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Sigrid Früh: Herrin der Rauhnächte – Märchen, Brauchtum, Aberglaube

Die Rauhnächte, oder Zwölften, wie die Zeit von Weihnachten bis zum Dreikönigstag am 6. Januar auch genannt wird, ist eine Zeit der Geister und Seelen. Vielfältiges Brauchtum, Orakel, Magie und Aberglaube rankt sich um diese Tage und Nächte.

Über die Autorin:
Sigrid Früh (geboren 1935) studierte Germanistik und Volkskunde in Tübingen und Zürich. Heute ist sie eine der bekanntesten Sagen- und Märchenforscherinnen Deutschlands, hält Vorträge und Seminare an Universitäten und Bibliotheken. Außerdem ist sie immer wieder als Märchenerzählerin unterwegs und begeistert ihr Publikum. Sigrid Früh lebt und arbeitet in Kernen im Remstal.rauhnaechte2

Andere Bücher der Autorin:
Sigrid Früh und Roland Kübler: „Feuerblume – Märchen von Liebe, Lust und Leidenschaft“
„Der Mond – Märchen, Brauchtum, Aberglaube“

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Sigrid Früh
Rauhnächte – Märchen, Brauchtum, Aberglaube

Stendel Verlag – Waiblingen, 1998
ISBN 3926789247

„Die Rauhnächte, oder Zwölften, wie die Zeit von Weihnachten bis zum Dreikönigstag am 6. Januar auch genannt wird, ist eine Zeit der Geister und Seelen. Vielfältiges Brauchtum, Orakel, Magie und Aberglaube rankt sich um diese Tage und Nächte.
Durch die Lüfte braust die Wilde Jagd, geführt vom Wilden Jäger, dem Wode und dringt in die Häuser, wenn Türen und Fenster nicht gut verschlossen sind. Versunkene Schlösser und Schätze steigen empor, Zwerge kommen zu Besuch und müssen bewirtet werden. Fremden Tieren ist in dieser Zeit nicht zu trauen, weil die Hexen oft ihre Gestalt annehmen.
Die Zeit der Sonnwende, des Wechsels, hat die Menschheit schon immer beeindruckt und beschäftigt. Schon in vorchristlicher Zeit wurde die Wintersonnwende als Geburt der Sonne gefeiert.
Diese Tatsache nutzten die christlichen Missionare für ihr Tun. Sie feierten die Geburt Christi (der historische Jesus von Nazareth kam nicht am 24.12. zur Welt) als die auf die Erde gekommene Sonne. Diese Zeit des Wechsels war und ist eine Zeit des Kampfes des Lichts mit der Finsternis, des Guten mit dem Bösen. Und in Märchen und Sagen ist die Erlösung der verwunschenen Prinzessinnen oder das Ende der langen Suche oft nur in einer dieser besonderen Nächte möglich.“ (S. 7)

Mit dieser Einleitung beginnt Sigrid Früh ihr Buch über Märchen und Sagen, die wichtigsten Bräuche und allerhand Magie zu den zwölf heiligen Nächten, die uns schon aus altnordischen Quellen bekannt sind. So erzählt die Hervarar saga, wie anlässlich der Raunächte ein Gelübde auf den größten Eber der Herde abgelegt wurde.
Die Geschichten, die Sigrid Früh für ihr Büchlein gesammelt hat, sind Erzählungen über

