Göttliche Wochentage
Bekanntlich tragen drei unserer Wochentage bis fast zur Unkenntlichkeit verschliffene germanische Götternamen: Dienstag, Donnerstag und Freitag. Ursprünglich waren es vier, und wenn man, wie die „alten Germanen“, auch Sonne und Mond Göttinnen und Göttern zuordnet, sogar sechs.
Kompatible Götter
Dass das so ist, liegt daran, dass heidnische Götter und damit auf die nach Göttern benannten Wochentage sozusagen „übersetzbar“ sind, vom babylonischen Pantheon zum griechischen, von griechischen zum römischen, und vom römischen ins germanische.
Der römische Schriftsteller Plinius der Ältere (23 – 79 u. Z.) drückte es so aus:
„nomina alia aliis gentibus“.
(„Verschiedene Namen, verschiedene Völker.“)
Weil das möglich war, war es auch möglich, dass sich in der Hellenistischen Ära und im Römischen Reich vor Einführung des Christentums als „Staatsreligion“ ein religiöser Synkretismus ausbildete, der wiederum Streit wegen religiöser Fragen erst gar nicht aufkommen lies. Es macht einen Unterschied, ob Ausländer „schreckliche Götter haben, die wir nicht kennen“ oder sie Götter verehren, die in etwa vertrauten Gestalten entsprechen.
Allerdings bedeutet die „interpretiatio graeca“ (nichtgriechische Götter werden griechischen gleichgesetzt), die „interpretio romana“ (nichtrömische Götter, ins römische übersetzt) und auch die „interpretatio germanica“ (das Entsprechende bei den Germanen), und die zahlreichen weiteren „interpretationes“, nicht, dass zum Beispiel die Römer geglaubt hätten, ihr Saturn und der Kronos der Griechen seien ein und derselbe Gott – sie waren sich durchaus der Unterschiede bewusst.
Selbst bei großzügigen Maßstäben ist eine Übersetzung nicht immer ganz einfach. Zum Beispiel waren die zum Teil tiergestaltigen ägyptischen Göttern nicht leicht in die römische Vorstellungswelt integrierbar. Über die rissen die Römer gerne Witze, z. B. über den hundeköpfigen (eigentlich schakalköpfigen) „bellenden“ Anubis. Als völlig „unübersetzbar“ erwies sich der jüdische Gott J‘H‘V‘H – was viele Griechen und Römer nicht einsehen konnten oder wollten.
Die heidnische Religionen – jedenfalls die meisten – sind nicht dogmatisch, und der Polytheismus neigt an für sich zur Vielfalt. Die Funktionen, Fähigkeiten und Eigenschaften der Götter und Göttinnen überschneiden sich. Feste Ressorts (ausschließlicher Kriegsgott, exklusive Handwerksgöttin usw.) gibt es selten, und selbst Götter und Göttinnen, die offensichtlich ein abstraktes Prinzip verkörpern, sind im Mythos mitunter vielschichtige Persönlichkeiten, wie Eris, die griechische Göttin der Zwietracht. Götter können vielfältige und manchmal sogar widersprüchliche Eigenschaften haben. Der nordische Gott Freyr ist ein Friedensgott – und ist für sein Wunderschwert berühmt (das er, wie es so geht, vor der entscheidenden Schlacht von Ragnarök verleiht, weshalb er mit einem Hirschgeweih als Behelfswaffe antreten muss).
Wenn es schon im römischen Pantheon zahlreiche für die Fruchtbarkeit zuständige Göttinnen und Götter gibt, dann stören griechische, etruskische, gallische, ägyptische, germanische usw. Fruchtbarkeitsgöttinnen und – götter nicht weiter. Auf eine Göttin oder einen Gott mehr oder weniger kommt es wirklich nicht an. Oder auf zwei. Oder auf zweitausend.
Nach Rudolf Simek begannen die germanischen Völker schon im ersten Jahrhundert u. Z., also sobald sie in engeren Kontakt zu den Römern kamen, damit, römische Götter mit den Namen germanischer Götter zu bezeichnen. („Interpretatio germanica“.) Die Wochentagsnamen sind das markanteste Beispiel. Selbstverständlich gab es auch eine „interpretatio romana“ der germanischen Götter, zum Beispiel bei Tacitus. Nicht immer stimmen diese beiden Übersetzungen überein.
Weil das so ist, und weil aneinander entsprechende Götter eben nicht identisch sind, ist es nicht möglich, durch den Vergleich mit römischen Göttern die Eigenschaften germanischer Götter zuverlässig zu rekonstruieren. Es ist nicht einmal möglich „südgermanische“ Götter die Zeitenwende mit nordischen Göttern um 1000 in jeder Hinsicht gleichzusetzen. Odin entspricht Wodan, ist aber nicht Wodan! Eine „interpretatio nordica“ sollte allerdings möglich sein – solange man nicht vergisst, dass es eine Übersetzung ist. Noch wichtiger ist es, nie zu vergessen, dass die nordischen Götter, vor allem so, wie sie in der Snorri-Edda beschrieben werden, christliche Interpretationen der heidnischen Götter sind.
