Die „Bild-Schatzsuche“, die Maya, Wikinger und Atlantis
Die „Schatzsucher“-Aktion der BILD ist ein Skandal.
Die Stellungnahme deutschsprachiger Mesoamerikanisten zur BILD-Schatzsuche in Guatemala lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
In der Stellungnahme heißt es:
Die Vorgehensweise der BILD-Schatzsucher ist aus Sicht deutscher Wissenschaftler/-innen skandalös und entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage. Die Durchführung dieses auf Effekthascherei zielenden Unternehmens und das damit in Deutschland wie in Guatemala verbundene Medienecho schaden der über viele Jahre aufgebauten guten Zusammenarbeit zwischen den Forschungsinstitutionen beider Länder. Darüber hinaus beschädigen sie das Ansehen Deutschlands in Guatemala und gefährden die archäologischen Hinterlassenschaften der antiken Maya-Kultur, welche in Zukunft wegen der nun dort vermuteten Goldschätze noch stärker geplündert werden.
Auch wenn die „BILD“-Aktion bereits beendet ist: das Grundproblem solcher „Schatzsuchen“-Aktionen und des pseudowissenschaftlichen Hintergrundes bleibt über den aktuellen Fall bestehen.
Ich traue der Initiatoren dieser Aktion so viel Zynismus zu, dass ihnen das deutsche Ansehen und das Ansehen der Archäologie in Guatemala völlig egal ist, und auch Raubgrabungen in Folge der „Schatzsuche“ sie eher kalt lassen.
(Siehe hierzu auch: Ein Musterbeispiel für Raubgräbermentalität.)
Ganz nebenbei liefert die BILD auch noch einen Beitrag zum unerschöpflichen Thema „kommerz-esoterische Ausbeutung traditioneller Stammeskulturen“: „Hier segnet ein Schamane die Schatzsucher von BILD“. Hoffentlich hat er sich wenigstens gut dafür bezahlen lassen …
Ein hässliche Sache. Sie wird aber noch hässlicher – und zwar auf eine Weise, die unmittelbar zu den „ständigen Baustellen“ von „Odins Auge“ führt:
Zum Hintergrund: Joachim Rittstieg ist ein selbsternannter Maya-Forscher, der sich mit seinen Thesen und Untersuchungsmethoden außerhalb der Regeln des guten wissenschaftlichen Arbeitens bewegt. Seine Thesen weisen Bezüge zur Atlantis-Mythologie auf. Sie beinhalten zudem deutlich völkisch-rassische Züge und basieren auf der esoterisch verklärten Vorstellung von einer überlegenen nordisch-germanischen Ur-Kultur, die sich einst in alle Welt verbreitete. Es ist bedauerlich, dass sich eine große überregionale deutsche Zeitung zum Sprachrohr für diese abwegigen Thesen macht.
Der Lago de Izabal und die umliegende Region in Guatemala sind bereits in den vergangenen Jahrzehnten gut erforscht worden. Weder archäologische Spuren noch Schriftzeugnisse aus der frühen Kolonialzeit verweisen auf eine unbekannte Maya-Stadt namens „Atlan“, deren Name frei erfunden ist. Goldverarbeitung in Form der von Rittstieg beschriebenen Tafeln hat es in der antiken Maya-Kultur überhaupt nicht gegeben.
Inzwischen ist die Expedition aufgebrochen – offenbar sogar ohne Suchgenehmigung: Jäger des verlorenen Quatsches (Süddeutsche Zeitung).
Auf dem Portal „Atlantisforschung“ erfährt man mehr über die Ansichten und Vermutungen Joachim Rittstiegs. Obwohl er auf den ersten Blick einer von zahlreichen vor allem von sich selbst sehr überzeugten, aber argumentativ eher wenig überzeugenden „Atlantis-Spinnern“ ist, und sich noch keine direkten Hinweise daraus ergeben, dass er „völkisch-rassisch“ denkt, lässt eine Passage aufhorchen:
Für Joachim Rittstieg, der eindeutige Anhaltspunkte für die Präsenz von Wikingern im präkolumbischen Guatemala sieht, steht jedenfalls weitgehend fest, dass es sich bei dem in der Edda beschriebenen Asgard (= ANDLAN = Andlang), dem Atlan / Platons Atlantis um ein und den selben, letztlich alles andere als – im gängigen Sinn des Wortes – „mythischen“, Ort gehandelt hat.
