„Dunkle Jahrhunderte“ waren gar nicht so dunkel
Die „Dunklen Jahrhunderte“: In der Übergangsphase von Bronzezeit zur Eisenzeit waren die meisten Kulturen rund um das Mittelmeer mehr oder weniger zusammengebrochen; Brandschichten und aufgegebene Siedlungen zeugen von plötzlichen und wahrscheinlich gewaltsamen Umbrüchen. Erst Mitte des 8. Jahrhunderts v. U. Z. keimten wieder Schriftlichkeit und Handel auf.
Aber offensichtlich waren nicht alle Kulturen des Mittelmeerraums von den „Dunklen Jahrhunderte“ gleichermaßen betroffen. Das berichteten jedenfalls Archäologen des Tayinat Archaeological Project um Timothy Harrison von der University of Toronto.
Die Forscher stützen sich dabei auf ihre Ausgrabungen in der südöstlichen Türkei, bei denen unter anderem ein gut erhaltener, monumentaler Tempel zum Vorschein kam. Im jetzt ergrabenen Tell Ta’yinat nahe der Stadt Antakya, dem antiken Antiochia, seien keine Spuren einer derartigen Katastrophe erkennbar, so die Forscher.
Mehr: „Dunkle Jahrhunderte“ doch nicht so dunkel (wissenschaft-online)
Was die „Dunklen Jahrhunderte“, die von 1200 v. u. Z. – etwa der Zeit, in der der „Trojanische Krieg“ zwischen Angehörigen der mykenischen Kultur aus Griechenland und der Hethiter aus Anatolien stattfand – und dem 8. Jahrhundert v. u. Z., als Homer seine Epen über diesen Krieg schrieb – letztendlich auslöste, ist in Archäologenkreisen nach wie vor umstritten.
In populären Darstellungen und in Schulgeschichtsbüchern dominiert dabei die Ansicht, dass das Vordringen der „Seevölker“, oft „Seevölkersturm“ genannt, zum Zusammenbruch so vieler bronzezeitlichen Hochkulturen führte. (Das entspricht ziemlich genau der „Barbaren-Invasionstheorie“ des Niedergangs des Römischen Reiches rund 1600 Jahre später.) Andere Theorien gehen von gesellschaftlichen Instabilitäten aus, andere stellen wiederum den Zusammenbruch des bis Britannien reichenden Fernhandels mit Zinn und Kupfer in den Mittelpunkt, als Bronze als Werkzeug- und Waffenmaterial vom nicht nur härteren, sondern auch leichter verfügbaren Eisen abgelöst wurde. (Wobei ausgerechnet die schon gut 500 Jahre lang Eisen verwendenden Hethiter, die bis zum Untergang ihres Reiches ein Monopol für gehärtetes Eisen bzw. primitiven Stahl besaßen, zu den ersten Opfern des Zusammenbruchs gehörten.) Daneben wird auch eine weiträumige Naturkatastrophe diskutiert – tatsächlich wurde das Klima um 1200 trockener – und gesellschaftliche Instabilitäten. Wahrscheinlich wirkten alle diese Faktoren auf einmal.
Fest steht, dass sich nach dem Untergang des Hethiter-Reiches das „Know-How“ erfolgreicher Eisengewinnung und -Bearbeitung in den „Dunklen Jahrhunderten“ rasch ausbreitete.
Interessant, aber noch weitgehend unklar, sind auch die Auswirkungen der „dunklen Jahrhunderte“ auf Mittel- und Nordeuropa. Fest steht allerdings, dass es hier keinen Zusammenbruch der im alles andere als „primitiven“ spätbronzezeitlichen Kulturen gab.