Duke weißt darauf hin, dass seine „Großen“ nicht unbedingt „germanische Götter“ seien. Ich bezeichne Dukes kleinen Reiseführer zu den „Großen“ deshalb versuchsweise als „interpretatio eibensangi“ nordischer Götter. Eibensang: Große
Wie die Wochentage zu Götternamen kamen
Die römischen Wochentagsnamen sind Planetennamen. Verdeutscht heißen sie:
Mondtag, Marstag, Merkurstag, Jupiterstag, Venustag, Saturnstag und Sonnentag.
Das war nicht vom Beginn der römischen Geschichte so, der Himmelkörper, den wir heute Venus nennen, wurde von den Römern ursprünglich „Lucifer“ („Lichtbringer“) genannt, weil der Planet als Morgenstern erscheint, und dieser Name wurde anscheinend auch beibehalten, als sich herumsprach, was nicht nur mesopotamische Priesterastromen seit Jahrhunderten wusssten: „Morgenstern“ und „Abendstern“ sind ein und derselbe Himmelskörper. Ja, die Römer kannten ursprünglich nicht einmal Wochen zu sieben Tagen, sie rechneten noch bis in Julius Caesars Tage in nundinae zu acht Tagen!
Unsere Zeiteinheit „Woche“ zu sieben Tagen geht, wie übrigens auch die Stunden zu 60 Minuten, der in 360 Grade geteilte Kreis und das System der „abendländischen“ Astrologie, auf die uralten Kulturlandschaften Mesopotamiens, Anatoliens und der Levante zurück.
Den hellsten „Wandelstern“ nach Sonne und Mond benannten mesopotamische Priester-Astronomen nach der Göttin Ishtar. Den zweithellsten Planeten, der aber im Gegensatz zu Ishtar die ganze Nacht und nicht nur zu Morgen- und Abendstunde zu sehen ist, nannten sie nach dem „Weltenherrscher“ Marduk. Der rote Planet – Rot wie Blut, rot wie die Glut – erhielt den Namen des Kriegs- und Hitzegottes Nergal. Der Tag des langsamsten Wandelsterns benannten sie nach dem Gott Ninurta, den schnellsten nach Nabu.
Die Griechen übernahmen seit ca. 600 v. u. Z. die babylonische Astronomie samt Astrologie und damit die Praxis, Götter mit den Planeten identifizierten. In der „interpretatio graeca“ wurden aus Ishtar Aphrodite, aus Marduk Zeus usw. .
Nun herrschte in den griechischen Stadtstaaten eine überaus debatten- und streitfreudige Kultur – außer vielleicht in Sparta, wo man sich wortkarg gab. In einer Gesellschaft, in der jeder Mitdiskutieren durfte, na gut, jeder Mann, der kein Sklave war, und das auch gern und reichlich tat, wurde aus der ehrwürdigen chaldäischen (also mesopotamischen) Astronomie etwas, was sich die Priester-Astronomen von Euphrat und Tigris sich wahrscheinlich nicht hätten träumen lassen. Aus der ungehemmt und respektlos mit den in gewissenhaft gesammelten Datenbergen jahrhundertelanger sorgfältiger Beobachtung spekulierenden Debattierklub-Astronomie der „alten Griechen“ entstand die Astronomie im modernen Sinne. Wahrscheinlich war das muntere Hypothesenaufstellen nur deshalb möglich, weil die Planeten nun zwar nun nach chaldäischem Brauch Götternamen trugen, aber, anders als im Zweistromland, selbst keine Götter waren.
Als in der römischen Republik zum Leidwesen altrömischer Moralprediger wie dem älteren Cato griechische Kultur und griechische Bildung modern wurde, wurden die Planeten und damit die Wochentage in der „interpretatio romana“ nach römischen Göttern benannt.
Und nun zu den Wochentagen und der „interpretatio germania“!
Unsere Wochentage wurden aus „germanischer“ Sicht auf die römischen Götter benannt. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass die römischen Götter, anders, als es eine seit der Renaissance in unserer Kultur üblich ist, eben keine „griechischen Götter mit römischen Namen sind“, sondern dass sie durchaus deutlich von ihren unterscheiden können. Man muss auch berücksichtigen, dass den „Germanen“ (also den Menschen, die zuerst die Römer und dann auch wir bei allen Unterschieden als „Germanen“ bezeichnen), völlig andere Eigenschaften an römischen Göttern auffielen als kulturchristlich geprägten neuzeitlichen Geschichtsinteressierten.
Noch was, am Rande:
Seit 1978 ist auf Beschluss der UN der Montag international der erste Tag der Woche. Vorher war es, wie heute noch im jüdischen und im christlichen Kalender, der Sonntag. Bei den alten Babyloniern und Akkadern war es der Samstag. Ich beginne traditionell mit dem Sonntag.
Sonntag
lateinisch: dies Solis, althochdeutsch: sunnûntag, altnordisch: sunnundagr, dänisch: søndag, schwedisch: söndag
Der römische Sonnengott heißt schlicht Sol, „Sonne“. Sol heißt auch die nordische Sonnengöttin, die bei den „Südgermanen“, jedenfalls im später hochdeutschen Sprachraum, Sunna genannt wurde.
