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„Political Correctness“ – und wir Heiden

Immer wieder werden wir in Kommentaren, Diskussionen und sogar in persönlichen Gesprächen als „PC-Heiden“ bezeichnet – und manchmal beschimpft. Mit „PC“ sind dabei nicht die gleichnamigen nützlichen elektronischen Rechen- und Kommunikationsknechte gemeint, sondern die böse, böse „Political Correctness“.

Wobei diese schmähend gemeinte Bezeichnung im Grunde genommen ein Kompliment ist.

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Ursprünglich steht der aus den USA stammende Begriff „politically correct“ dafür, dass Ausdrücke und Handlungen vermieden werden sollten, die Gruppen von Menschen, inbesondere diskriminierte Minderheiten, beleidigen, herabsetzen, beschimpfen, kränken und in Wort und Tat benachteiligen.

Also genau das Gegenteil von dem, wie „gruppenbezogene Menschenfeinde“ (Rassisten, Antisemiten, Schwulenhasser, Moslemfeinde, Antifeministen, Antiziganisten, Fremdenhasser, Obdachlosenverächter, Behindertenfeinde usw. usw. usw.) ihre Opfer behandeln.
„Politcal Corectness“ könnte also für „gruppenbezogene Menschenfreundlichkeit“ stehen.

Meistens sind es die Benachteiligten selbst, die auf ihre Gleichberechtigung pochen, die Respekt und die öffentliche Sichtbarkeit ihrer Probleme einfordern. Und nicht irgendwelche „Gutmenschen“, „Sprachreiniger“, „Alt-68er“, „weltentrückten Eliten“, „Intellektuelle im Elfenbeinturm“ usw. usw. usw..

Überhaupt ist „Political Correctness“, genauer gesagt, die Gefahr, die sie angeblich für die Meinungsfreiheit darstellt, und die finsteren Interessengruppen, die angeblich hinter ihr stehen, ein rechter bis rechtsextremer Kampfbegriff. Ein Strohmannargument, ein Pappdrache, ein Phantom. Hierzu der „Guardian“: Political correctness: how the right invented a phantom enemy.

„Political Correctness“ ist nicht nur ein durch rechte Propaganda negativ konnotierter, sondern auch ein ziemlich sperriger Begriff.
Er lässt sich mühelos, je nach dem, auch durch „Anstand“, „Rücksichtnahme“, „Höflichkeit“, „Respekt“, „Fairness“ oder „Selbstbestimmheit“ ersetzen.

Wenn von „Political Correctness“ die Rede ist, betrifft sie meistens die Sprache. Deren Feinde reden dann von „Sprachregelungen“ und „Sprachzensur“.
Sprache zeigt nämlich an, welchen Wert eine Menschengruppe im öffentlichen Diskurs hat. Mit Worten kann man beleidigen, bloßstellen, diffamieren, einschüchtern – aber auch schützen, ermutigen, integrieren, versöhnen.
Euphemismen sind übrigens in den seltensten Fällen emanzipationsfördernd, respektvoll oder auch nur rücksichtsvoll. Klartext ist meistens emanzipativer, ermutigender, respektvoller als (vielleicht sogar gut gemeintes) Schwurbeln, Herumdrücken oder, besonders übel, Heucheln. Daher ist zum Beispiel der „politisch korrekte“ Begriff für „Schwarze Deutsche“ „Schwarze Deutsche“, wie Der Braune Mob, eine Schwarze media-watch-Organisation schreibt.

Zur „politisch korrekten“ Sprache und dem Gerede über sie schrieb Mely Kiyak in einer sehr lesenwerten Kollumne: Schluss mit dem dummen Geschwätz!

[…] Political Correctness kann man weder überziehen noch übertreiben. Es sei denn, man hat genug vom Denken und von der Lust, Gleichheit unter Menschen zu schaffen. Genug davon, Vielfalt als Gleichwertigkeit zu betrachten. Wer degradierende Begriffe für Schwarze, Homosexuelle oder Muslime im politischen Diskurs für unverzichtbar hält, muss von vorn beginnen. Nicht diejenigen, die diesen Zivilisationssprung schon hinter sich gebracht haben, müssen sich den politisch Unkorrekten anpassen, sondern umgekehrt. Wer keine Veranlassung darin sieht, in Flüchtlingen Kriminelle zu sehen, in Muslimen eine Staatsgefahr, der muss sich nicht dafür einsetzen, dass das so diskutiert werden darf. […]

Außer „politisch korrekter“ (also: rücksichtsvoller, nicht-diskriminierender) Sprache gibt es selbstverständlich „politisch korrektes“ Handeln.
Eine Kernüberzeugung jener emanzipationsorientierten Menschen in den USA, die vor über 40 Jahren den alten Begriff „politically correct“ wieder aufgriffen, war die Überzeugung, dass nur jemand, der zu einer bestimmten (benachteiligten, diskriminierten, nicht-privillegierten) Gruppe gehört, auch für die Angelegenheiten dieser Gruppe zutreffende Aussagen machen kann. Das kann manchmal problematisch sein, aber grundsätzlich dürfte es unstrittig sein, dass z. B. „Schwarze“ selbst am Besten beurteilen können, ob eine bestimmte Aussage oder ein bestimmtes Verhalten sie rassistisch diskriminiert, weitaus besser jedenfalls als „Weiße“, die sich Rassismus oft gar nicht richtig vorstellen können und den eigenen Rassismus allzu gern übersehen.

