Vorratsdatenspeicherung taugt wohl nicht zur Vorbeugung
Die Befürworter der heftig umstrittenen Vorratsdatenspeicherung argumentieren, dass mit der sechsmonatigen Speicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten terroristischer Anschläge womöglich verhindert werden könnten.
Wissenschaftler der TU Darmstadt haben nun jedoch gezeigt, dass sie womöglich kein geeignetes präventives Mittel ist.
„Das hierzulande vorgebrachte Hauptargument, dass Terroristen schon vor einer Straftat identifiziert werden könnten – also rein präventiv -, ist nach unserer Studie fraglich“, bringt es der Bioinformatiker Prof. Kay Hamacher vom Fachgebiet Computational Biology and Simulation, auf den Punkt. „Entgegen bisheriger Vermutungen haben unsere Simulationen gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, Terroristen ausfindig zu machen, praktisch nicht steigt“, konkretisiert Hamacher, der die Studie gemeinsam mit Prof. Stefan Katzenbeisser, Security Engineering Group der TU Darmstadt, leitete.
Die Darmstädter haben sogenannte Agenten-basierte Simulationen durchgeführt, eine Methode aus der Biologie, um Netzwerke von Interaktionen, wie zum Beispiel bei Individuen („Räuber“ und „Beutetiere“) hin zu untersuchen. Dabei werden konkrete Situationen simuliert und Interaktionen zwischen den Beteiligten modelliert. Diese Methode haben die beiden Forscher nun erstmals auf die Evaluierung von sicherheitsrelevanten Richtlinien (sogenannten ‚policies‘) angewendet, indem sie die „Agenten“ als „Terrorist“ und „Bürger“ annahmen.
Die Voratsdatenspeicherungs zielt darauf ab, die für eine Anschlagsplanung typischen Strukturen zu erkennen. Das Problem dabei ist, sie von harmlosen und gesellschaftlich gewollte Organisations- und Kommunikationsstrukturen zu unterscheiden: „Befehlsketten“ sind bei „Projekten“ ähnlich, ob man nun ein Flugzeug entführen oder ein Haus bauen will. Um das unterscheiden zu können, müssen daher sehr viele Eigenschaften der Kommunikation beachtet werden. Diese „Verfeinerung des Filters“ hat wiederum zur Folge, dass es noch schwieriger wird, auffällige Kommunikations-Hierarchien ausfindig zu machen – als würde man den Heuhaufen, in dem eine Nadel gesucht wird, noch weiter vergrößern.
Anmerkung: ein ähnlicher „Heuhaufen“-Effekt trug seinerzeit dazu bei, dass das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, obwohl es einen bemerkenswert effizienten Geheimdienst hatte, 1989 so hilf- und kopflos auf die Demokratiebewegung reagierte.
Eine längerfristige Speicherung führt sogar dazu, dass Spuren auffälligen Kommunikationsverhaltens sich gegenüber einer kurzzeitigen Speicherung verwischen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gruppe von Bürgern ohne terroristischen Hintergrund ebenfalls kurzfristig häufiger miteinander telefoniert – beispielsweise um eine Hochzeit zu organisieren – steigt natürlich mit jedem Tag.
Hinzu kommt, dass hochgefährliche, kleine Gruppen, wie sie die Darmstädter untersucht haben, sehr einfache Möglichkeiten haben, die Ermittler auf falsche Spuren zu locken.
Ob das Resultat der Vorratsdatenspeicherung den Aufwand und die Kosten rechtfertigt, ist ohnehin unsicher. Denn eine neuere Untersuchung des Bundeskriminalamts zeigt, dass auch die Aufklärungsquote bereits verübter Delikte um maximal 0,06 Prozent steigt – darunter überwiegend Betrugsdelikte. Das Freiburger Max-Planck-Institut für Strafrecht kommt auf gerade einmal 0,002 Prozent.
Pressemeldung der TU Darmstadt: Vorratsdatenspeicherung wohl nicht zur Prävention geeignet