Auf den ersten Blick ist es vielleicht überraschend, einen männlichen Gott einer Göttin gleichzusetzen. Auf den zweiten Blick haben sie mehr miteinander gemein, als das sie unser lebensspendendes und zugleich manchmal gefährliches Zentralgestirn verkörpern.
Sol ist der Gott des Landwirtschaftsjahres, Gott der Sabiner und Schutzgott der Wagenlenker. Schließlich gibt es keinen besseren Kutscher als Sol, der den Sonnenwagen mit seine feurigen Pferden jede Tag zuverlässig durch den Himmel lenkt. Der von Pferden gezogene Sonnenwagen ist ein Merkmal, das sich in allen vorchristlichen Religionen der indoeuropäischen Kulturen findet.
Foto: Malene Thyssen Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported
Der Sonnenwagen von Trundholm, Dänemark, Bronzezeit, um 1600 v.u.Z. . Er zeigt, wie früh die Idee eines Sonnenwagens im später „germanischen“ Norden Fuß gefasst hatte.
Ungeachtet des gewaltigen zeitlichen Abgrundes von über 2500 Jahren ist es verführerisch, diesen Wagen nach dem Muster der bekannten nordischen Mythologie, als Sonnenwagen der Sol, zu interpretieren. Jedenfalls passen allem Anschein nach die Mythen der Skandinavier der Wikingerzeit sehr gut zu dem vorgeschichtlichen Kunstwerk.
Bis in die römische Kaiserzeit stand der Gott des Tageslichts ein wenig im Schatten der „kapitolischen Trias“ aus Iupiter, Juno und Minerva und der Trias Iupiter, Mars und Quirinus. Das änderte sich in den unruhigen, vor Machtkämpfen, Wirtschaftskrisen und Kriegen erschütterten Zeiten des dritten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung.
Kaiser Elagabalus (Regierungszeit 218 bis 222 u. Z. – er wurde, wie die meisten Imperatoren des 3. Jahrhunderts, ermordet) setzte Sol mit dem Sonnengott El Gabal seiner syrischen Heimat gleich, erhob ihn zum obersten Staatsgott und sich selbst bei dieser Gelegenheit zu dessen erstem Priester. Im Gegensatz zu Elagabalus‘ Regierungsstil fand die Idee eines Sonnengottes als oberstem Staatsgott Anklang. In jedem Pantheon gibt es schließlich einen Sonnengott oder (seltener) eine Sonnengöttin. Damit hatten, von den Juden abgesehen, alle Volksgruppen des Imperiums quasi einen gemeinsamen Gott. (Da es nur eine handvoll Christen gab, die außerdem keine Volksgruppe bildeten, konnte man ihren Monotheismus zu dieser Zeit noch außer acht lassen.)
Außerdem war in der Armee, dem entscheidenden Machtfaktor in dieser unruhigen Zeit, der aus dem persischem Raum stammende Mysteriengott Mithras sehr beliebt geworden, auch er galt als ein Sonnengott. Eine weitere Tendenz war es, alle Göttinnen als Erscheinungsformen einer Göttin – Isis – zu sehen, entsprechend entstand die Idee, alle Götter seien in Wirklichkeit irgendwie „Mithras“ oder „Sol“. (Der Spruch „alle Göttinnen sind eine Göttin“ und „alle Götter sind ein Gott“ ist für moderne Hexen ungemein typisch, was insofern logisch ist, da z. B. Wicca stark von den spätantiken Mysterienreligionen inspiriert ist.)
Diese Form des Henotheismus, der alle Götter einschließt und verehrt, ist kein Monotheismus nach jüdischem und christlichem Muster, der ja alle anderen Götter ausschließt und ihre Verehrung streng verbietet. Der Unterschied war allerdings auch damals vielen Heiden und einigen Christen nicht ganz klar gewesen. Kaiser Konstantin verehrte Apollon, Hercules, Sol und schließlich den Christengott, und war noch im hohen Alter felsenfest überzeugt, sein ganzes Leben lang immer den selben Gott verehrt zu haben.
Kaiser Aurelian griff 274 die Idee des Sonnengottes als Staatsgott auf und begründete den Kult des Sol Invictus, des „Unbesiegten“. Der Geburtstag Sols, der 25. Dezember (zur Zeit der Kalenderreform des Julius Caesar der Tag nach der Sonnenwende) wurde höchster Feiertag im Reich. Zu dieser Zeit wurde auch der Sonntag erster Wochentag. Domitian versuchte, mit der Staatsreligion des Sol Invictus das Reich zu stabilisieren, sein Nachfolger Konstantin entdeckte daneben das machtpolitische Potential der gut organisierten christlichen Kirche. Trotzdem führte er den Sonntag, und nicht etwa den Ruhetag der Juden und frühen Christen, den Sabbat, als gesetzlichen arbeitsfreien Tag ein. Die Christen passten sich dem an und verlegten später sogar das Fest zur Geburt ihres Heilandes auf den 25. Dezember. So gesehen ist Sol wirklich unbesiegt.