Leider aber ist es oft so, dass selbst Organisation, die sich z. B. für behinderte Menschen einsetzen, die Behinderten selbst ungern zu Wort kommen lassen.

Ein besonders heikler Fall ist der Umgang mit religiösen Minderheiten. Religionskritik, auch scharfe, auch solche, die als „blasphemisch“ aufgefasst werden kann, ist enorm wichtig. Diese notwendige Religionskritik darf aber auf keinen Fall in Diffamierung und Hass gegenüber den Menschen umschlagen, die der betreffenden Religion anhängen – und Kritik an einzelnen Anhängern dieser Religion nicht in Feindseligkeit gegenüber allen Anhängern dieser Religion!
Harte Kritik z. B. an der katholischen Kirche und ihrer Weltanschauung darf nicht dazu führen, Kirchen anzuzünden oder Menschen, die als Katholiken bekannt sind, anzupöbeln, niederzuschlagen oder sogar umzubringen. Das ist bei uns doch selbstverständlich? Ersetze „Kirche“ durch „Synagoge“ oder „Moschee“ und „Katholik“ durch „Jude“ oder „Moslem“, dann ist es offensichtlich nicht mehr so selbstverständlich.

So gesehen müssten Heiden zumindest Verständnis für „Political Correctness“ haben – denn pauschale Aussagen von Christen oder Atheisten über Heiden wie „alle Heiden denken völkisch“ oder „Heidentum ist finsterer Aberglauben“ sind definitiv nicht PC!

In der Tat sind Heiden, vor allem „germanisch orientierte Heiden“, als religiöse bzw. sprituelle Minderheit, Nutznießer der „Political Correctness“- was einigen im Zweifel eher völkisch orientierten Heiden jedoch schwer zu vermitteln sein dürfte.

MartinM

Ein Gedanke zu „„Political Correctness“ – und wir Heiden

  • Nerdin

    Guter Artikel, danke!
    Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie verletztend und verunsichernd bereits die falsche Wortwahl bzw. das falsche Handeln sein kann. Ich hatte mich meinerseits zum ersten Mal mit 19 geoutet, obwohl ich von meiner Bisexualität schon viel früher wusste. (Und fertig gebracht hatte ich es damals auch nur, weil es grad zum Thema passte und ich ein Bier intus hatte.) Das lag unter Anderem auch daran, dass Personen in meinem Umfeld oft nicht sehr auf politische Korrektheit geachtet hat.

    Ein Problem, das ich immer wieder beobachten kann, ist, dass Menschen, die nie diskriminiert wurden, den Wert von politischer Korrektheit oft nicht erkennen. Wenn man sie auf ihr Fehlverhalten anspricht, dann reagieren sie oft nicht mit Verständnis. „Sei nicht so empfindlich“, „Das war doch nicht homophob“ oder „Das hast du falsch verstanden“ sind dann typische Antworten. Sich dann auf eine Diskussion einzulassen ist anstrengend und leider nicht immer fruchtbringend. Nach einer Weile ist man dann zu frustriert, um überhaupt Menschen darum zu bitten, ihre Wortwahl oder ihr Verhalten zu überdenken. Obwohl genau das eigentlich nötig wäre…

    Was auch noch zu erwähnen ist, ist, dass auch Angehörige einer Minderheit nicht über jeden Zweifel erhaben sind. So bin z.B. ich als weiße Person nicht dagegen gefeit, rassistisch zu handeln (obwohl ich mir Mühe gebe). Daran ändert meine Bisexualität überhaupt nichts.
    Was viele nicht wissen, ist, dass Angehörige von Minderheiten nicht auch zu negativem Verhalten gegenüber der eingenen Minderheit fähig sind. Ursache dafür ist, dass in unserer Gesellschaft Vorurteile und Klischees oft derart selbstverständlich sind, dass sie selbst in den Kopf der Betroffenen rieseln.

    Auf die eigene Wortwahl und das eigene Verhalten zu achten ist sicher nicht alles, was es für Gleichberechtigung und Chancengleichheit braucht, aber es ist ein Anfang.

    PS: Alkohol als Coming-Out-Helfer kann ich nicht wirklich weiterempfehlen. Das mit dem passenden Gesprächsthema hingegen schon, sofern es sich dabei nicht um Liebeskummer wegen einer Person des anderen Geschlechts handelt.

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