Großgrabung an ICE-Strecke: Mehr als „nur“ Bronzezeitgräber
Dass Archäologen auf der künftigen ICE-Strecke Erfurt-Halle/Leipzig Gräber aus der frühen Bronzezeit entdeckten, ging bereits im großen Umfang durch die Medien: Forscher finden 4000 Jahre alte Skelette (SpOn) (Ausführlicher Bericht mit Fotostrecke.)
Dabei geht ein wenig unter, dass die spektakuläre Funde frühbronzeitlicher Gräber nur eines von vielen Ergebnissen einer aufwendigen Großgrabung mit 150 Mitarbeitern in acht Grabungsteams sind.
Der Neubau der ICE-Strecke Erfurt und Halle/Leipzig gibt der Archäologie die einmalige Chance, auf einer Länge von 22 km einen vollständigen Schnitt durch eine der bedeutendsten Siedelregionen Deutschlands, der „Querfurter Platte“ zwischen den Tälern von Saale und Unstrut zu ziehen. Seit mindestens
7.500 Jahren ist sie wegen ihrer fruchtbaren Böden ein attraktiver Siedlungsort. Zudem verläuft die geplante Strecke im Gebiet einer alten Handelsweges, der später so genannten Wein- bzw. Kupferstraße.
Schon das ersten Jahr der bis 2011 laufenden Grabungen erbrachte kulturgeschichtlich interessanter Ergebnisse. Bei Bad Lauchstädt südlich der Laucha-Aue wurde ein Gehöft der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur (etwa 2.200 bis 1.600 v. u. Z. , berühmt durch die Himmelsscheibe von Nebra) entdeckt. Das Gehöft umfasste ein ca. 20 m langes Haupthaus und eine Reihe von Vorratsgruben. Wenige Meter vom Haupthaus entfernt lag eine kleine Gräbergruppe mit acht Bestattungen. Weitere Tote waren in ehemaligen Siedlungsgruben beigesetzt, darunter eine Frau in sitzender Position. Mittels moderner Methoden wie DNA- und Isotopenanalysen, sollen Fragen zu Verwandtschaft und Herkunft der einzelnen Bestatteten untersucht werden.
Die mit 7.300 Jahren bisher ältesten Funde wurden zwischen Oechlitz und Langeneichstädt gemacht und gehören zur linienbandkeramischen Kultur der frühen Jungsteinzeit, der ältesten bäuerlichen Kultur Mitteleuropas.
Von den drei bedeutenden archäologischen Kulturen der späten Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit, der Schnurkeramik-, der Glockenbecher- und der Aunjetitzer Kultur, wurden außergewöhnlich gut ausgestattete Gräber gefunden.
Einige der bei Oechlitz dokumentierten Bestattungen der schnurkeramischen Kultur der Jungsteinzeit enthielten ursprünglich auf der Kleidung angebrachten Schmuck oder Verzierungen. Dazu gehören Kupfer- und Bernsteinobjekte ebenso wie hunderte durchlochter Hundezähne, oder in einem besonders spektakulären Fall tausende kleiner Muschelscheiben. In einigen Männergräbern wurden aus Stein geschliffene Streitäxte gefunden. Auch bei Oechlitz wurde die bisher größte Zahl von Bestattungen der Glockenbecherkultur gefunden, die zum Teil zeitgleich mit der schnurkeramischen Kultur verbreitet war.
Die Funde aus der frühen Bronzezeit des ausgehenden 3. Jahrtausends v. u. Z. zeichnen sich durch außergewöhnliche Bestattungsweisen aus: In einigen Gräbern lagen die Bestatteten in mehreren ‚Etagen‘ übereinander. Andere Gräber wurden mehrfach hintereinander genutzt, wobei die früher bestatteten Toten hierfür regelrecht zur Seite geschoben wurden.
Auch aus jüngerer Zeit stammen bedeutsame Funde. Ein mittelalterliches slawisches Gräberfeld des 9./10. Jahrhunderts bei Oechlitz kann mit der frühen Geschichte des Ortes in Verbindung gebracht werden. Obwohl die Bestattungen nach christlichem Brauch mit dem Kopf im Westen ins Grab gelegt worden sind, deuten beigegebene Gefäße und Nahrungsmittelreste an, dass dennoch auch heidnische Traditionen in der Ausstattung der Toten weiter gepflegt wurden.
ICE-Trasse Erfurt-Halle: Zwischenbilanz einer Grossgrabung (archaeologie online