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Rezension: Odin gab mir den Befehl

Der Journalist Edgar Verheyen erstellte eine dreiviertelstündige Reportage zum Thema “Heidentum und Rechtsradikalismus”, die im Mai 2001 im SWR-Programm ausgestrahlt wurde – und vertat damit leider eine Chance, tatsächlich dieses Thema mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Zu seriösem Journalismus gehören dann doch ein paar Tugenden und Fertigkeiten mehr, als sie Herr Verheyen hier vorweisen konnte. Schade eigentlich.

Die Reportage war nach folgendem Muster aufgebaut: Es wurden verschiedene “Spielarten” des Heidentums aufgelistet, erst die “Modehexen”, die ohne den Inhalt just for fun z.B. an Walpurgisnachtfeten auf dem Brocken o.ä. teilnahmen. Dann die “Bäumchen und Blümchen-Heiden”, die romantisch Kulthandlungen in freier Natur, Trommelsessions und alternativ verklärtem Gedankengut frönten, um sich dann schrittweise, über ANSE und Armanenorden bis zu Artgemeinschaft und dem Rechtsdemagogen Rieger weiterzuhangeln. Zwischen diesen einzelnen “Episoden” kamen immer mal ein zwei “Experten” zu Wort, die psychologische und soziologische Halbsätze einwerfen durften, die leider nicht ausreichen konnten, um sich tatsächlich “Analysen” nennen zu können, sondern lediglich ausreichten, um einen pseudoseriösen Touch in das Ganze zu bringen.

Die Grundtendenz des Reports, die auch durch die steigernde Abfolge der Darstellungen erreicht wurde, war: Heidentum ist gefährlich, denn entweder hat/bekommt man psychisch einen an der Klatsche oder ist bzw. wird rechtsradikal – oder beides.

Für beide Gefahrenpotentiale fand Herr Verheyen auch einen prima Einzelfall: zum einen eine ganz normale Eifersuchtsgeschichte, für die, weil es sich zufällig um Wicca handelte, ganz klar dieser Punkt in der Vita der Betroffenen ausschlaggebend gewesen sein musste – es handelt sich um den gleichen Fall, den Frau Schrupp in ihrer Analyse sonderbarerweise völlig anders zu deuten wusste -, sowie dem rechten Trottel, der vor einigen Jahren als Mörder vor Gericht stand und mit dem Satz “Odin gab mir den Befehl, das zu tun” der Boulevardpresse aus dem Sommerloch half, obwohl er diesen Blödsinn schon in seiner nächsten Aussage wieder zurücknahm. Kein Problem für Herrn Verheyen jedoch, so scheint es, diesen extremen Einzelfall als Aufhänger für seine Reportage zu nutzen, obwohl es genügend kranke rechte Trottel gibt, die täglich allgemeingültigere Aufhänger liefern.

Nun stellt sich noch die Frage, warum ich mich so aufrege über eine Reportage, die sich ja eigentlich nur nahtlos in die Serie von typischen Reporten über das Heidentum einfügt, die sich durch die Inkompetenz eines bestimmten Schlages von Journalisten auszeichnet, nicht das darzustellen, was sie finden, sondern das mit Bildern zu versehen, was sie sich vorher zusammengereimt hatten, bevor sie sich noch ernsthaft mit dem Thema beschäftigten. Nun ja, eigentlich ist es nur ein Punkt: Er weiß es eigentlich besser:

Der Kontakt zwischen dem Rabenclan und Herrn Verheyen bestand nun schon über ein Jahr. Duke, Eva, ich und einige andere haben im Rahmen des Ariosophieprojektes zig Stunden investiert, Herrn Verheyen mit Fakten über den rechten Zweig der Heidenszene, hauptsächlich Armanenorden und ANSE, zu versorgen. Eine ganze Kiste schriftlichen Materials habe ich ihm zur Verfügung gestellt, von dessen Inhalt ich auch im Bericht einiges wiedergefunden hatte (und die ich bis heute nicht wieder bekommen habe, btw. – Sven, 14.11.2005).

Stundenlang haben wir darüber geredet, welche Fehler bei der Betrachtung des Themas bislang von anderen Journalisten gemacht wurden, u.a. dieses ständige Namedropping und Kontaktkonstruieren, anstatt sich auch mal auf Inhalte zu konzentrieren, wenn man über diese Inhalte berichten will – denn die bleiben, die Namen verschwinden oder ändern sich.

Ein ganz klein wenig hat er das ja sogar umgesetzt bekommen, denkt man zunächst auch – nur um dann doch wieder enttäuscht zu werden, wenn Herr Verheyen dann doch nur illustren Vertretern der rechten Szene wortreiche Ausführungen “entlockt” und ihnen damit eine super Plattform zur Verfügung stellt, ihre kranken Ideologien vorzustellen – im Gegensatz zur “Gegenseite”: Der Rabenclan taucht in dem Teil der “Blümchenheiden” auf, als Vertreter der netten Spinner von nebenan.

Ganz vergaß Herr Verheyen unseren politischen Anspruch zu erwähnen – und wie es so ist im Journalismus: nicht erwähnt heißt nicht vorhanden. Auch mit keiner Silbe erwähnt Herr Verheyen, woher er diese tollen Informationen bezog: keine Silbe darüber, wer ihm gezeigt hat, wo der tolle Spruch mit der “Sechsmillionenvergasungslegende” in den Armanenleitbriefen zu finden ist – geschweige denn, woher er diese hat. Superjournalisten brauchen keine Quellen, denen fliegen die Informationen aus heiterem Himmel zu.

Seriöser Journalismus weiß dagegen, was Quellen sind, und was er solchen schuldig ist. Seriöser Journalismus weiß auch, was das Thema ist und wie er es darstellen kann. Und vor allem: Seriöser Journalismus ist nicht so dumm, sich von dem Thema, das er an die Öffentlichkeit ziehen möchte, instrumentalisieren zu lassen.

Schade, Herr Verheyen machte einen serösen Eindruck. Aber auch ein Heide kann sich mal täuschen.

Sven Scholz 2001

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