Nun sind auf bloße Wortähnlichkeiten beruhende Namensdeutungen wie das Durcheinanderwerfen von Kulturen und Chronologien für rechtsesoterische „Germanenspinner“ ausgesprochen typisch, aber das ist noch kein Beweis, dass Rittstieg tatsächlich in diese bräunliche Ecke gehört. Auch dass er den Wikingern Einfluss auf die prä-kolumbianische Kultur der Maya (die zu dieser Zeit schon in der Nachblüte stand ) zuspricht, ist noch kein Beweis für völkisch-rassische Gesinnung.
Dafür gibt es Hinweise, wie es um die von ihm behauptete Sachkenntnis bestellt ist:
Wenn er tatsächlich Maya-Kenner ist (nach eigenen Angaben beherrscht er die Maya-Sprache Quiché) und das Popol Vuh gründlich (vielleicht sogar in der Originalsprache) gelesen hat, dann wundert es mich doch ein wenig, dass er die mythische Ursprungsstadt der Quiché, Tulan Zuiva (in gewisser Hinsicht das Gegenstück zur Stadt Aztlán in der Mythologie der Azteken) aus irgend einem Grunde „Atlan“ nennt. Ich habe nur ein ziemlich zerfleddertes Reclam-Heft „Aztekische und Maya-Mythen“ (von Karl Taube) gelesen, und kenne auch die Edden nicht im Original – aber irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass Rittstieg auch nicht gerade Fachmann auf diesen Gebieten ist.
Nebenbei ist die kühne Annahme, Wikinger hätten es bis nach Yucatan geschafft, meines Erachtens noch die seriöseste Annahme in Rittstiegs Hypothesengebäude. Ich wüsste aber gerne, wie er aus dem von ihm interpretierten Maya-Kalender, der Lieder-Edda, dem Popol Vuh und offensichtlich einigen der Wissenschaft bisher unbekannten Quellen solche detaillierten Aussagen schöpft: (An alle Freunde der nordischen Mythologie: Beisshölzer und Stirnschutz bereithalten!):
Wikinger bei den MAYA
Am 15. Aug. 754 n. Chr. landeten erstmalig 6 Wikinger-Schiffe mit 120 Mann Besatzung bei den MAYA in Mittelamerika, südlich der Insel Cozumel bei der heutigen Ruinenstätte TULÚM.
(Dieses Datum steht auf der Begrüßungsstele Nr. 29 in Tikal / Guatemala, die den Anführer als Regenbringer bzw. als Regengott „Chac“ darstellt.)
„Ihr Anführer war M a x ,“ heißt es in der Maya – Überlieferung.
Die heute lebenden Maya nennen ihn K u k u l c a n .
(Der Mann, der im Kahn ankam und sich durch den Ruf „Kuckuck“ mit seinen Kriegern im Urwald verständigte.)
Die heute lebenden Azteken nennen ihn Q u e t z a l c o a t l .
(Der Mann mit den grün gefiederten Schlangenbooten: „Grün gefiedert“ wie die Flügel eines Albatros sahen die Ruder aus; „Schlange“ bezieht sich auf den typischen Bugsteven aller Wikingerschiffe.)
Heutige Archäologen und Amerikanisten nennen ihn Y a x K ú k M ó .
In der Nordischen Mythologie wird er als weltlicher Herrscher
T h o r genannt und in seiner Funktion als oberster Richter
B a l d u r .
Er wurde am 3. Juni 726 n. Chr. in KIL / Jütland / Nordeuropa geboren, genauso wie sein Zwillingsbruder K i m .
