Imaginäre Gefahren, reale Hetze
Der Hype um die „Akü-gida-Bewegungen” vom Spätherst 2014 klingt Ende Januar 2015 ab, der Gegenwind für sie wird stärker, und sie demontieren sich dankenswerterweise selber. Das schafft allerdings die „Ich-bin-kein-Nazi-aber”-Sager, alias „Rechtspopulisten”, nicht aus der Welt. Die Leute, die sich von Pediga usw., mobilisieren ließen, sind immer noch da, auch wenn sie nicht mehr montags „spazieren gehen”. Schon gar nicht aus der Welt ist der „Extremismus der Mitte”, der Außenseiter zu Sündenböcken macht und zur Bedrohung stilisiert, und die gut-spießbürgerliche Gewohnheit, armen Menschen und Opfern von Unrecht und Gewalt auch noch zu sagen, sie seien doch „selber schuld” an ihrer Misere.
„Wir sind doch nicht rechtsextrem!” – Mag ja sein, aber verdammt autoritär!
Pediga und Ableger sind ein sehr gutes Beispiel für vorgeschobenen Begründungen für politische Haltungen, die absolut nicht zum angestrebten Image der „besorgten einfachen Bürger” passen würden. Parolen wie „Ausländer raus!” und „Deutschland den Deutschen!” sind – zum Glück – nicht kampagnenfähig, während Sorgen vor einer drohenden Islamisierung leider an Vorurteile in der „Mitte der Gesellschaft”, an islamfeindliche, tendenziell rasstische Aussagen in den Medien, und an Äußerungen etablierter Politiker anschlussfähig sind.
Es ist offensichtlich, dass es denen, die gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße gehen und „Wir sind das Volk“ skandieren, um etwas anderes geht als den Demonstranten, die diese Parole während des Umsturzes in der DDR riefen. Damals, 1989, ging es um Freiheit und Freizügigkeit, gegen Mauern an Landesgrenzen und in den Köpfen. Die politischen Forderungen von Pediga, Umfeld und Unterstützern laufen auf das glatte Gegenteil hinaus, auf die Einschränkung der Religionsfreiheit und der Freizügigkeit, und auf noch höheren Zäune an den Grenzen Europas, reale und solche in den Köpfen.
Sie stehen dabei in einer unseligen deutschen Tradition, die in Sachsen in der Tat besonders ausgeprägt ist. Es ist die feindselige Einstellung gegenüber Menschen, die religiös, sozial, ethnisch, vom Lebensstil her usw., von der überkommenen Norm, was „ordentlich deutsch” zu sein hat, abweichen. In Sachsen wird mit ultrakonservativen, ins extremrechte reichenden Parolen schon seit langem Politik gemacht, und zwar auch von CDU-Politikern. Die NPD, die in Sachsen eine Hochburg hat, und nun auch die immer „brauner” werdende AfD verdanken ihren Erfolg ohnehin der Hetze auf Minderheiten und auf „die da” in Berlin und Brüssel, deren Politik ihnen viel zu wenig nationalistisch ist.
Allerdings sehen sich die Demonstrantinnen und Demonstranten in Dresden nicht in der extremen Rechten. Das dürfte bei der Mehrheit der „Spaziergänger” sogar stimmen. Hinter der Radikalisierung steht eher ein „Extremismus der Mitte“: Angst vor Veränderung, Angst vor Unruhe, und ein autoritäres Staatsverständnis, das weit in sächsischen Behörden hineinreicht. Dabei ist es in der Praxis völlig egal, ob die autoritäre Denktradition – für Ordnung, gegen Freiheit, die Unruhe mit sich bringen könnte – aus dem Obrigkeitsstaat vor 1918, aus dem Nazi-Regime vor 1945 oder dem „real existierendem Sozialismus” vor 1990 stammt.
Wurzeln im „sächsischen Bibelgürtel”
Dass die selbst ernannten Streiter für das christliche Abendland ihre Hochburg ausgerechnet in Dresden haben, wirkt auf den ersten Blick überraschend. Im Freistaat Sachsen gehören ungefähr 75 % der Bevölkerung keiner Konfession an. Der Anteil der Katholiken im Freistaat ist 4 %, der der Protestanten 21 %, jener der Muslime, sogar wenn man Menschen mit angeblich „islamischem Hintergrund”, die sich aber nie in eine Moschee verirren, mitzählt, ca. 0,7 %. In Dresden sind es sogar noch weniger, etwa 0,1 % . Nur 2,3 % der in Sachsen lebenden Menschen haben eine nicht-deutsche Staatsangehörigkeit, die meisten davon sind Europäer.
