Wissenschaft

Alte DNA enthüllt Einfluss der Wikinger auf Flora und Fauna

Die Fahrten der Wikinger führten nicht nur zu Plünderungen und kulturellem Austausch. Sie brachten Pflanzen und Tiere nordeuropäischer Herkunft in die von ihnen besuchten (bzw. heimgesuchten) Länder und brachten fremde Flora und Fauna in ihre Heimat zurück.

Sanne Boessenkool und Anneleen Kool, Evolutionsbiologen an der Universität Oslo erforschen, wie die wikingerzeitlichen Reisen zur Verteilung des genetischen Materials und der Entwicklung der Artenverteilung beitrugen. Ihr Schlüssel dazu ist die DNA von Flachs, Gerste und Pferde aus der Wikingerzeit.

Schon lange wäre, nach Angaben der Forscherinnen, bekannt gewesen, dass exotische Gewürze, Seide und andere Waren in der Wikingerzeit nach Skandinavien importiert wurden. Aber wir wüssten wenig über den genetischen Hintergrund der Pflanzen und Tiere, die die Wikinger mitbrachten, und welche beabsichtigten und unbeabsichtigten Folgen das hatte.

Boessenkool entschied aus mehreren Grunden dafür, das Genom von Pferden aus der Wikingerzeit zu erforschen. Pferde waren für den Transport und für Reisen unentbehrlich und bei religiösen Zeremonien wichtig. Pferde waren Grabbeigaben in Fürstengräbern, wie den Schiffsgräbern von Oseberg und Gokstad. Wikinger nahmen auf ihren Schiffsreisen Pferde mit, die Pferde auf Island und den Orkney-Inseln stammen von norwegischen Vorfahren ab.
Einige der Fragen der Biologinnen sind: „Welche Gemeinsamkeiten haben Pferde aus der Wikingerzeit an verschiedenen Orten und welche Verbindungen gibt es zwischen ihnen? Wie haben sie genetisch verändern und wie viel wikingerzeitliches genetisches Material findet man in modernen Pferden?“

Gerste und Flachs sind ebenfalls überall zu finden, wo Nordeuropäer siedelten. Eine archäologisch interessante Frage wäre, ob der in der Wikingerzeit Flachssorten, die hauptsächlich für die Gewinnung von Öl gezüchtet waren, oder solche, die sich gut als Ausgangsstoff für Textilien eigneten, angebaut wurden.
Ähnliches gilt für Gerste: Wurde sie in erste Linie als Brotgetreide, für Brei oder zum Bierbrauen angebaut? Welche Anbaumethoden wurden verwendet und wann wurden Änderungen vorgenommen?

Old DNA reveals Viking impacts on flora and fauna (Sciennordic)

Vikinghagen („Wikingergarten“ am Naturhistorischen Museum der Universität Oslo)

Kommentar: Forschungsprojekte dieser Art stehen oft im Verdacht, „Orchidenforschung“ zu sein, im Sinne von „ungewöhnlich, aufwendig, schön – aber im Grunde überflüssig“. Dass diese Untersuchungen Licht in Fragestellungen der Frühmittelalter-Archäologie bringen, wird diejenigen, die auch an diese Forschungrichtung mit dem Maßstab der unmittelbaren Nützlichkeit herangehen, wenig überzeugen – und überhaupt nicht jene, die bei jeder Forschung eine Kosten-Nutzen-Analyse zugrunde legen.
Allerdings klären diese Untersuchungen nicht nur archärchologische – und damit historische – Fragen. Sie sind auch für die Invasionsbiologie wichtig, dem Zweig der Biologie, der sich mit Biologischen Invasionen, dem „Einschleppen“ und der Ausbreitung gebietsfremder / nichteinheimischer Arten beschäftigt. Der vergleichsweise geringe „Artentausch“ im frühen Mittelalter und seine ökologischen Folgen sind ein Modellsystem für die komplizierteren „biologischen Invasionen“ der Gegenwart.
Die ökologischen Folgen einer Arteninvasion konnten schon in der Wikingerzeit verheerend sein; Vor der Ankunft der Siedler bestand die Flora auf Island aus borealen Birkenmischwäldern. Nicht zuletzt halbwild gehaltene Schafe und Ziegen zerstörten die meisten Wälder der Insel.

Die Erfahrung zeigt, dass die Frage, was ein „Orchideenfach“ und „Luxusforschung“ seien, sich schnell wandeln kann. Bis vor wenigen Jahren galten z. B. die Islam-Wissenschaften als „typisches Orchideenfach“ und Forschungen zur Frühgeschichte des Islam als vielleicht interessant, aber für die politische und Praxis irrelevant. Ein anderes Beispiel ist die Quantenphysik, die bis Mitte der 20. Jahrhunderts vielfach als „Orchideenfach ohne praktische Anwendungsmöglichekeiten“ galt.

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