Montag
lateinisch: dies Lunae, althochdeutsch: mânetag, altnordisch: manandagr, dänisch: mandag, schwedisch: måndag
Luna ist die Schwester Sols und hatte gemeinsam mit ihm einen Tempel auf dem Aventin, und wie er ist sie Schutzgöttin der Wagenlenker. Außer als Mondgöttin wurde sie auch als Geburtsgöttin verehrt. Es fällt auf, dass auch die Diana bzw. ihre griechische Kollegin Artemis als Mondgöttin verehrt wurde, beziehungsweise Diana und Luna manchmal gleichsetzt wurden.
Mani ist der Bruder der Sonnengöttin Sol. Ich vermute, dass er, wäre er nicht zufällig Mondgott, niemals mit Luna gleichsetzt worden wäre, so wenige Eigenschaften hat er mit ihr gemeinsam. Darüber, in welcher Form und in welchen Umfang er verehrt wurde, ist leider wenig bekannt.
Dienstag
lateinisch: dies Martis, althochdeutsch: zîestag, tuistag, altnordisch: tyrsdagr, dänisch: tirsdag, schwedisch: tisdag
Sowohl die Römer wie die „Germanen“ setzten Mars und Ziu, bzw. Tiw, bzw. Tiwaz bzw. Tyr gleich. Weiheinschriften für Mars Thincus, die römische Legionäre „germanischer“ Herkunft hinterließen, verraten, dass diese Soldaten „ihren“ Tiw in der Tat als Gegenstück zu Mars betrachten. Ziu / Tyr ist Schutzherr des Things.
Das wäre nicht so ohne weiteres möglich gewesen, wenn Mars, wie der griechische Ares, ganz überwiegend Kriegs- und Konfliktgott gewesen wäre. Ares war anders als Mars kein „Nationalgott“. Dass Ares bei griechischen Dichtern und Denkern ausgesprochen unbeliebt war, heißt natürlich nicht, dass die Griechen weniger kriegerisch als die Römer gewesen wären.
Im Gottesdienst des Mars spielten landwirtschaftliche Elemente eine große Rolle, er ist Schutzgott von Feld und Vieh. Er ist Vater von Romulus und Remus, den legendären Gründern Roms. Interessant beim Vergleich mit Tyr ist, dass Mars auch Schutzherr der Volksversammlung in der Zeit der Römischen Republik war, die auf dem Marsfeld stattfand.
Tyr tritt, auch wenn er sich durch extreme Tapferkeit auszeichnet – wer sonst hätte seine Hand in den Rachen des Fenriswolfs gelegt, im Wissen, dass das Ungeheuer betrogen wurde? – in den bekannten nordischen Mythen nicht als Kriegsgott in Erscheinung. Snorri zufolge konnte er allerdings in Kriegszeiten den Sieg verleihen. Dazu passt, dass Tyrs Rune als „Siegrune“ dreimal in Schwerter eingeritzt wurde. Aber an und für sich ist in der „Wikingerzeit“ aber Odin der wichtigste Kriegsgott.
Bemerkenswert ist, dass die altrömische Trias Iupiter, Mars und Quirinus ziemlich genau der vielfach bezeugten „germanischen“ Trias Donar, Ziu und Wodan bzw. Thor, Tyr und Odin entspricht, hinsichtlich der Funktionen und der Attribute der jeweiligen Götter.
Schon weil der Name Tiw bzw. Ziu sprachlich eng mit dem indischen Dyaus, dem griechischen Zeus und dem lateinischen Iupiter verwandt ist, und im Altnordischen „Tyr“ auch allgemein „Gott“ bedeuten kann – „Hangatyr“, der gehenkte Gott, ist einer der unzähligen Beinamen Odins – liegt die Vermutung nahe, dass Tyr ursprünglich der „oberste Himmelsgott“ gewesen sein könnte. Zu dieser Vermutung würde passen, dass bei den das rechte Rheinufer zwischen Sieg und Lahn bewohnende Tenkterer nach römischen Angaben Mars der oberste Gott gewesen wäre. Die oströmischen Historiker Prokopios und Jordanes bezeichneten Ares bzw. Mars als den obersten Gott der Goten, dem Menschen geopfert wurden. Allerdings weist gerade das Menschenopfer darauf hin, dass dieser Gott eher Wodan gewesen sein könnte und dass Prokopios und Jordanes mit „Ares“ einfach „Kriegsgott“ gemeint hatten.
Auch könnte man in gewisser Hinsicht auch Mars als den „Hauptgott“ der Römer beschreiben, ein „oberster Gott“ muss nicht unbedingt „der Himmelsgott“ sein, und überhaupt ist das Konzept einer strengen Hierarchie zwischen den Göttern fragwürdig.