Es gibt, außer verschleierter Fremdenfeindlichkeit und nicht eingestandenem kulturellem Rassismus, einen weiteren Grund für Pegida und Umfeld, die rational gesehen völlig absurde Gefahr einer Islamisierung des Abendlandes an die Wand zu malen. Der „harte Kern” der Pegida stammt offenkundig, wie schon die schwarz-rot-golden bemalten Kreuze verraten, aus dem ultrakonservativen und evangelikalen Milieu des „sächsischen Bibelgürtels”. Das ist eine Region im Süden und Osten Sachsens, in der es eine sehr regressive gesellschaftliche Stimmung gibt. Im „sächsischen Bibelgürtel” sind Haltungen weit verbreitet, die anderswo Außenseiterpositionen wären: Abtreibungsverbot, strikte Ablehnung gleichgeschlechtlicher Ehen, offener Hass auf Schwulen-, Lesben- und Transmenschen; der Hang, andere Meinungen als Kampfansagen und andere Lebensweisen als Bedrohungen wahrzunehmen, und immer wieder Stimmungsmache gegen Einwanderer, Muslime und linke, anarchistische Chaoten.
Selbstverständlich ist das sogar in der südostsächsischen Provinz nicht mehrheitsfähig, aber auch weitaus mehr als ein nur ein Randgruppenphänomen. Obwohl sogar im „sächsischen Bibelgürtel” der Anteil aktiver Christen an der Bevölkerung nicht überwältigend groß ist, sind unter ihnen besonders viele stramme Evangelikale. Immerhin ein Fünftel der sächsischen Landeskirchgemeinden drohte mit Kirchenspaltung, als die evangelische Kirche gleichgeschlechtliche Partnerschaften in sächsischen Pfarrhäusern legalisieren wollte. Die Drohung wirkte: Dieses Recht ist bis heute in Sachsen, und zwar in Deutschland nur in Sachsen, nicht generalisiert!
Feindbilder und imaginäre Bedrohungen
Das Programm, dass sich aus dem „Extremismus der Mitte” und evangelikaler Glaubensideologie, die in de Form eines radikalen Sittenchristentum sogar die Haltung nichtreligiöser „patriotischer Abendländer” beeinflusst, ergibt, ist nicht unbedingt extrem rechts. Es kann sogar sozialistisch verpackt daher kommen – was die Gesprächsbereitschaft einiger Politiker der „Linken” erklären könnte.
Dieses Programm wird weniger mit Argumenten, als mit dem Appell an Gefühle, vor allem Angst, propagiert. Zu ihm gehört eine restriktive Einwanderungspolitik, untermauert mit der Angst vor „Überfremdung”. Ein beliebtes Feindbild geben die „Islamversteher” ab. Die heterosexuelle „Normalfamilie” soll vor der „Homo-Lobby“ geschützt werden, Abtreibung und Sterbehilfe gehören aus religiösen, ersatzweise aus moralischen, und (selten offen ausgesprochen) aus bevölkerungspolitischen Gründen streng verboten, die Gleichstellung von Frauen, Männern und Sonstigen wird als „Genderideologie“ abgelehnt, usw. – kurz, ein Zurück in eine „gute, alte Zeit”, in der die „echten Deutschen” noch unter sich waren und Zucht und Ordnung herrschte. Der rechte, der extrem rechte und der sich selbst für links haltende Flügel unterscheiden sich vor allen darin, wann dann diese „gute alte Zeit” gewesen sein soll. Dazu gehört auch, dass alle Versuche, herabsetzende oder rassistische Sprache zu vermeiden, als „Sprachhygiene“ gegeißelt werden: Man lässt sich doch das „N-Wort” nicht von den übermächtigen Vertretern der „Political Correctness” verbieten, Ja-woll! Hinzu kommt Hass auf „den” Islam, Hass auf linke Chaoten, vor allem die Antifa, Abneigung gegen „Ökologisten” und „grüne Spinner”, ein notdürftig als „Israelkritik” getarnter Antisemitismus und eine Sehnsucht nach einer starken, autoritären Führung. Selbstverständlich einer autoritären Führung, die „die Interessen der Mehrheit“ vertritt und deshalb „demokratsch“ ist, Minderheiten haben gefälligst die Schnauze zu halten!
