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Venus – aus dem Leben einer Göttin


Spannung statt Schaum – Neues von der Liebe

Venus - aus dem Leben einer Göttin

Basierend auf dem reichhaltigen antiken Quellenmaterial, erzählt Andrew Dalby mit „Venus – aus dem Leben einer Göttin“ eine umfassende „Lebensgeschichte“ der Liebesgöttin – über ihre klassischen Grenzen weit hinaus. Zum einen werden mythologische Parallelen und Ursprünge recht ausführlich mitbeschrieben, zum anderen beschränkt sich das Material keineswegs auf mythologische Überlieferungen, sondern verfolgt – obwohl der Schwerpunkt auf der griechischen Antike liegt – den weiteren Weg der Göttin durch die Kulturen bis heute.

Dadurch entsteht ein ebenso flüssig wie enorm unterhaltsam zu lesendes Büchlein, das unweigerlich alle in seinen Bann zieht, die durch das Thema überhaupt ansprechbar sind. Ein besonderer Kunstgriff gelingt dem Autor in der Art und Weise, wie er Widersprüchlichkeiten in den Quellen miteinander in Bezug bringt, zumal er sie gleichberechtigt behandelt. An manchen Stellen spitzt Dalby die bekannten Geschichten durch wörtliche Reden und situative Ausschmückungen so treffend und humorvoll zu, dass man den Eindruck hat, in der ersten Reihe fußfrei dabei zu sein. Der Stoff verliert jegliche Patina, was ihm zweitens guttut und erstens außerordentlich erfrischend wirkt. Das verbreitete Klischee einer hauptberuflich Liebreizenden, die sich ohne nennenswerten intellektuellen Horizont zwischen Schaum und Muschel räkelt, verfliegt rasch – und macht am Ende gar einer Verneigung des Autors vor dem Prinzip der Liebe Platz, die jenseits von Moral, Unmoral oder „Frivolität“ als Urgewalt erahnbar wird. Bravo: Damit schafft es Dalby, die Essenz des Themas nahtlos in die Gegenwart zu ziehen – und die Frage, ob man etwas als „göttlich“ bezeichnen soll oder nur als „umwerfend“, wird obsolet.

Die Anekdoten und Begebenheiten sind überaus spannend geschildert. Alle Einzelheiten kommen zur Sprache: wie es überhaupt dazu kommt, dass Aphrodite vor Zypern aus dem Meer steigt, wie sie zu den olympischen Göttern stößt, ihre unbefriedigende Ehe mit Hephaistos, ihr in flagranti aufgedecktes Verhältnis mit – ausgerechnet – Ares, dem Kriegsgott, von dem sie ein (götter-)lebtag nicht lassen kann… Wie sie dem sterblichen Anchises vorgaukelt, seinesgleichen zu sein, und durch den gemeinsamen Sohn (Aeneas) zur Schutzgöttin Roms wird… um nur einige Beispiele anzureißen. Besonders kunstvoll beleuchtet wird das Spannungsverhältnis zwischen ihr und ihrem Sohn Eros, das weitreichende Folgen hat – wie zum Beispiel den Trojanischen Krieg. Dabei wird jedoch alles frei und neu erzählt, und recht geschickt miteinander verbunden.

Jedes Detail des Buches ist hervorragend recherchiert. Ein besonderes Lob kann man dem akribisch ausgewerteten Quellenteil ausprechen, der schon für sich ein lesenswertes Vergnügen ist. Andrew Dalby hat dabei – als Linguist und Historiker – wirklich aus dem Vollen geschöpft. Das ganze Büchlein lässt sich nur rundum empfehlen – einschränkungslos. Bestenfalls ließe sich noch bemeckern, dass es nach der letzten Seite endet – und die kommt leider viel zu schnell!

Recht hat er, der Klappentext: „Diese Biografie der Liebesgöttin hält sich eng an die antiken Quellen, verwebt sie aber mit leichter Hand zu einem mitreißend erzählten Roman, an dessen Ende wir eine uralte Gottheit ebensogut zu kennen glauben, wie sie uns schon immer kannte…“

Brigh & Duke

Andrew Dalby
„Venus – aus dem Leben einer Göttin“
(engl. Originaltitel: „The Story of Venus“ / London 2005)
Parthas Literaturverlag 2006 / Berlin
ISBN 978-3-86601-121-2

Der Autor
Andrew Dalby ist Linguist und Historiker, lebt in Frankreich – und wenn er nicht schreibt, baut er Obst an und braut Cidre.

Weitere Werke auf Deutsch
Bacchus – aus dem Leben eines Gottes (2005)
Essen und Trinken im alten Rom (2002)
Essen und Trinken im antiken Griechenland (2001)
Küchengeheimnisse der Antike (1996)

P.S.: Der Krähe sei innigst gedankt für dieses gehaltvolle Geburtstagsgeschenk zur richtigen Zeit!
Brigh

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