Grönlandwikinger überlebten den Klimawandel für Jahrhunderte
Es war wahrscheinlich nicht das veränderte Klima, das die nordeuropäischen Siedler umbrachte.
In der Mitte des 13. Jahrhunderts erlebten die in Grönland lebenden Nachkommen der wikingerzeitlichen Einwanderer nicht weniger als zehn Jahren mit sehr harten und kalten Wintern und kühlen Sommern. Die als Bauern lebenden „Normannen“ mussten sich in dieser Zeit von einem großen Teil ihrer Viehbestandes verabschieden.
Die Grönlandsiedler konnten auch nicht länger Güter aus ihren Herkunftsländern beschaffen, da sie nicht genug Holz hatte, um Handelsschiffe bauen zu können. Bis auf sporadisch vorbeikommende skandinavische Händler waren sie völlig auf sich selbst gestellt.
Aber das bedeutete noch keine Niederlage. Offenbar lebte sie noch fast 200 mit dem zunehmende kälterem Klima einer Epoche, die später als die „Kleine Eiszeit“ bezeichnet wurde. Das ergibt sich aus einer kürzlich veröffentlichten Doktorarbeit
Christian Koch Madsen, Doktorant am Dänischen Nationalmuseum, der Autor der neuen Studie, sagt, dass die Geschichte vom immmer schlimmer werdende Klima und den deshalb verschwindenden Nordländern einfach nicht stichhaltig sei. Sie hätten tatsächlich für eine lange Zeit überlebt und hätten sich besser angepasst, als wir bisher angenommen hätten.
Es war schon immer ein Rätsel, warum die „Grönland-Wikinger“ aus ihrem Siedlungsgebiet verschwanden. Laut Andrew Dugmore, Professor für Archäologie an der Universität von Edinburgh, machen uns die Ergebnisse der Studie ein gutes Stück klüger über das, was tatsächlich mit den grönländischen „Wikingern“ passierte.
Die Studie mache uns bewusst, dass die Normannen wirklich gut verstanden hätten, das Land, in dem sie lebten, zu nutzen und sich anzupassen – entgegen dem, was die üblichen Mythen uns glauben machen wollten. Die gesamte Dissertation sei ein Durchbruch für die Archäologie.
Warum sind die „grönländischen Wikinger“ dann so plötzlich verschwunden? Zuerst, stellt Madsen in seiner Arbeit fest, wären sie gar nicht so so schnell verschwunden, wie wir bisher glaubten. Die zehn Jahre mit außergewöhnlich kalten Wintern und Sommern waren nur der Auftakt zu einer jahrhunderterlangen Kälteperiode, die die Nordmannen sehr lange Zeit überlebten.
Außerdem wären früheren Schätzungen, wie viele Normannen in Grönland gelebt hätten, viel zu hoch gewesen. In seinen eingehenden Untersuchungen der Landschaft stellte Madsen fest, dass zu dieser Zeit nicht mehr als 2500 Menschen im ganzen grönländischen Siedlungsgebiet gelebt hätten, und sie hätten über ein großes Gebiet verteilt gewohnt. Gemäß früheren Schätzungen wären es mehr 6000 Siedler gewesen.
Laut Madsen stimmt der Mythos von den konservativen Wikinger, in deren Wortschatz das Wort „anpassen“ nicht vorgekommen wäre, nicht. Die „saeter“ – kleine Bauernhöfe – wären zum Beispiel in Wirklichkeit Schlüssel zu ihrer beeindruckenden saisonalen Landnutzung gewesen.
Als die harten klimatischen Veränderungen einsetzten, könnten wir sehen, dass die abgelegenen Höfe nach und nach aufgegeben worden seien. Dies würde auf eine Zentralisierung sowohl der Macht wie der Ressourcen hindeuten, die eindeutig Gegenmaßnahmen gegen die Klimaverschlechterung gewesen wären – auch wenn sie sehr unfreiwillig gewesen seien.
Als das Klima begann, ab Mitte des 13. Jahrhunderts seine Zähne zu zeigen, finge die Gesellschaft an zu schrumpfen. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten die Nordmannen ihre Ressourcen über riesige Gebiete des Landes verteilt genabt, die zunehmend öder und weniger und für die Viehwirtschaft ungeeignet wurden.
Infolgedessen wären die kleineren Höfe in abgelegenen Gegend aufgegeben worden und die Normannen hätten angefangen, sich in in größeren Siedlungen zu sammeln.
Mit der Zentralisierung hätten sich größere Unterschiede zwischen den großen und reichen und den kleinen und armen Leuten herausgebildet. Die Gesellschaft wäre eine Naturalienwirtschaft gewesen, in in der Erzeugnissen und Arbeitskraft getauscht wurden, und als die Agrarprodukte knapper wurden, zogen die Großenbauern immer mehr die Arbeitskraft der Kleinbauern heran.
Damit hätten die Kleinbauern immer weniger Zeit für sich selbst gehabt. Das hätte zu einer strukturellen Zerbrechlichkeit der Gesellschaft geführt. Aus Bauern wurden Jäger und Fallensteller, der Handel brach zusammen, und die Inuit wanderten in die Siedlungsgebiete der Normannen ein.
Als das Klima härter und Landwirtschaft schwieriger wurde, waren die Normannen stärker auf Meerestiere angewiesen. Frühere Untersuchungen der spätmittelalterlichen Gröndlandnormannen zeigten, dass sie zu bis zu 80 Prozent von Robbenfleisch lebten.
Es gäbe auch gute Gründe für die Annahme, dass einige der jüngeren Nordmänner die Möglichkeit nutzten, an Bord der seltenen Handelsschiffe aus Island oder Norwegen zu gehen.
Ob das Ende der Normannen in Grönland aus inneren Gründen aufgrund der Zentralisierung der erstaunlich kleinen und schrumpfende Zahl von Menschen kam, wegen des Zusammenbruchs des Handels mit Europa, oder ob es tatsächlich wegen der Begegnung mit den Inuit, wüßten wir noch nicht. Nach Madsen lag es daran, dass eine ganze Reihe unglücklicher Umstände zusammentrafen.
Was wir aber wüssten, wäre, dass die Normannen auf Grönland viel länger als bisher angenommen mit dem veränderten Klima gelebt hätten.
Damit würde sich, wie Madsen meint, der Fokus vom Klima wegbewegen, dessen Bedeutung für das Verschwinden der „Grönlandwikinger“ bisher überschätzt worden wäre.
Greenland Vikings outliverd climate change for centuries (Sciencenordic.com)
Kæmpestudie afliver sejlivet vikinge-myte (Videnskab.dk)