Alles in allem nach „rechts außen” offen, selbst wenn man sich betont „bürgerlich” oder sogar „eher links” gibt. Die in diesen Kreise nicht seltenen Vorstellung, es gäbe eine „Meinungsdiktatur” der „Alt-68er”, oder die Überzeugung, Deutschland würde von den USA wie eine Kolonie „fremdgesteuert“, macht sie anschlussfähig an die verschwörungsideologischen „Mahnwachtler” bzw. „Wahnmacher”, die in der zu rechts-linken „Querfronten” neigenden „neuen Friedensbewegung” mittlerweile den Ton angeben.
„Besorgte Eltern” und die imaginäre Bedrohung „Frühsexualisierung”
Noch deutlicher als bei den „Verteidigern des Abendlandes gegen böse Muselmanen” ist der christlich-utrakonservative ideologische Hintergrund bei den „besorgten Eltern”, die zuerst im vom lutherischen Pietismus geprägten „württembergischen Bibelgürtel” in Erscheinung traten.
Die große Bedrohung heißt „Frühsexualisierung” an Kindergärten und Schulen, landläufig bekannt als „Sexualkundeunterricht”. Zentrales Argument ist, dass Kinder vor der Pubertät sowieso nichts mit Sexualkunde anfangen könnten; es würde ihnen etwas Unnatürliches, nicht Altersgemäßes aufgedrängt. In der Pubertät sei immer noch genügend Zeit zur Aufklärung. Der Elternwille würde in einen ganz zentralen Punkt der Erziehung missachtet. Vor allem stören sich die „besorgten Eltern” daran, dass Kinder jetzt verstärkt Toleranz gegenüber Homosexuellen lernen sollen. Wilde Gerüchte ranken sich um den „Berliner Medienkoffer”, gegen den Tausende empörter Eltern zu Felde zogen – aufgrund der Behauptungen, was in dem berüchtigten Koffer wäre, nicht aufgrund dem, was wirklich in ihm steckt: Im Mai 2011 wurde im Rahmen der Initiative „Berlin tritt ein für sexuelle Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt” ein Koffer zusammengestellt. Er enthält 25 Kinderbücher und ein Familienspiel, in denen unter anderem Homosexualität, Leben mit Behinderung und verschiedene Familienmodelle eine Rolle spielen. Tatsächlich unterscheidet sich der Koffer nicht wesentlich von Angeboten, die z. B. „Pro Familia” schon lange für die Sexualerziehung empfiehlt, ohne dass sie Proteststürme bei Eltern und Erziehern hervorgerufen hätten. Das könnte sich ändern, denn gerade „Pro Familia” gehört zu den Feindbildern der „besorgten Eltern”. „Abtreibungsverein Contra Familia” gehört noch zu den harmloseren Beschimpfungen.
Die Grundhaltung der besorgniserregenden „besorgten Eltern” unterscheidet sich meines Erachtens nicht wesentlich von jener der „patriotischen Abendländer”. Die Feindbilder „Homo-Lobby“, „Genderideologie“, „Alt-68ern” und „Political Correctness” haben sie auf alle Fälle gemeinsam; die „Normalfamilie” gehört geschützt bzw. privilegiert, Abtreibung und Sterbehilfe gehören verboten und die christlich-abendländische Kultur ist in Gefahr. Eine Besonderheit ist der Hass auf die „Grünen”, der auf die zeitweilige Sympathie von Teilen der frühen „Grünen” zu Pädophilen-Gruppen zurückzuführen ist, die so weit ging, dass die Forderung nach Straffreiheit für gewaltfreien Sex mit Kindern diskutiert wurde. Die „besorgten Eltern” nehmen den „Grünen” die Aufarbeitung der „Pädophilie-Affäre” der frühen 1980er nicht ab und argwöhnen, sie seien eine „Kinderschänder-Versteher-Partei”.
Die Angriffsziele der „besorgten Eltern” sind die Sexualpädagogik, vor allem der Sexualkundeunterricht, und die Geschlechter- bzw. Genderforschung. Bemerkenswert erscheint mir, dass den ersten Demonstrationen „besorgten Eltern” scharfe Angriffe gegen die Gleichstellung von Frauen, Männern und Transpersonen und gegen Genderforschung sowohl in der extrem rechten „Jungen Freiheit” wie in der konservativen „Frankfurter Allgemeine Zeitung” vorausgingen.
