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Schon 15 Monate alte Kinder haben Sinn für Fairness

Schon Kinder im Alter von 15 Monaten haben ein Empfinden für gerechtes Teilen und können selbstlos handeln. Darauf deuten die Ergebnisse einer aktuellen Studie mit Kleinkindern hin. Die Psychologen hatten unter anderem die Reaktionen von 47 Kleinkindern auf Szenen untersucht, in denen Kekse entweder gleich oder ungleich geteilt wurden. Im Falle einer ungerechten Verteilung hätten die Kinder deutlich anders reagiert als bei einer gerechten. Das stand auch in Verbindung mit ihrer Bereitschaft, ein Spielzeug zu teilen, berichten Jessica Sommerville von der Universität von Washington in Seattle und Marco Schmidt vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir uns Regeln von Fairness und Großzügigkeit früher aneignen als gedacht,“ sagt Sommerville.

Schon 15-Monate alte Kinder besitzen Fairness-Sinn (scienexx)

Faire Babys (wissenschaft.de)

Kommentar:
Wenn das so ist – und die Lebenserfahrung spricht dafür – dann stellt sich zugleich die Frage, wann und wie Kinder lernen, unfair und ungerecht zu handeln. Ich vermute, dass „schlechte Vorbilder“ dafür entscheidend sind. Ein Grund, wieso meiner Ansicht nach Kinder Märchen brauchen – und Erwachsene, die ihnen Fairness vorleben. Auch dürfte die „moderne“, auf die Förderung von Effizienz und Erfolg möglichst schon im Kindergartenalter gebürstete Erziehung dem früh erworbenen Gerechtigkeitssinn ebenso entgegen wirken, wie eine „traditionelle“, auf unbedingten Gehorsam und strenge Disziplinierung gerichtete autoritäre Erziehung.

7 Gedanken zu „Schon 15 Monate alte Kinder haben Sinn für Fairness

  • Jari

    Vorsicht, ich habe den Versuchsaufbau noch nicht angeschaut, aber wir hatten an der Uni vor kurzem einen Vortrag zu einem ähnlichen Test. Mein erster Gedanke war, dass es sich nicht um Gerechtigkeit, sondern um Großzügigkeit handelte, weil den Kindern gesagt wurde, dass es ihr Geld/Kekse war.

    Wenn ich meinen (!) Besitz/Güter besonders teile, handelt es sich eher um Großzügigkeit.

    Gerechtigkeit wäre zum Beispiel wenn wir unsere (!) Güter „gerecht“ unter uns (!) aufteilen.

    Fairness wäre bei beiden, wenn die Verfahren bestimmungsgemäß abliefen, also keiner unrechtens benachteiligt wird…

    Wobei man dann Prinzipien der Gerechtigkeit braucht, wie zum Beispiel „Jeder nach seiner Leistung“ oder „Jeder nach seinen Bedürfnissen, jeder nach seinen Fähigkeiten“ oder „der Markt regelt die Güterverteilung“ oder einen „veil of ignorance“. Im Idealfall würden diese Prinzipien pragmatisch in einem demokratischen Diskurs als Kompromiss festgelegt.

    Bei Fragen von Güterverteilung kommt man schnell zu Fragen von Eigentumsverhältnissen.

    Aber wie gesagt, dass kleine Kinder sehr großzügig sein können, wäre nichts neues.

    jari

  • Wenn ich die verlinkten Artikel richtig verstanden habe, geht es nicht nur um Großzügigkeit.
    Dem nach gehören Fairness – dass sich Kinder beschweren bzw. ihr Unwillen signalisieren, wenn jemand anders (!) zu wenige Kekse bekommt – und Großzügigkeit – die Bereitschaft, ihr Lieblingsspielzeug mit anderen zu teilen – eng zusammen.

    Im ersten Videoclip wurde das Essen gleich geteilt, im zweiten erhielt eine Person deutlich mehr Kekse als die andere. Die Wissenschaftler maßen dabei, wie lange die Kinder die jeweiligen Szenen fixierten. In einem zweiten, ähnlichen Test zeigte die Videoszene die gerechte und ungerechte Verteilung von Milch.

    Die Auswertung ergab, dass die Kinder die Szene mit der jeweils ungerechten Verteilung deutlich länger fixierten als die gerechte. „Die Kinder erwarteten eine gleiche und gerechte Verteilung des Essens und sie waren überrascht zu sehen, dass eine Person mehr Kekse oder Milch erhielt als die andere“, erklärt Sommerville.

    Was ja auch der Lebenserfahrung entspricht. Wie leider auch, dass das spätestens auf dem Schulhof nicht mehr unbedingt Fairness und Großzügigkeit vorherrschen und dass Fairness und Großzügigkeit nicht mehr eng zusammenhängen. 🙁

  • Jari

    Hm, in dem von mir beschriebenen Experiment erhielt eine Gruppe von Kindern 10 Euro, die andere nichts. Gruppe 1 wurde gesagt, sie könne der anderen alles geben oder nichts, es gibt keine Vorgaben. Da also die 10 Euro Gruppe 1 gehören, hat Gruppe 2 überhaupt keinen Anspruch darauf. Wenn nun Gruppe 1 viel gibt ist sie sehr großzügig und solidarisch, aber mit Gerechtigkeit hat das nicht unbedingt zu tun.

    Sicher interessant, dass bei diesem Experiment die Kinder im Druchschnitt 5 Euro spendeten, damit alle gleich viel haben und erwachsene Vergleichsgruppen nicht, aber ein Wissenschaftler würde das vermutlich eher mit der Naivität der Kinder erklären:
    Ihre Großzügigkeit wurde halt noch nicht so oft ausgenutzt….

    Dass unser kapitalistische Gesellschaft nicht gerade Solidarität produziert ist ja leider auch nichts Neues.

    Sorry, aber ich finde solche Studien problematisch, wenn man vom Alltagsverständis ausgeht und nicht vorher sich mit solchen Unterscheidungen auseinandersetzt, wie bei der von mir beschriebenen Studie geschehen.

    LG, jari

  • Jari

    „In einem zweiten, ähnlichen Test zeigte die Videoszene die gerechte und ungerechte Verteilung von Milch.“

    Ist es gerecht wenn alle genau gleich viel haben? Ist es gerecht wenn die die mehr „leisten“ mehr haben? Ist es gerecht wenn der der mehr Milch braucht auch mehr bekommt?

    Sehr komplexes Thema…

  • Jari

    Wobei es schon interessant ist, dass dieses „allen gleich viel = fair“ vom 15 Monat bis ins Alter mehr oder weniger nachweisbar ist. Könnte man sicher sozioevolutionstheoretisch irgendwie aufgreifen. lg, jari

  • „Gerecht“ steht in diesem Beispiel offenbar die gleichmäßige Verteilung. Alles andere wäre zu abstrakt.

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