Früheisenzeitliche Siedlung in Schleswig-Holstein entdeckt
Bei Wittenborn im Kreis Segeberg wurden die Überreste eines ungefähr 2500 Jahre alten Hauses entdeckt, außerdem Spuren eines zweiten, noch undatierten, Hauses und eines Grabens, dessen Zweck noch rätselhaft ist. Am selben Ort fanden die Archäologen außer diesen eisenzeitlichen Spuren auch Überreste eines Lagerplatzes aus der jüngeren Altsteinzeit.
Wie leider fast alle großflächigen archäologischen Ausgrabungen sind auch die Grabungen bei Wittenborn „Rettungsgrabungen“. Die Archäologen hoffen, dass sie bis Ende 2009 rund um Bad Segeberg noch weitere Spuren der Vorzeit freilegen und bergen können. Danach wird dort die Verlängerung der Autobahn A 20 gebaut.
Das Grabungsteam um den Archäologen Dr. Ingo Lütjens legte ein Gräberfeld frei, auf dem anhand der Urnenreste 20 Bestattungen nachgewiesen werden konnten, und fand 1,50 Meter unter der heutigen Oberfläche eine Ofenanlage, die der Archäologe aufgrund der Keramikfunde auf 250 bis 50 v. u. Z. datieren konnte.
Die erste „kleine Sensation“ war das erste vorrömische eisenzeitliche Haus, das man in Schleswig-Holstein fand – bzw. dessen Fundamentreste. Das Haus muss zwischen 500 bis 200 v. u. Z. erbaut worden sein. Inzwischen wurde auch Pfostenlöcher eines zweiten, noch undatierten Hauses gefunden. Das Haus war von beachtlicher Größe: 13 Löcher markieren seinen auch für den Laien deutlichen Grundriss. Das erste Haus hatte eine Breite von 6 Metern und eine Länge von mindestens 23,50 Metern. Vermutlich lebten Menschen und Tiere unter einem Dach. Beide Häuer sind wahrscheinlich dreischiffige Langhäuser. Vom Typus her entsprechen die Häuser damit den späteren jütländischen und altsächsischen Bauernhäusern. Das zweite Haus war noch länger als das erste, wie lang, ist noch ungeklärt, da es an der (derzeitigen) Grabungsgrenze steht.
Die beiden Häuser waren ost-westlich ausgerichtet, um bei den vorherrschenden Westwinden keine große Angriffsfläche zu bieten.
In einer der „Pfahlgruben“ bzw. Pfostenlöcher wurden die Reste eines verkohlten hölzernen Stützbalkens geborgen. Das könnte, mittels C-14-Analyse und Dendrochrologie, eine genaue Datierung möglich machen.
Eine weitere kleine Sensation ist der Fund eines Grabens. Er beginnt an einer Ofenanlage, in der Eisen verhüttet wurde, und verläuft von der Siedlung gradlinig auf das Fahrenkruger Moor zu. Inzwischen sind 572 Meter des Grabens freigelegt. Obwohl er nur 50 bis 100 Zentimeter breit und nur ungefähr 100 Zentimeter tief ist, vermutet Lütjens, dass er eine Art Wegsperre gewesen sein könnte. Er hält es für möglich, dass vielleicht im Aushub Holzpalisaden steckten. Sie sind zwar nicht nachgewiesen, würden aber zumindest eine Sperre darstellen. Da diese Gegend Teil eines weitläufigen Niederungsgebietes war, könnte die Stelle, an der der Graben verlief, ein gut passierbarer Durchgang gewesen sein und sozusagen strategische Bedeutung gehabt haben. Er könnte auch ein kleines Siedlungsterritorium abgegrenzt haben, meint Lütjens. Dagegen ist sicher, dass der Graben nicht mit Wasser gefüllt war, da der Grund zu kiesig ist. Gesichert ist auch, dass der Graben schon zur frühen Eisenzeit bestanden haben muss, denn darauf weisen Eisenschlacken hin, die das Grabungsteam als Auflagerungen in der Erde fanden.
Lübecker Nachrichten: Sensationelle Spuren der Vergangenheit entdeckt.
Hamburger Abendblatt: Sie retten Geschichte vor der Autobahn.
Abschließend ein paar persönliche Anmerkungen: Ich empfinde es geradezu als kulturelle Schande, dass größere archäologische Ausgrabungen in Deutschland praktisch nur noch als Rettungsgrabungen stattfinden – und das meistens auch noch unter erheblichem Zeitdruck, praktisch vor den Baggerschaufeln. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Trasse der A 20 verlegt werden würde, wenn sich die Funde als noch sensationeller erweisen würden, als sie es jetzt schon sind.
Eine weitere Frage ist die nach der „Volkszugehörigkeit“ der eisenzeitlichen Bewohner des heutigen Landkreises Segeberg vor ca. 2500 Jahren. Die Häuser entsprechen in ihrer Bauweise denen von Menschen, von denen wir wissen, dass sie der Sprache und Kultur nach germanisch waren. Dennoch würde kein seriöser Althistoriker von „germanischen Häusern“ sprechen. Warum?
Das entscheidende Merkmal der „Germanen“ ist ihre Sprache. Da keine Inschriften der Erbauer gefunden wurden, und auch nicht zu erwarten sind, wissen wir aber nicht, welche Sprache die Erbauer der bei Wittenborn gefundenen Häuser sprachen. Sie könnte z. B. eine Sprache gesprochen haben, die die „Erste germanische Lautverschiebung“ noch nicht mitgemacht hatte.
Wahrscheinlich gehören die Funde zur Jastorfkultur, aber selbst dazu müssten noch weitere Funde, die Rückschlüsse auf die Kultur erlauben, gemacht werden.
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die „alten Wittenborner“ einer Kultur angehörten, die wir heute „germanisch“ nennen würden. Aber es ist gewiss, dass sich diese Menschen niemals selbst „Germanen“ nannten.
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