Die Koalition jener, die zu öffentlichen Demonstrationen gegen Sexualaufklärung und freie sexuelle Selbstbestimmung aufrufen, auch wenn sie es natürlich nicht so nennen, ist bunt gemischt. Da finden sich Evangelikale neben konservativen Katholiken (mutmaßlicher gemeinsamer Nenner: fundamentalistische Religionsauffassung). Mitglieder der AfD und solche scharf rechter, normalerweise islamfeindlicher, Kleinparteien wie Pro-Köln schließen Zweckbündnisse mit dem muslimisch dominierte BIG (mutmaßlicher gemeinsamer Nenner: antiquiertes Frauenbild und Schwulenhass). Selbstverständlich dabei sind die Berufsparanoiker von P.I., Compact und dem Kopp-Verlag. Schon die Wortwahl, z. B. der Compact-Sonderausgabe: „Feindbild Familie – Politische Kriegsführung gegen Eltern und Kinder“ spricht Bände: Geburtenabsturz, Sexuelle Umerziehung, Gender Mainstreaming, Schulfach Schwul, Frühsexualisierung, Raubtierfeminismus.
Dass sowohl die „alte Rechte” der Neonazis wie die sich bewusst von der NS-Nostalgie abgrenzende „neue Rechte” gerne die „Sorgen” der Eltern vor bösen linken und grünen Kinderschändern und Umerziehern „ernst nehmen”, versteht sich beinahe von selbst. Leider gibt es auch Unterstützung aus den Reihen der CDU und der FDP.
(Gewollte) Missverständnisse
Allen Eltern und Erziehern ist klar, dass Kinder bereits als Säuglinge lustvolle Gefühle haben, etwa wenn sie der Brust der Mutter saugen. Hautkontakt beim Schmusen, das Vergnügen, wenn Kinder einige Körperstellen häufiger berühren (das können, müssen aber nicht die Genitalien sein), später „Frau und Mann-Spiele” und selbstverständlich die berühmten „Doktorspiele” – all das, und noch viel mehr, wird in der Sexualwissenschaft als „sexuell“ verstanden. Wichtig ist allerdings dabei, das die spielerische kindliche Sexualität etwas anderes ist, als die „ernsthafte” Sexualität geschlechtsreifer Menschen. *)
Entsetzt zeigen sich die „besorgten Eltern” darüber, dass ein Gremium der WHO (Weltgesundheitsorganisation) die Sexualerziehung ab der Geburt empfiehlt. Da geht es allerdings nicht um Sexualaufklärung, sondern um Körperbewusstsein und einen adäquaten Umgang mit Körperlichkeit und Gefühlen – und selbstverständlich sind es vor allem die Eltern, die diese Sexualerziehung übernehmen sollen.
Im Kindergartenalter geht es darum, auf Fragen der Kinder, zum Beispiel der, wie die Babys aus dem Bauch der Mutter kämen, zu antworten. Aber manchmal fragen Kinder auch danach, was „schwul” bedeutet, oder wieso die Karin zwei Mammas hätte.
Das Thema Sexualität ist sowieso da, damit müssen Eltern und Erzieher umgehen. Einfache, klare Antworten reichen in diesem Alter aus; in der Tat wären die Kinder damit überfordert, wenn ein Erwachsener versuchen würde, ihnen Sexualität umfassend zu erklären. Kinder brauchen eine Sprache für Sexualität, keine Details über Geschlechtsverkehr. Was sie auch lernen sollten, ist Körperbewusstsein und der Umgang mit Gefühlen und Wahrnehmungen. Übertriebene Körperscham und Verbote „da unten an sich rumzufummeln” schaden nur.
Wenn in einem Bilderbuch zwei Männer einander die Hand reichen, stellen sich „besorgte Eltern” offensichtlich sofort die beiden bei „unzüchtigen Handlungen”, beim Analsex, „Schwanzlutschen” und anderen „Schweinereien” vor. Kinder in diesem Alter nehmen einfach nur zwei Männer wahr, die einander lieb haben, mehr nicht. Aus dem harmlosen Sprechen über verschiedene Beziehungs- und Familienformen wird in der überreizten Phantasie der „besorgten Eltern” eine „Frühsexualisierung”, ein „ideologisch begründeter Angriff auf die Familie”, und, die Angstspirale weiter treibend, womöglich eine „Zurichtung” der Kinder, damit sie sexuellen Missbrauch über sich ergehen lassen.
