen Museum in Stockholm ausgestellt ist.
Ein ähnlicher Leuchter findet sich laut „Geweihte Nächte“ im Freilichtmuseum Skansen.

Diese „Julleuchter“ – vielleicht sollte man sie besser „Turmleuchter“ nennen – stammen aus der frühen Neuzeit, also einer Zeit gut 500 Jahre nach der Christianisierung. Da im frühen Mittelalter im Norden Kerzen kaum verwendet wurden, könnte ein Leuchter dieser Machart auch gar nicht wesentlich alter sein. Auch im 16. Jahrhundert waren Wachkerzen noch Luxusgegenstände, die praktisch nur in Kirchen verwendet wurden. Die billigeren Talg- oder Unschlitt-Kerzen wären für diesen „2-stöckigen“ Leuchter nicht zu gebrauchen gewesen, denn sie rußten stark und ihr Docht musste regelmäßig „geschneuzt“ (gekürzt) werden.
Die Turmleuchter stammen also wahrscheinlich aus wohlhabenden Haushalten, und vermutlich wurden sie nur zu festlichen Anlässen gebraucht, also vielleicht zur Weihnachtszeit. Da Weihnachten im Schwedischen „Jul“ heißt, ist die Bezeichnung „Julleuchter“ vielleicht sogar gerechtfertigt, allerdings ohne den geringsten Hinweis auf eine heidnische Tradition.
Fraglich ist, ob der „Stern“ im unteren Fenster tatsächlich, wie behauptet, eine „Hagal“-Rune ist. Dazu ist das Ornament als Schmuckelement einfach zu beliebig – wie das darüber liegende Herz. Andere vorchristliche Symbolik ist an dem Leuchter nicht zu erkennen.
Auch die „Geweihten Nächte“ räumen ein, dass es keine gesicherten Angaben darüber gibt, inwieweit das beschriebene Licht-Ritual ebenfalls auf altes schwedisches Erbe zurückgeht.
Der Leuchter ist also ländliches Kunsthandwerk aus dem frühneuzeitlichen Schweden, mehr nicht.

Haben die Nazis dieses „alte Erbe“ lediglich übernommen?

Diese Frage ist im Grunde schon beantwortet: allzu viel „Erbe“, und sei es in Form schwedischen Brauchtums, ist mit dem Leuchter nicht verbunden.
Die Verbindung zu den „alten Germanen“ oder gar noch weiter in die Vergangenheit ist konstruiert – von den Nazis selbst oder von deutschen oder schwedischen Nationalromantikern vor ihnen. Das oben zitierte Julleuchter-Ritual kann nicht vor Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sein. Denn vorher gab es den Adventskranz noch nicht! (Siehe: 24 populäre Irrtümer rund ums Weihnachtsfest.) Da zu „braunen Zeiten“ auch der Adventskranz „germanisiert“ und pseudoheidnisch umgedeutet wurde, sieht das so feierliche „alte“ Ritual ganz nach einem „NS-Brauch“ aus.

Mehr über die Geschichte des Julleuchters:
Die Erfindung einer “Tradition”

10 Gedanken zu „Der Julleuchter – eine erfundene „Tradition“

  • Pingback: Die Erfindung einer “Tradition” - Asatru zum selber Denken - die Nornirs Ætt

  • Lil

    Nähere mich in diesem Jahr das erste Mal der Weihnachtszeit auf hm heidnische Weise und bin dabei auch auf den Julleuchter gestoßen.

    Sorry, aber so etwas dermaßen „Kastriertes“ habe ich bezüglich keines einzigen Weihnachts-Rituales jemals gesehen. Langweilig, gewollt, lustlos, ästhetisch unter aller Dimension.

    Bleibe bei Efeu, Buchsbaum, Wachholder, Tanne und Mistel – definitiv 🙂

    LG
    Lil

  • Ja, das stimmt! Dem „Julleuchter-Ritual“ merkt man an, dass es künstlich ist, und sehr „gewollt“ – wäre es ein Theaterstück, würde ich es als überladen und seinen Text als „hölzern“ bezeichnen.
    Der Mistelzweig zur Weihnacht ist vielleicht nicht „echt keltisch“, die Tanne nicht „uralt germanisch“, aber die damit verbundene Bräuche sind „echt lebendig“. Der „Julleuchter“ ist ein, vielleicht ganz netter, Kerzenständer, mehr nicht!