Mittwoch
lateinisch: dies Mercuri, althochdeutsch: wodanstag, woutanstag, altnordisch: oðinsdagr, dänisch: onsdag, schwedisch: onsdag
Mercur bzw. Hermes ist nicht nur Kreuzworträtselfans vor allem als „Götterbote“ bekannt. Boten sind wichtig, aber nehmen meistens keinen hohen Rang ein. Deshalb wundern sie viele darüber, dass der „germanische Hauptgott“ Wodan in der „Römerzeit“ ausgerechnet mit Mercur gleichgesetzt wurde.
Für die Römer war Mercur, der fast mit seinem griechischen Gegenstück Hermes identisch ist, jedoch in erster Linie der Gott der Kaufleute (mercator = Kaufmann). Was nicht wirklich weiterhilft, denn als Kaufmannsgott ist Odin, bei aller Vielfalt seiner Persönlichkeit und Fähigkeiten, nicht unbedingt bekannt. (Dass er verdammt gut im Feilschen ist geht aber aus der eddischen Dichtung deutlich hervor. Wie das bei Wodan ist, kann mangels Quellen nur vermutet werden.)
Ansonsten stimmen seine Eigenschaften und Fähigkeiten ungewöhnlich genau mit denen Mercurs überein. Mercur ist nicht nur Schutzgott für Boten und (reisenden) Kaufleute, sondern für alle Reisenden. Das passt schon zum „Wanderer“ Odin.
Georg von Rosen: Oden som vandringsman, 1886 (Odin, der Wanderer)
Noch deutlicher ist die Parallele bei der letzten Reise: sowohl Mercur (und Hermes) wie Odin (und Wodan) sind Totengötter. Sie führen als „Seelenboten“ die Toten als Psychopompos („Seelenführer“) vom Diesseits in das Reich der Toten.
Die Leichenträger, die in der Arena getöteten Gladiatoren wegtrugen, waren als Mercur verkleidet, was daran erinnert, dass die blutigen Spiele ursprünglich kultische Bedeutung hatten.
Was die Bekleidung angeht, weiter blauer Mantel und Hut, ähnelt Odin seinen mediterranen Kollegen ebenfalls.
Auch dass Mercur Gott der Diebe ist, widerspricht nicht dem bekannten Charakter Odins.
Mercur ist ein Gott der Literatur und der Musik, und wurde beim sportlichen Wettstreit angerufen. Das trifft alles auch auf Odin zu, bei Wodan ist das auch anzunehmen, aber Spekulation.
Neben Apollo ist Hermes – und mit ihm Mercur – einer der wichtigsten Orakelgötter. Odin ist es auch. In Hellenistischer Zeit wurde Hermes, und damit auch Mercur, immer mehr zum Gott der Magie. Nun ist Odin der zauberkundige Gott schlechthin.
Wenn das alles auch auf Wodan und die „Südgermanen“ der römische Kaiserzeit zutraf, wogegen nichts spricht, dann war es, obwohl Botengänge nicht Wodans Job sind, praktisch unvermeidlich, dass er mit Mercur gleichgesetzt wurde.
Es gibt noch eine Parallele, allerdings zwischen Hermes und den Asen an sich. Im Norden wurden die Götter als stark stilisierte hölzerne „Pfahlgötzen“ dargestellt. Daher stimmt wahrscheinlich auch die Bezeichnung „Ase“, von „Ass“ „Pfahl, Balken“. Abgesehen davon, dass sie aus Holz sind, ähneln sie sehr den archaischen griechischen Hermen, Steinpfosten mit einen Kopf, oft in stillisierte Phallosform, die an Wegkreuzungen errichtet wurden. Eine Parallele, die Zufall sein mag, die aber Menschen, die sowohl in der hellenistischen wie in der „germanischen“ Kultur zuhause waren, sicherlich aufgefallen sein wird.
Donnerstag
lateinisch: dies Iovis, althochdeutsch: donarestag, altnordisch: þorsdagr, dänisch: torsdag, schwedisch: torsdag
Iupiter, oder in moderner Schreibung Jupiter, ist der römische Gott des Blitzes, des Donners und des Regens, Schutzgott von Recht, Ordnung und Treue. Nach dem Wachstum bringenden Iupiter Maius ist der Monat Mai benannt. Nicht zuletzt war der Kampf des mit Iupiter gleichgesetzten Zeus gegen die Giganten ein beliebtes Motiv in der Kunst der römischen Kaiserzeit. Daher ist es wenig überraschend, dass die „Germanen“ Donar in Iupiter wiedererkannten.
Nun bedeutet Iupiter, in älterer Schreibung Duipiter, aber „Gott Vater“ (in klassischem Latein „Deus Pater“). Er ist eindeutig ein Götterpatriarch und „Familienoberhaupt“, allerdings nicht unbedingt „wichtigster“ römischer Gott. „Gott Vater“ Iupiter würde zum „Allvater“ Odin, wie ihn Snorri beschreibt, passen. Allerdings schrieb Snorri bekanntlich zu einer Zeit, in der Island schon gut 200 Jahre lang christlich war. Vielleicht haben viele Isländer noch an die alten Götter geglaubt, aber wohl nicht mehr als Götter, sondern als „Dämonen“, „Schutzgeister“, fallweise „Heilige“ usw. . „Gottvater“ ist in der etwas naiven Auffassung auch gebildeter Christen seiner Zeit der Seniorchef des Universums – mit den theologischen Spitzfindigkeiten des „Dreieinigen Gottes“ hatten sie es nachweislich nicht so.