Sexualkundeunterricht an Schulen gibt es seit über 40 Jahren, und die Erfahrungen damit sind ausgesprochen gut. Es ist nicht zuletzt einem Aufklärungsunterricht, der bei biologischen Fakten nicht halt macht, zu verdanken, dass die Gewalt in Familien deutlich zurückgegangen ist, und dass jüngeren Menschen sehr viel seltener als ältere Menschen vor sexualisierter Gewalt in ihrer Kindheit berichten. Sexuelle Aufklärung schützt vor sexuellem Missbrauch, indem Kinder und Jugendliche den eigenen Körper verstehen lernen und sie begreifen, wenn „Zärtlichkeit” zu weit geht und sexuell übergriffig ist. Wichtig ist auch, dass Kinder früh lernen, „Nein” zu sagen und Hilfe zu holen.
Es ist bezeichnend, dass es in den USA weitaus mehr ungewollte Schwangerschaften unter Jugendlichen gibt, als in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern. In den USA findet praktisch kein Sexualkundeunterricht statt, schon gar nicht über Verhütungsmittel.
Im Grunde erreicht der Sexualkundeunterricht genau das, was die „besorgten Eltern” wünschen: Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch und einen verantwortungsvollen Umgang von Teenagern mit ihrer Sexualität. Sie verstehen es aber nicht, denn dem stehen Ängste und Vorurteile entgegen.
Worum es bei den „imaginären Bedrohungen” geht
Natürlich kann man endlos und fruchtlos über die „wahren Hintergründe” und die „versteckte Agenda” der Streiter gegen die „Islamisierung des Abendlandes” oder die „Frühsexualisierung unserer Kinder” spekulieren. Man könnte auch spaßeshalber die eine oder andere Verschwörungstheorie aufstellen.
Beiden, sich personell und in der ideologischen Struktur stark überschneidenden Protestbewegungen ist gemeinsam, dass sie eine Gesellschaft, „wie sie früher mal war” zurückhaben wollen. Eine Gesellschaft, in der die „richtigen Deutschen” unter sich sind, in der eine überkommene „deutsche Leitkultur” den Ton angibt, und in der Randgruppen die Schnauze zu halten haben. Sie sind im Kern antimodern, eher neophob **) als konservativ. Das wichtigste Motiv scheint mir dabei die Angst vor dem Verlust von Privilegien zu sein, zu denen die teilweise berechtigten Ängste vor sozialem Abstieg kommen. Wohlstandschauvinismus, kurz, die Angst, an „arme Länder” etwas abgeben zu müssen, und der Neid auf „die da”, die vermeintlich ohne etwas dafür zu leisten, Leistungen erhalten, kommen hinzu. Das können auf internationaler Ebene „Pleitegriechen” und auf nationaler Ebene „Harzis” und „Scheinasylanten”, aber auch „nutzlose Genderforscher” oder „Quotenfrauen” sein.
Mir fallen einige ideologische Gemeinsamkeiten mit der „Christian Right” in den USA auf. Allerdings mit dem Unterschied, dass die Basis für fundamentalistische Christen in Deutschland sehr viel schmaler ist. Daher können weder die „Abkü-gidas” noch die „besorgten Eltern” offen „christlich” argumentieren, genau so wenig, wie sie offen nationalistisch argumentieren könnten.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie und bei genaueren Überlegen einer gewissen Logik, dass die politischen Forderungen, Moralvorstellungen, Feindbilder und gesellschaftlichen Ideale der extremen „christlichen Rechten” und der extremen „islamischen Rechten” weitgehend übereinstimmen. Daher nenne ich sie auch gern „Christianisten”, analog zu den „Islamisten”. Wobei die politische Ideologie des Islamismus sich zum Islam in etwa so verhält, wie der Nationalismus zur Nation – entsprechend gilt dasselbe für Christianisten.
Martin Marheinecke
*) Der Unterschied zwischen kindlicher und erwachener Sexualität wird auch regelmäßig von Pädophilen und Pädophilen-Sympathisanten, „vergessen”. Eine typische Rechtfertiung eines Täters ist: „Aber er / sie wollte doch!” – Ebenso gut könnte ich einem fünfjährigen Jungen, der mit erhobenen Fäustchen auf mich zu käme und sagt, er wolle mit mir boxen, mit einigen kräftigen Boxhieben zusammenschlagen. Wenn ich mich, nachdem ich das Kind verletzt hätte, darauf hinausreden würde, dass „er es doch wollte” und es sogar gesagt hätte, entspricht das der Rechtfertigung des nicht einsichtigen pädophilen Sexualstraftäters.
