Die ersten skandinavischen Bauern waren moderner als gedacht
Die ersten Bauern in Dänemark und Schweden wussten sehr genau, wie man effizient Vieh züchtet. Vieles deutet darauf hin, dass die Landwirtschaft im jungsteinzeitlichen Nordeuropa viel weiter entwickelt war, als bisher angenommen.
Vor etwa 6000 Jahren zogen Siedler aus Regionen Mitteleuropas, in denen sich bereits Viehzucht und Ackerbau durchgesetzt hatten, ins heutige Dänemark und Schweden. Sie brachten Kenntnisse und landwirtschaftliche Erfahrung mit, die sie mit den eingesessenen Jägern und Sammlern teilten. Innerhalb von etwas 300 Jahren entstand eine gut entwickelte Agrargesellschaft.
Forscher der Universität Durham in England untersuchten auf die Zeit um 3950 v. u. Z. datierte Rinderzähne aus Südschweden.
Die Zähne zeigen, dass die frühen Bauern das Problem, dass Kühe normalerweise im Frühjahr kalben, gemeistert hatten. Sie konnten das Kalben so manipulieren, dass sie das ganze Jahr über Milch zur Verfügung hatten. Das ist nicht einfach und erfordert viel Erfahrung in der Rinderzucht.
In der neuen Studie analysierten die Forscher die Sauerstoff-Isotope in den Zähnen von prähistorischen Rinder aus Almhov, in Südschweden. Die Isotope werden in die Zähne eingebaut, wenn die Jungrinder Wasser trinken. Diese chemische Signatur bleibt auch nach dem Tod der Rinder erhalten. Der Gehalt der Isotope im Trinkwasser variiert im Laufe eines Jahres. Die Analyse der Isotopen erlaubt es, festzustellen, in welcher Jahreszeit ein Kalb geboren wurde. Damit konnte bewiesen werden, dass die jungsteinzeitlichen Bauern tatsächlich den Zeitpunkt der Empfängnis der Kühe – und damit des Kalbens – manipulieren konnten, was wiederum zeigt, dass sie eine „moderne“ Rinderzucht mit getrennt gehaltenen und gezielt den Kühen zugeführten Zuchtbullen hatten. Bis zur Erfindung der künstlichen Besamung hat sich daran später nichts geändert.
Bisher glaubten die meisten Forscher, dass die frühe Landwirtschaft Nordeuropas primitiv gewesen sein müsste, weil die Bauern an vielen ihrer Jäger-und-Sammler-Traditionen festgehalten hätten.
Nach Angaben von Lasse Sørensen, Postdoc am Dänischen Nationalmuseum und Experte für die Übergangszeit zur Landwirtschaft, war die damalige Landwirtschaft sehr weit fortgeschritten.
Kalben in verschiedenen Jahreszeiten bedeutete, dass die Bauern das ganze Jahr über Milch zur Verfügung hatten. Nach Sørensen hätten die jungsteinzeitlichen Nordeuropäer schon sehr früh Dickmilch, Joghurt, Butter und Käse herstellen können – denn ohne Milchwirtschaft ist es wenig sinnvoll, das ganze Jahr über Milch zu haben.
Sie müssen auch in der Lage gewesen sein, Futter für das Vieh zu sammeln und die Fütterung so zu planen, dass die im Herbst und Winter geborenen jungen Kälbern überlebten und die Mutterkühe ständig genug Milch gaben. All diese Dinge benötigten Gebäude, Werkzeuge und Fähigkeiten, die die einheimischen Jäger und Sammler nicht in so kurzer Zeit selbst hätten erfinden können. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass die „Landwirtschaftliche Revolution“ sozusagen fix und fertig von den Einwanderer mitgebracht und verbreitet wurde.
Sørensens Schlussfolgerungen werden nicht von allen Fachwissenschaftlern geteilt, die weiterhin von einem allmählichen Übergang vom „Wildbeuter“ zum „Ackerbauern und Viehzüchter“ ausgehen.
Ausführlicher Artikel auf ScienceNordic (englisch): First Scandinavian farmers were far more advanced than we thought
Artikel auf Videnskap.dk (dänisch) Forskere: Første skandinaviske bønder var langt mere avancerede end troet
Die Studie von Kurt J. Gron, Janet Montgomery und Peter Rowley-Conwy (University of Durham): Cattle Management for Dairying in Scandinavia’s Earliest Neolithic (PLOS)