Snorri, als vielseitig gebildeter Mann, wird wahrscheinlich sogar gewisse Kenntnisse der antiken Mythologie gehabt haben.
Selbst in der Zeit, in der das Heidentum noch in voller Blüte stand, war die skaldische Dichtung deutlich parteisch zugunsten des Gottes der „Adligen“, der Krieger und der Dichter, Odin, und zuungunsten Thors. Im Harbardlied der „Liederedda“ beispielsweise wird Odin als „Gott der Könige“ und Thor als der Bauerngott charakterisiert. Es ist also gar nicht ausgemacht, dass wirklich Odin – und schon gar nicht Wodan – außerhalb der höfischen Dichtung „Chefgott“ war. Für freie Bauern und ihre Familien und ihre Knechte und deren Familien, also die übergroße Mehrheit des Volkes, wird Thor bzw. Donar wichtiger als Odin bzw. Wodan gewesen sein. Der Rang Iupiters unter den römischen Göttern wird also kein Hindernis dafür gewesen sein, ihn mit Donar zu identifizieren.
Bemerkenswert ist, dass Tacitus in der „Germania“ behauptet, die wichtigsten Götter der Germanen seien Mars, Mercur und Hercules gewesen.
Höchstwahrscheinlich war mit „Hercules“ Donar gemeint. Das ist einer der Fälle, in der die „interpretatio romana“ nicht mit der „interpreatatio germanica“ übereinstimmt. Ein Germane, der mit Iupiter konfrontiert wurde, wird unweigerlich die Parallele zu Donar erkannt haben. Für einen Römer, dem man von Donar erzählt, war das nicht so offensichtlich, schon gar nicht für einen Schriftsteller, der seine Informationen wie Tacitus aus zweiter Hand hatte, nicht selbst nachfragen konnte und vielleicht oft auch nicht den Kontext kannte.
Über keinen nordischen Gott sind so viele Abenteuergeschichten bekannt wie über Thor. Thor ist wie Hercules, ein Symbol für extremen Mut, übermenschliche Körperkraft und praktische Intelligenz, „Bauernschläue“. (Dass Thor in manchen eddischen Liedern als etwas tumb erscheint, dürfte auf die höfische Perspektive der Skalden zurückzuführen sein. Nicht nur das Alwislied, in dem Thor den „alles wissenden“ Zwerg überlistet, zeigt deutlich: Thor hat nicht nur Muckis, er hat auch Grips!)
Er verbrachte Heldentaten, die sich nicht stark von denen unterschieden, die sich die Römer von Hercules erzählten: auch er kämpfte ja gegen Riesen und Ungeheuer.
Der klassische griechische Herakles ist ein „Halbgott“, ein nach seinem irdischen Tod vergöttlichter Heros. Hingegen ist sein italienisches – römisches, etruskisches usw. – Gegenstück Hercules ein „vollgültiger“ Gott, was z. B. zur Folge hatte, dass in den griechischen Städten Süditaliens einmal Herakles als Gott und zu einem anderen Termin Herakles als vergöttlichtem Heros Opfer dargebracht wurden.
Das setzt allerdings voraus, dass über Donar ähnliche Geschichten wie über Thor erzählt wurden. Sicher beweisen lässt sich das nicht, aber es würde mich sehr überraschen, wenn es nicht so gewesen wäre.
Freitag
lateinisch: dies Veneris, althochdeutsch: frîjatag, altnordisch: friggadagr, dänisch: fredag, schwedisch: fredag
Der Tag der Venus. An und für sich könnte man vermuten, dass der „römische Liebesgöttin“ Venus die „germanische Liebesgöttin“ Freyja gleichgestellt wurde, also der „Freitag“ ein „Freyjastag“ wäre. Ein Blick auf die althochdeutschen und altnordischen Namen des Freitag verrät jedoch: der Freitag ist nach Frija bzw. Frigg benannt.
Venus, deren Name „Anmut“ oder „Schönheit“ bedeutet, war im alten Italien, vor der Zeit des Hellenistismus, noch keine Liebesgöttin, sondern eine der zahlreichen Vegetationsgöttinnen. Aus Inschriften ist bekannt, dass sie unter anderem Göttin der Gärten und für das Wachstum des Gemüses zuständig war. Einige Forscher sind sogar der Ansicht, Venus sei ursprünglich ein Name der „Dea Dia“, der alten römischen Göttin des Wachstums und Wandels, gewesen. Wieso sie der griechischen Aphrodite gleichgestellt wurde, ist nicht ganz schlüssig.