**)“Neophob“ bedeutet: das “Neue fürchtend”. Das ist nicht unbedingt dasselbe wie konservativ. Um den Unterschied zu verdeutlichen: Konservativ wäre eine Aussage wie:
“Die Familie hat sich als Institution und Keimzelle der Gesellschaft bewährt, deshalb wäre es falsch, sie infrage zu stellen, und deshalb sollten Familien unterstützt werden”.
Neophob wäre die Aussage:
“Es gibt keine Alternative zur Familie, wie sie nun einmal ist. Alle Versuche, die hergebrachte Kernfamilie mit Vater, Mutter und Kindern durch andere Modelle, von der Patchwork-Familie über die Homo-Ehe mit Adaptionsrecht bis zu ‘Kommunen’ zu ersetzen, sind gefährlich und daher entschieden abzulehnen.“
Typisch für Neophobe ist, dass sie Alternativen zum Überkommen ablehnen, und dass sie annehmen, „Neuerer“ würden das Überkommene abschaffen wollen.
Danke für diesen Artikel!
Grüß Dich Martin,
zunächst Glückwunsch, der Schlag in die Fresse kam echt unvermittelt!
Ich meine, wer rechnet beim Klick auf eine Internetseite die vorgibt,etwas mit Asatru zu tun zu haben, schon mit allerfeinstem Agitprop aus der Schwarzmaske?
Ich weiß nicht ob es was bringt an Deine Aufrichtigkeit zu apellieren, aber da Du Asatru wohl zu fad oder langweilig findest würde ich Dich bitten, das segeln unter falscher Flagge zu lassen und offen und ehrlich aufzutreten.
Das würde für mich bedeuten, dass Du so einen Quatsch von wegen Odins Auge oder Gjallahorn mal weglässt und stattdessen mal einen fetten roten Stern oder ein knüppelschwingendes Skimaskenmännlein auf der Seite anbringst, das wäre wenigstens ehrlich.
Das hätte dann auch vielleicht den Vorteil, dass Deine Artikel nicht weitgehend kommentarlos vor sich hindümpeln müssten und eine breite Aufmerksamkeit unter Gesinnungsgenossen finden würden.
Viele Grüße und einen schönen Abend
Andreas
Moin, Andreas!
Normalerweise schalten wir Hasskommentare ja nicht frei, aber weil Deiner so schön selbstentlarvend ist, mache ich mal ’ne Ausnahme.
Ich nehme Asatru übrigens sehr ernst – daher segele ich auch nicht unter „falscher Flagge“, sondern unter der des Friedens von Freyja & Freyr. Ja, ich bin „Menschenrechtsfundamentalist“, und ich bin durchaus „Antifa“. (Ohne Skimütze, ohne roten Stern und erst recht ohne Knüppel. Aber mit Thorshammer.)
MartinM
Tach auch Martin,
nun ja, alles was einem nicht passt als Hasskommentar auf den Index zu setzen, ist lediglich eine Variation dafür zu sorgen, dass andere „die Schnauze“ zu halten haben, wie Du so schön schreibst.
Unter dem Deckmantel von Religion ausschließlich politische Inhalte zu verbreiten, bedeutet diese zu missbrauchen, egal ob vom linken oder vom rechten Rand.
Antifa und Menschenrechte sind sich ausschließende Begriffpaare, Antifa ist Gulag und Killing Fields, sollte Antifa jemals Macht erlangen.
Frieden, ja der herrscht dann tatsächlich, aber das wäre dann der Friede des Abgrunds.
Das ist definitiv das falsche Segel.
Viele Grüße
Andreas
Danke, wenn ich noch Zweifel daran gehabt hätte, wie Du tickts, sowohl politisch wie auch hinsichtlich Deiner Aufassung von Asatru, dannn hast Du sie beseitigt. Indirekt mit Völkermördern gleichgestellt werden, betrachte duchaus als eine Äußerung von Haß. Wobei ich persönlich schon Deinen ersten Kommentar als hochgradig beleidigend empfand.
Hasskommentare zu löschen, ist übrigens keine Zensur, sondern Ausübung des Hausrechtes.
MM