„Runen – gestern, heute, morgen“ – ein sehr wichtiger und lesenswerter Aufsatz
Rudolf Simek, Professor für Ältere Germanistik in Bonn mit dem Fachgebiet Nordistik, über Runen. Ein angenehm lesbarer Überblick über germanische Runen, über die politische Bedeutung in der Neuzeit, die ideologischen „Runen“-Konstrukte völkischer Esoteriker und den Missbrauch durch alte und neue Nazis.
Nationalsozialisten und Neonazis nutzten und nutzen Runen intensiv für ihre Propaganda und ihr Konstrukt einer jahrtausendealten germanischen Rasse. Doch wissenschaftliche Betrachtungen zeigen: Wie Rechtsextreme diese frühhistorischen Schriftzeichen interpretieren, ist in den allermeisten Fällen purer Unsinn.
Runen – gestern, heute, morgen“
Anmerkung
Der abschließende Absatz in Simeks Aufsatz zeigt das Dilemma auf, das mit jedem Versuch, die Runen und andere als „germanisch“ geltende Symbole „von den Nazis zurückzuholen“ verbunden ist:
Die Verwendung aller Runen im öffentlichen Raum ist heutzutage im politischen Sinn zumindest belastet. Denn, auch wenn nicht immer intendiert, könnte auch nur ein stilistisches oder ästhetisches Spiel mit Runen oder runenähnlichen Schriften, wie es noch bis ins frühe 20. Jahrhundert möglich war, eine Nähe zum Rechtsextremismus nahelegen. Ausgenommen davon ist nur die streng wissenschaftlich-universitäre Beschäftigung mit den frühgeschichtlichen und mittelalterlichen Runen, die wenigstens im deutschen Sprachraum in sorgfältiger Abgrenzung vom rechtsextremen gesellschaftlichen Spektrum vollzogen wird.
Ob es uns passt oder nicht: Der Argwohn gegen öffentlich gezeigte Runensymbolik ist allzu oft berechtigt. Auch wenn in völkischen und nationalen Kreisen meist nur einzelne Runen, und auch die in ihrer esoterischen, durch Guido „von“ List vorgegebenen Missdeutung verwendet werden. Das Dumme ist eben, dass z. B die „S-Rune“ den meisten Menschen nur im Zusammenhang mit der „SS-Rune“ geläufig ist.
Eine mögliche Konsequenz wäre es, jeden Runengebrauch außerhalb der Wissenschaft und der historischen Dokumentation zu unterlassen. Allerdings eine, die schon für Frühmittelalter-Enthusiasten schlicht nicht gangbar ist – von jenen, die einer „germanisch inspirierten Spiritualität“ anhängen, gar nicht zu reden. Vielleicht noch schwerer wiegt, dass damit den extremen Rechten widerstandslos ein Teil des kulturellen Erbes überlassen wird, das sich ihre „Vordenker“ einst unter den Nagel gerissen haben.
Also läuft es, meiner Ansicht nach, wieder einmal darauf hinaus, gegebenenfalls den Nazi-Vorwurf an Runenverwender_innen höflich und geduldig mit Aufklärung zu begegnen.
Martin Marheinecke