  • die altnordische Göttin Frigg (Funktion als Fruchtbarkeits- und Ehegöttin. Ihr Name leitet sich vom indogermanischen *prii – „lieben“ her. Nicht zu verwechseln mit Freyja! Frigg begegnet uns auch im 2. Merseburger Zauberspruch – als Frija und als Frea in der „Origo gentis Langobadorum“ und in der „Historia Langobadorum“ als Schutzherrin der Langobarden),
  • Frau Holle
  • die Percht oder Berchta, (ursprünglich eine lichte Gestalt, die erst mit der christlichen Umdeutung ins Reich der bösen Mächte verbannt wurde)
  • die magische Pflanze Holunder
  • die Wilde Jagd (Wodan braust mit seinem wilden Heer und den Raben Hugin und Munin durch die Lüfte und besucht die diesseitige Welt.) Dieser Glaube ist erst, obwohl es sich um einen nordischen, wenn auch nicht unbedingt omnigermanischen Gott handelt, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit als „Wilde Jagd“ bekannt geworden. Nach Tacitus war Wodan der einzige nordische Gott, der tatsächlich Menschenopfer erhielt. Überzeugend, da Wodan auch als der Führer des Totenheeres gilt. Die Etymologie des Namens „Wut“ zeugt von ihm als Ekstatiker. Auch er tritt, neben Frigg, im 2. Merseburger Zauberspruch auf (und muss wohl in Verbindung mit schamanistischen, nordasiatischen Religionen in Verbindung gesehen werden).
  • sprechende Tiere: Woher der Glaube stammt, dass Tiere in den Raunächten sprechen können, ist nicht genau geklärt. Hinweise darauf, dass sich Götter oder auch Menschen in Tiere verwandeln können, gibt es allerdings unzählige. So verwandelt sich Odin nach Heimskringla 7 in mehrere Tiere, Loki in der Snorra Edda in eine Stute, einen Lachs etc. Auch im Keltischen ist dies bekannt, so verwandelt sich Gwydion oder auch Merlin im „Song of Amergin“. Daneben existieren auch noch das in vielen Kulturen bekannte Shapeshifting (Gestaltwandlung – auch Lykanthropie fällt darunter!). Oder sollte man doch die berühmte Kirche im Dorf lassen und den Tieren einfach zugestehen, dass sie in diesen Nächten wirklich sprechen können? Oder können die Menschen, durch heiliges Räucherwerk sensibilisiert, die Tiere dadurch besser hören?

In vielen dieser Geschichten ist ein naturreligiöser, heidnischer Ansatz bemerkbar, manchmal offensichtlich, manchmal in einem christlichen Kontext verpackt.

Neben diesen reichhaltigen und vielfältigen Erzählungen schreibt Sigrid Früh über Brauchtum und Aberglauben an den Raunächten im Allgemeinen, aber auch über Bräuche zur heiligen Weihnachtsnacht, Sylvester und zum Dreikönigstag.
Hier eine kleine, interessante Auswahl davon – weit gestreut zwischen skurril und Hinweisen auf vorchristliche Bräuche, die vor allem in den Tälern der Alpenländer häufig überlebt haben.

Zu den Raunächten allgemein

„In diesen Tagen haben Heilkräuter ihre größte Wirkung“ (S. 19)

Dies lässt sich im christlichen Kontext bzw. dem Mithraskult erklären – die Kräuterräucherung oder Weihrauchräucherung sollte die Gesundheit bewahren bzw. Schadenszauber (Dämonen) abwehren. Im nordischen Kontext ist es vorstellbar, dass es zu diesem Zeitpunkt eingesalzte Kräuter zur Ergänzung der Nahrung zu essen gab. Hinweise auf besondere Bräuche konnte ich aber keine ausfindig machen.

Die Träume der zwölf Nächte erfüllen sich in den entsprechenden Monaten des Jahres. Träumt man vor Mitternacht, so erfüllt sich dies in der ersten Hälfte des Monats, Träume nach Mitternacht am Ende des Monats.“ (S. 19)

Eine der bekanntesten Aussagen zu den Raunächten. Wie bereits erwähnt, gelten die Raunächte als die Zeit für Orakel und Wahrsagerei. So werden sie auch als Lostage bezeichnet. „Los“ kommt von „lösseln“ und meint das Erkunden der Zukunft. Träume werden überdurchschnittlich häufig interpretiert und die Kunst des Kaffeesatz-Lesens oder der Brauch des Blei-Gießens ist immer noch ein beliebter Brauch.

Zur Heiligen Nacht

„In der Heiligen Nacht sollen Hexen und Geister ganz besondere Macht haben. Deshalb beginnt mit Einbruch der Nacht in regelmäßigen Abständen das Schreckenläuten. Es dauert an bis zur Mitternachtsmesse und vertreibt die bösen Geister.“ (S. 29)

Die Weihnachtsnacht ist sehr kurz nach der Wintersonnenwende angesetzt. Die längste Nacht, der kürzeste Tag sind eben erst vorüber. Das Licht hat noch nicht wirklich an neuer Kraft gewonnen, die Dunkelheit ist immer noch sehr präsent. Ein Grund, die dunklen Mächte aus der Welt zu treiben?

„An Weihnachten muß man die Stube wischen um zwölf Uhr in der Nacht und zwar zur Hintertür und nackend. Wenn man dies tut, sieht man den zukünftigen Geliebten oder die Geliebte nackend unter dem Tisch sitzen“ (S. 30)

Wohl ein sehr seltsamer Aberglaube, Früh gibt leider, wie bei allen anderen Sprüchen auch, keine genaue Quelle an, wo dies nachgelesen werden könnte!