  • Pingback: Wenn sacht de Peremett sich dreht … | Mittelwächter.

  • Anmerkung: Die Symbolik lässt sich im Falle des Julleuchters leider nicht von der politischen Konnotation trennen, wenn er im Sinne des „Juleuchter“-Rituals der SS verwendet wird. Wird er als das behandelt, was er eigentlich ist, nämlich ein simpler Kerzenständer, ist an diesem Utensil nichts auszusetzen. Nebenbei: es geht uns in der Nornirs Ætt nicht um „Tugend“, sondern schlicht um die Abwehr von als „germanisch“ ausgegebenem Nazi-„Gedankengut“.

  • Pingback: Unpolitisch sein | Nymphenkuss

  • Licht suchen

    Ob aus germanischer Zeit oder aus der frühen Neuzeit – gesichert sind Brauchtümer germanischer Feste zu allen Jahreszeiten überliefert, die eine tiefe Bedeutung haben und oft mit Feuerritualen begangen wurden. Auch wenn es nur ein „schnöder Kerzenhalter“ ist – die Suche der Menschen hierzulande nach ihren Wurzeln scheint ein tiefes Bedürfnis zu sein. Die christliche Überformung der traditionellen Feste – gibt es hier einen Zusammenhang zu dem fruchtbaren Boden, auf den der Missbrauch des heidnischen Erbes durch die Nazis fiel?

  • Obwohl es nur wenige wirklich historisch gut gesichter Erkenntnisse über vorchristliche germanische Feste gibt, haben Sie recht – Feuerrituale werden eine wichtige Funktion gehabt haben. Es ist auch anzunehmen, dass die Suche nach ihren Wurzel ein tiefes Bedürfnis hierzulande (und auch anderswo) ist – sonst gäbe es z. B unsere „germanisch orientierte Neuheiden-Gemeinschaft“ Nornirs Ætt bestimmt nicht. Hingegen bin ich nicht der Ansicht, dass Unmut über die christlicher Überformung vorchristlicher Festbräuche viel zum Aufstieg der Nazis beitrug – wenn überhaupt etwas.
    Mit Parolen wie „die Missionare haben uns unser Julfest geklaut“ hätten sie nicht einmal bei völkischen Germanentümlern viel gewinnen können. Volkstümlich war eben auch christlich-traditionell, und daher wurden die Germanenideologie propagandistisch geschickt eher im Stil von „wusstet ihr schon, dass der Weihnachtmann eigentlich Wotan ist?“ eingeführt, also im Sinne eine behaupteten ungebrochenen Kontinuität zu den „alten Germanen“ und der Vorstellung, dass vieles „aus uralter Zeit“ eben, in verwandelter Form, im deutschen Volke unversehrt erhalten wäre.
    Die NS-Propagandisten stürzten sich wie Aasgeier auf alte, nicht so alte oder notfalls frei erfundene Volksbräuche, um den Eindruck zu erwecken, ihre „nationalsozialistische Weltanschauung“ sei tief in der deutschen (fallweise auch: abendländischen) Tradition verwurzelt.
    Bei Himmler und der SS hatte das auch antikirchliche Züge, Jultanne statt Christbaum usw., aber die mit reichlich verzerrtem oder erfundenem „alten Brauchtum“ und völkischem Gedankengut angereicherte „Deutsche Weihnacht“ im NS-Stil gab es auch in „christlich-vaterländischen“ Versionen, und auch das (frei erfundene) „alte Julleuchterritual“ der SS war so gestaltet, dass es nicht den christlichen Weihnachts- und Neujahrbräuchen widersprach.

  • Radulf

    Hallo,

    habe auch so einen Leuchter. Habe bemerkt, dass er wunderbar als Räuchergerät funktioniert. Kräuter oder Weihrauch oben in die vertiefung, unten drin Kerze anzünden und schon riechts gut. War das vielleicht der ursprüngliche Zweck? Siehe auch Ähnlichkeiten mit modernen Geräten zur Raumbeduftung mit ätherischen Ölen.

    Gruß R.

  • Hi,
    diese Verwendung als „Räuchergefäß“ liegt in der Tat nahe, wenn man sich den Turmleuchter unvoreingenommen ansieht. Das Dumme ist nur, dass die Erfinder der Julleuchter-„Tradition“ ihn sich voreingenommen ansahen.

    MartinM

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