KIL war eine Pfahlbau – Siedlung der Wikinger im Ostsee – Fjord
Schlei. KIL war die Vorgängerstadt von Haithabu (= Hedeby).Der Großvater der Zwillinge, der Wane Argonthiu, hatte in Jütland eine Schlacht gegen den Asa – Fürsten verloren. Dieser hatte – von jenseits des Atlantiks kommend – zunächst Schottland erobert
und von dort aus seine Angriffe auf Norwegen, Schweden und Jütland gestartet. Hönir mit seinem Gefolgsmann Loki wurde in KIL als Statthalter eingesetzt.Argonthius jüngster Sohn Carl von Jütland (= Odin) mußte (ca. 717 n. Chr.) die Tochter das Statthalters Ag (= Fjörgyn) heiraten. Die Zwillinge waren die Söhne dieses Herrscherpaares: Odin und Fjörgyn.
Max‘ Zwillingsbruder Kim (= Thors‘ Zwillingsbrurder Njörd) war als Geisel genommen worden (als Sicherheitspfand für regelmäßige Tribut – Zahlungen) und wurde als Gefangener festgehalten in der Burg des Eroberers auf der Insel im Izabal-See in Guatemala / Mittelamerika.
Quelle: Joachim Rittstiegs Internetpräsenz Asgard-Atlan.de.
Ich denke, als Kostprobe reicht das. Es wird nicht besser. Rittstieg stellt auch in den anderen Teilen seiner Website einfach Behauptungen ohne Belege in den Raum.
Zu den linguistischen Schlüssen, auf die er in seinem Hauptwerk „ABC der Maya“ kommt, fand der „Spiegel“ schon vor über 10 Jahren den passenden Kommentar: Da bist du platt (Spiegel 6/2000) Rittstieg behauptet, seine Muttersprache, das Angeliter Platt und das Zuyuá than (Sprache der „Maya-Weisen“) seien fast identisch.
Ich fand keine Hinweise darauf, dass Rittstieg ein besonders herausragender Vertreter einer völkisch-rassischen Weltanschauung wäre. Oder anders ausgedrückt: auf diesem Gebiet gibt es weitaus Schlimmere.
Dennoch ist die Behauptung, seine Thesen
beinhalten zudem deutlich völkisch-rassische Züge und basieren auf der esoterisch verklärten Vorstellung von einer überlegenen nordisch-germanischen Ur-Kultur, die sich einst in alle Welt verbreitete
nicht ganz von der Hand zu weisen. Rittstieg ist eindeutig ein Verfechter eines „germanischen“ Atlantis, und „nordische Kulturbringer“ gibt es bei ihm auch, wenngleich seine Thesen nicht ohne weiteres dem rechtsesoterischen Ario-Atlantismus zugerechnet werden können. Eher schon muten sie wie eine Parodie auf „ario-atlantische“ Autoren wie Herman Wirth an. Ob Rittstieg nur ein „Germanenspinner“ oder ein „Germanenspinner mit rechtsextremer Agenda“ ist, wage ich nicht zu beurteilen.
Ich halt es für durchaus möglich, dass Rittstieg tatsächlich einen sehr aufwendigen Scherz macht, sich insgeheim über die Aufregung über seine schrägen Thesen köstlich amüsiert und dass die BILD-„Expedition“ für ihn nur ein bezahlter Abenteuerurlaub ist.
Egal, ob Rittstieg seine Behauptungen selbst glaubt oder den leichtgläubigen Lesern nur einen gewaltigen Bären aufbindet, ob er rechtsextremistisch ist oder nicht: da hat die BILD genau den Expeditionsleiter gefunden, den sie verdient!
Liest sich als hätte ein Esospinner Monthy Pythons „Erik der Wikinger“ und „Apocalypto“ auf einem Mix von stark bewusstseinsverändernden Substanzen gesehen und sich „Notizen“ gemacht.
Was aus der „BILD-Schatzsuche“ wurde (beim BILDblog):
Wie BILD einmal keinen Schatz fand
Wie Bild einmal keinen Schatz fand Teil 2
Mir drängt sich ebenfalls der Verdacht auf, da mache sich dieser Rittstieg einen schönen Scherz. Okay, wissen kann mans nicht. Aber gerade der zitierte Abschnitt „Wikinger bei den Maya“ liest sich für mich eher wie eine Vorlage für einen drittklassigen History-Roman als alles andere.