„Schneidet ein Mädchen in der Heiligen Nacht eine weiße Zwiebel und streut Salz drauf, so werden sich bis am Morgen die Züge des zukünftigen Gatten abbilden.“ (S. 30)

Die Raunächte gelten seit jeher als eine Zeit für Weissagungen und Orakel…
Dennoch finde ich diesen Tipp nicht besonders reizvoll. Aber wer weiß – die Raunächte nahen und es wäre Zeit, das Zwiebel-Orakel auszuprobieren! Wer will es versuchen?

Zu Silvester und Neujahr

„Der Hausvater schlägt in der Neujahrsnacht vier Pfähle nach den vier Himmelsrichtungen ums Haus herum in die Erde, damit es vor Feuer behütet werde.“ (S. 48)

Schlägt der Hausvater dabei einen Schutzkreis um sein Haus, um es vor allem Übel zu bewahren und zu beschützen?

„Wer in der Neujahrsnacht, ohne ein Wort zu reden, eine Hagebutte ißt, wird gesund.“ (S. 50)

Ein Spruch, der beim ersten Hinsehen beinahe so seltsam klingt wie das Zwiebelorakel (siehe weiter oben). Durch Nachfrage erhielt ich von Magister Botanicus und Wolfgang Bauer aber den Hinweis, dass statt der Hagebutte in Wirklichkeit der Fliegenpilz gemeint sein könnte. Das mit der Hagebutte kommt sehr wahrscheinlich direkt vom Mithraskult (Feiertage sind zu den Rauhnächten); es ist damit aber keine Hagebutte, sondern ein getrockneter Fliegenpilz, der hier aus kultischen Gründen verzehrt wird, gemeint. Auf beide, sowohl Fliegenpilz als auch Hagebutte passt die Beschreibung des Männlein im Walde und Zwerg mit roter Mütze!

Zum Dreikönigstag, Frau Holle Tag

„Wenn man beim Gebetsläuten am Dreikönigstag einen Zaunstecken aus der Erde zieht, so hört man aus dem Loch die Weissagungen für das kommende Jahr (Heirat, Tod, Gewinn, Verlust etc.).“ (S. 61)

Wie mehrmals erwähnt, sind die Raunächte eine Zeit der Weissagungen. Spricht die Unterweltgöttin Hel, auch als Frau Holle bekannt, aus dem Erdloch???

„Eine Wünschelrute, die am Dreikönigstag geschnitten wird, ist unfehlbar. Sie kann, je nachdem was sie finden soll, auf einen der drei Magier aus dem Morgenland getauft werden. Auf Caspar, dann schlägt sie aus bei Gold, Balthasar findet Silber und Melchior Wasser.“ (S. 61)

Die Kunst der Wünschelrute wurde und wird in der Kirche nicht gerne geduldet, entstammt sie doch heidnischem Kulturgut. Dennoch hat sie sich in Sagen, auch zusammen mit den heiligen drei Königen, erhalten. Wie bereits erwähnt, die drei Könige sind als solche erst ab dem 12. Jahrhundert bekannt. Vorher waren es drei Magier, die dem neugeborenen Sonnenkind ihre Gaben überbrachten! Und wer traut einem Magier nicht zu, Gold, Silber oder Wasser zu finden?!

Entlehnt hat Früh diese Sprüche und Aberglauben unter anderem aus dem „Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens. Berlin, Leipzig, 1927-42″. Ein Werk, das grundsätzlich nur mit gewissen Erklärungen zitiert werden sollte, wenn man den Zeitraum seines Erscheinens bedenkt. Dies hat Sigrid Früh in ihrem eigentlich sehr gut und interessant zu lesendem Büchlein sicherlich versäumt!
Es würde der Lesbarkeit auch nicht schaden, wenn die Quellenangaben direkt am Ende der Geschichten stünden! Das Nachforschen wird auch noch durch das Fehlen von Seitenzahlen und Verlagsangaben erschwert.
Abgesehen davon ein durchaus lesenswertes Buch, das, neben Informationen zu den Raunächten, wunderschöne, zauberhafte Geschichten enthält, die die langen, kalten Raunächte erträglich werden lassen. Mit Buch, Tee und Keksen am Ofen… .
Denn wie ein weiser Spruch rät:

„Wer an Weihnachten viel isst, dem geht es das nächste Jahr gut.“ (S. 31)

In dem Sinne – Mahlzeit und segensreiche Raunächte!

Mein herzlicher Dank für all die wertvollen Informationen bezüglich des Mithras-Kultes (vgl. dazu Kommentare zu den Sprüchen) ergeht an Magister Botanicus und Wolfgang Bauer – DANKESCHÖN!

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