Die Ætt im Laufe der Zeiten
Wir nannten uns bei unserer Gründung 1995 „Hrafnsgaldr Fylki” und man nannte uns einfach die „Ásatrú im Rabenclan”.
1997 reichte uns das nicht mehr, wir wollten auch Menschen bei uns aufnehmen können, die nicht dem Verein Rabenclan angehörten. Daher komplettierten wir unsere Verfassung zu einer eigenständigen und gaben uns einen neuen Namen. Wir verwarfen alle Vorschläge, die Gottheiten im Namen trugen: da die persönlichen Zu- oder Abneigungen da sehr unterschiedlich ausfallen können und wir niemanden eine Gottheit aufdrängen wollen, mit der die oder der Betreffende vielleicht gar nix am Hut hat. So kamen wir auf die Nornen, die als personifizierte Schicksalsmächte „über den Göttern” stehen – und „Ætt” meint einfach (sowas wie) „Familie”: im Sinne einer quantitativ überschaubaren, aber verbindlichen Gemeinschaft.
Das Wyrdi symbolisiert die Struktur der Nornirs Ætt
Jedenfalls funktioniert die konsensdemokratische Struktur, die wir unserer Gemeinschaft gaben. Sie ermöglicht es, wie sich in Praxis immer wieder zeigte, auf in unserer „Alltagskultur” ganz ungewohnte Weise, selbst herbe Streit-, Zwischen- und Unfälle einvernehmlich und „rückstandsfrei” zu regeln. Das Engagement für Menschenrechte, für Demokratie und gegen Rechtsextremisten war von Anfang an eine unserer Kernkompetenzen. Ja, wir sind politisch!
Lange Zeit gab es nur ein Fylki, eine Thinggemeinschaft, das Hrafnsgaldr Fylki. Und wer in die Ætt eintrat, trat auch in ein Fylki ein – aber es gabe eben nur das Eine, in das man eintreten konnte. Das führte damals zu Unklarheiten, wo denn nun genau der Unterschied lag.
Das änderte sich schließlich und endlich mit der Gründung des Dagans Viðri als zweitem und der Tyrs Dreka als drittem Fylki. Gedacht waren diese Fylkis als regionale Gruppen, heute erstreckt sich der Bereich, in den die Menschen des ursprünglich „fränkischen Fylkis” Dagans Viðri umzugs- und neubetrittsbedingt hausen, über ein ebensogroßes Gebiet wie das „verteilte Fylki” Hrafnsgaldr. Das „westfälische Fylki” Tyrs Dreka hatte und hat tatsächlich seinen Schwerpunkt im Westfälischen. Es ist seit 2009 nicht mehr Teil der Ætt. Wir sind trotzdem Freunde geblieben.
Im Januar 2005, vor etwas über 10 Jahren also, beendete die Nornirs Ætt ihre bis dahin enge Zusammenarbeit mit dem Rabenclan. Ursache war, dass der Rabenclan sich in eine Richtung entwickelte, in die „Ættlinge” nicht gehen wollten. Da gingen wir lieber selbst.
Damals waren wir auf einen Kern von Leuten, die aber auch sicher wussten, dass die Ætt „ihr Ding“ ist, „gesundgeschrumpft”. Seither stießen viele „Neue” dazu – und einige traten auch wieder aus.
2008 / 2009 bewährte sich unsere Struktur, die auch ein Auseinandergehen ohne persönliches Zerwürfnis ermöglichte, als die Tyrs Dreka selbstständig machte. Bei starreren Strukturen, etwa denen eines eingetragenen Vereins, hätte das auch anders ausgehen können …
Seit dem Althing 2012 hat die Nornirs Ætt wieder drei Fylkis. Das neue Fylki heißt „Yöð Volt”, was soviel wie „frischer Wind” bedeutet und ist von vornherein als „Cyber-Fylki” konzipiert – was persönliche Treffen nicht ausschließt, im Gegenteil!
Mit neuen Mitgliedern kamen auch neue Themen in die Nornirs Ætt. Wobei sich immer wieder erwies, dass vieles, was in der „normalen” Gesellschaft wenn nicht als „unmöglich”, dann wenigstens als „sehr schwierig” gilt, bei uns völlig selbstverständlich klappt. Inklusion einer Rollifahrerin? Kriegen wir hin! Mehr als zwei Geschlechter? Kein Problem! Bei uns gibt es Veganer_innen und begeisterte Fleischesser_innen. Das regeln wir bei unseren Treffen ganz pragmatisch und polemikfrei. Auch politisch sind wir, entgegen anderslautender Gerüchte, keineswegs immer einer Meinung. Einheitssuppe ist langweilig, Vielfalt beflügelt und Abschottung ist das denkbar „Ungermanischte”, was man sich denken kann.
Wir sind die Ætt. Wir sind klein und groß, wir sind dick und fett, und wir sind dünn und lang und dürr. Wir sind jung und alt. Wir sind dunkel und hell, rot, grau, blond, schwarz, brünett. Wir sind hetero, lesbisch, schwul, bi und noch vieles mehr.
Und bei all dem sind wir, das wissen die Götter und Göttinnen, kein „Utopia” und schon gar keine nach außen auf Harmonie gebürstete, nach innen stramm autoritäre „Religionsgemeinschaft”. Auch wir zoffen uns, manchmal heftig. Aber unsere selbst gegebene Struktur trägt uns. Und wir tragen sie.
Wir sind wenige, aber stark. Wir sind die Nornirs Ætt!
Eibensang & MartinM
Pingback: Mai sei! – Und die Ætt hat Geburtstag - Asatru zum selber Denken - die Nornirs Ætt