Wenn auch für die Römer der späten Republik und der Kaiserzeit Venus quasi die „römische Aphrodite“ war, hatte sie noch viele Aspekte der älteren Göttin behalten. Sie wurde als Venus Genetrix („Erzeugerin“) verehrt, sie ist, als Mutter des Aeneas, eine „Stammmutter“ der Römer. Ein weiterer Unterschied: Venus ist die Gattin des Mars, während Aphrodite die Geliebte des Ares ist, verheiratet ist sie mit Hephaistos, dem Gott des Handwerks. In der „Familienhierachie“ – und die Römer dachten sehr in solchen Kategorien – war Venus als Gattin des „Staatsgottes“ also sehr hoch angesiedelt.
Inwiefern Frigg „Liebesgöttin“ ist, ist Ansichtssache, es wird zum Aufgabengebiet der Göttin gehören, aber wohl nicht ihr Hauptberuf sein. Sie ist Muttergöttin, Schutzgöttin der Ehe, und, was in der eddischen Dichtung eher zwischen den Zeilen steht, die Göttin, die alles Schicksal kennt, es aber nicht verrät. Weshalb ihr Gatte Odin nicht allwissend ist, und Frigg, entgegen dem Eindruck, den die mittelalterliche Dichtung vermittelt, durchaus mächtiger als Odin sein könnte.
Frigg ist in der altnordischen Mythologie von der „Vanadis“, der „Vanengöttin“ Freyja unterscheidbar. Freyja ist recht eindeutig eine mit Lust und Erotik verknüpfte Göttin, und sie hat unübersehbar kriegerische Züge. Die Hälfte der Gefallenen kommt ihr zu, und sie hat die erste Wahl, vor Odin. Anderseits: es gibt einen Mythos, in dem sie Geliebte des Od ist, eines Gottes, dessen Name wohl nicht zufällig an Odin erinnert, und den sie unter verschiedenen Namen in aller Welt sucht.
Dafür, dass Freyja in „Südgermanien“ zur Römerzeit verehrt worden ist, gibt es meines Wissens keine Hinweise. Sowohl Frija wie auch Freyja bedeutet „Herrin“, was ein „Deckname“ für den eigentlichen Name der Göttinnen gewesen sein könnte.
Die Frage, ob Frija bzw. Frigg und Freyja ursprünglich eine einzelne Göttin gewesen sein könnte, lässt sich nur schwer beantworten, umso mehr, da die Quellen der Vor-Wikingerzeit spärlich und die vereinzelten Hinweise auf Göttinnen und ihre Eigenschaften von eher fragwürdiger Qualität sind.
Sonnabend – Samstag
lateinisch: dies Saturnis, althochdeutsch: sambaztag, altnordisch: laugadagr, dänisch: lørdag, schwedisch: lördag
Der Tag des Saturn. Saturn unterscheidet sich erheblich von dem ihm gleichgesetzten griechischen Gott, dem düsteren Titanen Kronos, dem unerbittlichen Gott der Zeit.
Saturn ist ein eher freundlicher Gott, unter anderem Fruchtbarkeits- und Vegetationsgott, vor allem Gott der Saat (satus = gesät). Er ist der Vater des Iupiter. In der Dichtung gilt er als Herrscher des „goldenen Zeitalters“.
Seine Festtage, die Saturnalien, das höchste römische Landwirtschaftsfest, wurden ab dem 17. Dezember, also nach dem Herbst, begangen. Die Saturnalien wurden ausgelassen gefeiert, es war der „römische Karneval“, an dem auch die Sklaven teilnehmen konnten und sich nach dem Prinzip der „verkehrten Welt“ von ihren Herren bedienen ließen. Man beschenkte einander, es gab ein öffentliches Festmal und ein Saturnalienkönig übernahm für die Dauer der Saturnalien symbolisch die Regentschaft.
Der Samstag / Sonnabend ist der einzige „germanische“ Wochentag, der offensichtlich von Anfang an keinen Götternamen trug. Wahrscheinlich fanden die „Germanen“ keinen einheimischen Gott, der sich Saturn gleichsetzen ließe.
(Nach meiner Einschätzung wäre im germanischen Norden, wenn man unbedingt will, eine Gleichsetzung mit den Vanen Freyr oder dessen Vater Njörd möglich gewesen. Dass die „alten Germanen“ nicht darauf verfielen, könnte daran gelegen haben, dass die Vanen in „Südgermanien“ wenig oder gar nicht verehrt wurden. Für mich naheliegender ist die Möglichkeit, dass die Unterschiede doch als wichtiger gesehen wurden als die wenigen Parallelen.)
Selbst arisophische „Deuter“ haben keinen einen Saturn entsprechenden südgermanischen Gott namens „Sams“ postuliert, der im alten Norden als „Lör“ verehrt worden wäre.
Der althochdeutsche „sambaztag“ zeigt deutlich, dass der „Samstag“ vom „Sabbat“ abstammt, während englisch „Saturday“ wohl direkt auf „Saturn“ zurückgeht.
Von schwedischen und deutschen Nationalromantikern und Germanentümlern, die unbedingt für jeden Wochentag einen nordischen Götternamen haben wollten, wurde „lördag“ als „Tag des Loki / Lodur/ Lokje“ gedeutet. Abgesehen davon, dass der schlaue Trickstergott und göttliche Chefchaot Loki sehr wenig mit Saturn gemeinsam hat, hilft ein Blick auf den altnordischen Namen weiter: „lauga“ bedeutet: „Lauge“, im Sinne von „Seifenlauge“. Damit ist eine Deutung als „Waschtag“ naheliegend, zumal Waschtag auf altschwedisch „löghar dagher“ heißt.
