„Graben für Germanien“ – Archäologie unterm Hakenkreuz
„Graben für Germanien“ – Ausstellung im Focke-Museum in Bremen vom 10. März bis 8. September 2013-
Mit dem Begriff „Germanien“ verbinden sich ganz unterschiedliche Vorstellungen und Assoziationen. Dabei gab es kein Volk, das sich selbst Germanen nannte oder seine Heimat als Germanien titulierte. Dieser einst von den Römern erfundene Oberbegriff für die auf der rechten Rheinseite lebende Bevölkerung erlebte über die Zeit hinweg verschiedene ideologische Aufladungen.
Dass es eine „germanische Rasse“ gegeben hätte, und diese anderen „Rassen“ überlegen sei, war Kernbestand der völkischen Ideologie der Nationalsozialisten und diente der Legitimation der unvorstellbaren NS-Verbrechen. Auch Archäologen ließen sich vom Regime in den Dienst nehmen, fahndeten nach Funden, die die These untermauern sollten, und beteiligten sich am Raub von fremdem Kulturgut in den besetzten Gebieten. Während der NS-Zeit arbeiteten Archäologen der Politik selbstständig zu und lieferten angebliche Belege für die germanische Hochkultur und ihr großes Siedlungsgebiet. Damit wollte das NS-Regime die eigene Überlegenheit beweisen und Besitzansprüche auf Territorien in den Nachbarländern legitimieren.
Die Ausstellung deckt die enge Verzahnung von Archäologie und Politik im Dritten Reich auf und zeigt, wie Ausgrabungsfunde der medialen Propaganda dienten. Zeitschriften, Bücher, Schulwandbilder, Sammelbilder, Filme und Radiosendungen belegen, wie das ideologisch geprägte Germanienbild während des Nationalsozialismus zum Allgemeinwissen mutierte. Ein Bild, das sich so verfestigte, dass der Spuk auch nach 1945 seine Fortsetzung fand. Die Ausstellung legt dar, wie diese falschen Vorstellungen bis heute in der rechten Szene weiter propagiert werden.
Informationen zum Besuch (Preise, Anfahrt, Sonderführungen, Buchungen usw..)
Interview zum Thema mit der Bremer Landesarchäologin Uta Halle auf DRadio.de: „Die Germanen sind ein geschichtliches Konstrukt“ Wie Nazi-Archäologen einen historischen Mythos schufen
Ich war in der Austellund und ich bin ziemlich enttäuscht!
Daß der Schwerpunkt der Ausstellung auf Zeitgeschichte und Politik liegt, und nicht auf der Archäologie, war mir von vornherein klar. Das Thema an und für sich ist wichtig und durchaus spannend. Die völkische Archälogie kam ja nicht erst mit den Nazis auf und sie ist nach 45 auch nicht verschwunden. Mich interessiert, wieso nicht nur irgendwelche Pseudogelehrte, sondern ausgewiesene Top-Archäologen wie Jankuhn sich willig der Nazi-„Bewegung“ anschlossen. Das ging ja über Opportunismus hinaus, das waren ja teilweise echte Überzeugungstäter, auch wenn sie unter Garantie selber nicht an die blond-blauäugigen Supergermanen des Reichsheinis geglaubt haben!
Wie gesagt, gute Idee, aber schlecht umgesetzt. Die Ausstellung ist extrem textlastig, Es gibt jede Menge Stellwänder mit erklärendem Text, mit Dokumenten, mit Briefen, mit alten Zeitschriften, allgemein: mit Papier.
Die wenigen tatsächlich frühgeschichtlichen Exponate (überwiegend Repliken) sind hauptsächlich dazu da, die das Geschichtsbild der Nazis zu illustrieren. Überall winkt der erhobene Zeigenfinger. Museumpädagogisch ist das irgendwie von gestern. Das meiste hätte ich vermutlich auch zuhause lesen können. Es ist ja nicht so, daß es zu diesem Thema keine Bücher geben würde!
Irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, daß sich die Ausstellungsmacher in ihre Thesen verrannt haben. Besonders unangenehm ist das im letzten Raum, wo es um die “fortwährende Verklärung des Germanenmythos” geht. Wenn als „Belege“ Playmobil-Wikingerschiffe und „Germanen-Bier“ herhalten müssen, dann kann es ja mit diesem Mythos heutzutage nicht mehr weit her sein. Sicherlich lassen sich Kontinuitäten zwischen Nazi-Germanenkitsch, Germanenkitsch aus dem 19. Jahrhundert und moderenem Germanenkisch herleiten, die Frage ist, ob das irgendeine Bedeutung hat. Es wirkt unfreiwillig komisch und sehr schulmeisterlich im schlechten Sinne!
Ich findes es befremdlich, daß sich die Ausstellung derart mit populären Germanenklischees argumentiert.
„Nett“ finde ich es auch, daß in der “Neonazivitrine” eine Kerze mit Runenaufschrift steht, die auch im Museumsshop des Wikingermuseums in Haithabu zu finden ist. Was soll das beweisen? Ein Seitenhieb auf das Wikingermuseum, das nicht bereit war, einige gewünschte Exponate an das Focke-Museum auszuleihen?
Vielleicht sind die Ausstellungsmacher ja auch nur ein bißchen paranoid.