Nur blindes Sparen? Zur Streichung der Klassischen Archäologie in Leipzig
An der Uni Leipzig soll die renommierten klassische Archäologie dem Spardiktat zum Opfer fallen.
Nun geht es dabei nicht allein um die klassische Archäologie, diese Entscheidung gefährdet auch das Antikenmuseum der Universität, und trägt das Risiko in sich, dass es auch bald der Ur- und Frühgeschichte an den Kragen gehen könnte, die mit der klassischen Archäologie durch einen gemeinsamen Studiengang verbunden ist.
Die geplanten Stellenstreichungen an der Universität Leipzig betreffen auch die Theaterwissenschaften – was bereits für öffentlichen Unmut sorgte: Immer mehr Unterstützer für Theaterwissenschaftler (mdr)
(Info auf dem Blog „Archäologik“: Blindes Sparen nach dem Zufallsprinzip: Streichung der Klassischen Archäologie in Leipzig )
Wie kam es zur dieser Entscheidung?
Im Jahr 2010 beschloss die CDU/FDP-Landesregierung Sachsens, dass bis ins Jahr 2020 an den sächsischen Universitäten insgesamt 1042 Stellen entfallen sollen. Einzig die TU Dresden ist als „Exzellenz-Universität“ von den Stellenkürzungen ausgenommen. Die Landesregierung erwartete bei dieser Entscheidung, dass es künftig in Sachsen weniger Studierende geben würde.
Das Dumme dabei: die Studierendenzahlen in Leipzig sind nicht zurückgegangen, im Gegenteil, sie steigen seit Jahren konstant.
Bereits in der letzten Kürzungsrunde war das Institut für Pharmazie zur Streichung vorgesehen, nun trifft es neben der klassische Archäologie die Theaterwissenschaften und die physikalische Chemie.
Das Institut für physikalische Chemie verliert Stellen, bleibt aber weiterhin funktionstüchtig. Hingegen solle das Institut für klassische Archäologie sowie das Institut für Theaterwissenschaft mittelfristig geschlossen werden.
Blog von Leipziger Studenten zum Streit um die Streichungspläne: Ausgraben statt begraben – Achäologie in Sachsen erhalten!
Dr. Jörn Lang, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Klassische Archäologie, erklärt in einem Interview mit L.I.S.A., dem Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung, wie es zum Beschluss kam und welche Auswirkungen er auf die archäologische Forschung haben wird:
Archäologie in Leipzig vor dem Aus?
Der deutsche Archäologenverband hat eine Petition gestartet. Schließung des Instituts für Klassische Archäologie in Leipzig – Petition
Petition des Deutschen Archäologenverbandes auf change. org: Erhalt des Instituts für Klassische Archäologie und des Antikenmuseums der Universität Leipzig – gerichtet an die Wissenschaftsministerin von Schorlemer
Leipzig ist in Deutschland kein Einzelfall, in Nordrhein-Westfalen sollen die Landeszuschüsse für die Archäologie und Denkmalpflege ab 2015 gestrichen werden, in Berlin, Rostock, Gießen oder Hamburg wurden schon zahlreiche archäologische Instutite geschlossen.
Warum treffen solche Streichungen vorzugsweise die Kulturwissenschaften? Steckt dahinter, wie die Überschrift auf „Archäologik“ nahe legt, „blindes Sparen nach dem Zufallsprinzip“?
Dass „blind eingespart“ wird, dass heißt, ohne auf die möglichen Folgen zu sehen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Schon ein flüchtiger Blick darauf, wo bevorzugt gekürzt und geschlossen wird, zeigt aber, dass der „Wahnsinn“ Methode hat.
Eine beliebte Behauptung, mit der solche Streichungen politisch gerechtfertigt werden, ist die der geringen „gesellschaftlichen Relevanz“ der jeweiligen Wissenschaften. Oder im „Wahlkampf-Deutsch“: „Wir können es uns nicht länger leisten, Orchideenfächer auf Kosten der Steuerzahler zu erhalten!“
Sieht und hört man sich allerdings um, dann wird kaum einem akademischen Fach in der Öffentlichkeit die gesellschaftliche Relevanz abgesprochen. Im Grunde überflüssige „Luxusfächer“ gibt es offensichtlich gar nicht – jedenfalls nicht in der „öffentlichen Meinung“. Gerade die Archäologie ist eine Wissenschaft, die für das Publikum (also letzten Endes die Wähler) offensichtlich nicht „irrelevant“ ist, das Interesse an Ausstellungen, Fernsehsendungen oder Büchern mit archäologischen Themen beweist es. Auch würde kaum jemand auf die Frage, ob es wichtig sei, zu Wissen, woher wir kommen und wie wir wurden, was wir sind, mit „Nein“ anworten.
Das Argument von der geringen „gesellschaftlichen Relevanz“ von Fächern wie Archäologie oder Theaterwissenschaften, bei denen bei schlechter Kassenlage ruhig gekürzt werden könne, funktioniert nur dann, wenn mit „gesellschaftlicher Relevanz“ in Wirklichkeit „Wirtschaftlichkeit“ gemeint ist.
Dabei haben kulturwissenschaftliche Fächer es schwerer als z. B. die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), ihre „wirtschaftliche Existenzberechtungung“ zu rechtfertigen, denn der Ertrag „geistiger Wertschöpfungsketten“ lässt sich kaum exakt beziffern. Aus den selben Gründen hat es sogar in den als für die „Zukunft des Wirschaftstandortes Deutschland“ unentbehrlich geltenen und entsprechend geförderten MINT-Fächern die Grundlagenforschung schwer – Wissenschaft, bei der sich der absehbare ökonomische Nutzen nur schwer abschätzen lässt, gilt schnell als überflüssig.
Interessant ist nebenbei, dass die “gesellschaftliche Relevanz“ der Wirtschaftswissensschaften oder auch der Juristerei nur sehr selten hinterfragt wird …
Sparen auf kultureller Ebene ich in Sachsen mE kein Zufall, sondern Methode. Genauso wie die Sozialarbeit auf ein Mindestmaß zurückgespart wird (das war zu meinen Bildungsreferentinnenzeiten heißes Thema). Das ist gewollte und bewußte Politik. Schau ich mir Schulen an, wie da Gelder für kulturelle und musische Projekte immer weiter eingedampft werden… Aber es wird weitgehend hingenommen, es gibt mal hier ein Protest vom Landesjugendring, da Proteste von Kulturschaffenden, dort leises Aufjammern, wenn zB im ländlichen Raum Gelder für Jugendarbeit gestrichen werden, SozialarbeiterInnenstellen wegfallen und sich dann alle aufregen, dass dort „national befreite Zonen“ entstehen… Es wird ohne Plan und ohne Weitsicht gespart und wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, dann kurz und laut gejammert (wenn überhaupt) und weiter gemacht – aber diese Landesregierung ist gewählt und wird wieder gewählt… 🙁