Martin Marheinecke
Literatur (Auswahl):
Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. Kröner, Stuttgart 1984
R. L. M. Derolez: Götter und Mythen der Germanen, F. Englisch Wiesbaden, 1976, in Lizenzausgabe des Benziger-Verlags Zürich / Köln (o. J.).
(Original: De Godsdienst der Germanen, J. J. Romen & Zonen, Roemond, 1959)
Michael Avi Yonah, Israel Shatzman: Enzyklopädie des Altertums, Athenäum Verlag, Frankfurt a. Main, 1986
L. P. Wilkinson: Rom und die Römer- Porträt einer Kultur, Gustav Lübbe Verlag, Bergisch-Gladbach, 1979.
(Original: The Roman Experience, Alfred A. Knopf, London, 1974)
Gerhard J. Bellinger: Knaurs Lexikon der Mythologie, Droemer Knaur Verlag, München, dritte überarbeitete Auflage 1999
(Erfordert etwas Skepsis!)
Hier hätte ich eine Detailfrage:
„…der aus dem persischem Raum stammende Mysteriengott Mithras sehr beliebt geworden, auch er galt als ein Sonnengott.“
Ich bin jetzt sicher nicht der Experte, aber Bei besuchen in Mithräen unserer Region und den Interpretationen der bekannten Tafeln ist meines Wissens immer Sol als „Beigott“, als Widerstreiter, mit dem sich Mithras später versöhnte, dargestellt. Demanch kann Mithras ja selbst nicht der Sonnengott gewesen sein.
Dieser Mythos entstammt ja aus der Erkenntnis der sich wandelnden astronomischen Zeitalter, wo das Neue das Alte, welches durch Sol dargestellt wurde, „gefressen“ oder besiegt habe.
Wie kommt es nun zu der Aussage, dass Mithras ein Sonnengott war?
Mit freundlichen Grüßemn und danke für den interessanten Artikel, Vailos
Vielen Dank für die interessante und kenntnissreiche Frage.
Der „römische“ Mithras weist große Unterschiede zum persischen Mithra auf. Soviel ich weiß, war Mithra im altpersischen Reich ein Gott des Rechtes, zur Zeit der Parther kam auch noch der Aspekt des Licht- bzw. Sonnengottes hinzu. Das Konflikt- und Versöhnungsmotiv zwischen Mithra und dem Sonnengott, der dann „Beigott“ wurde, könnte, vermute ich, aus dem Zoroastrismus stammen, der ja stark dualistische Tendenzen hat, aber mit dieser Religion kenne ich mich nicht besonders gut aus.
Der Mithraismus, wie er in den im europäischen Raum erhaltenen Mithräen praktiziert wurde, war wahrscheinlich in weiten Teilen eine römische Neuschöpfung, über die, weil er eine Eingeweihten vorbehaltene Mysterienreligion war, ziemlich große Unsicherheit besteht. Jedenfalls gewinne ich aus der von mir gelesenen Literatur den Eindruck, dass fast alles, was über den Mithraismus behauptet wird, höchst umstritten sei.
MartinM
Ich war letztens in einem Mithräum in Königsbrunn (Nähe Augsburg). Der archäologische Verein dort ist sehr aufgeschlossen und äusserst engagiert. Und sie haben sehr beeindruckende Erklärungen zu vielen Fragen den römischen Mithraskult betreffend.
Im Grunde gibt es nur zwei Quellenlagen – einmal christliche Quellen, die sich abfällig über den „Konkurrenzkult“ äussern (obgleich ja auch von diesem Kult einiges übernommen wurde – der Begriff „Pastor“ kommt aus dem mithräischen Kult), und zweitens die bekannten Bildtafeln, die die Mythen dieses Kultes erzählen.
Diese Bildtafeln zu interpretieren fiel lange Zeit recht schwer, weil oft viel zu viel zu viel hineininterpretiert wurde. Auch bei uns Celtoi hat man allerdings etwas verblüfft festgestellt, dass, wenn man die Lebensumstände und Lebensführung von Kulthandelnden berücksichtigt, einiges ganz einfach erklärbar ist. So fällt die Gottheit Esus auf der Pariser Nautilensäule, die von der Schiffahrtsgilde gestiftet wurde, keine Weltenbäume – sondern es wird schlicht die Arbeit eines antiken gallorömischen Treidlers dargestellt. Was der Bedeutung des Esus eine ganz neue Btrachtungsweise bietet.
Und genau auf dieser Basis wird nun auch die Bildtafel betrachtet. Der Mithräuskult beschreibt vor allem astronomische Zusammenhänge, die bildlich in Mythen dargestellt werden. Unter diesem Blickwinkel bleiben kaum noch Fragen. Und interessant ist eben die Darstellung der zweiten Gottheit – der römische Sol – als Widerstreiter und späterer Verbündeter.