Der völkische General und die Novemberrevolution (1)
Generalquartiermeister Erich Ludendorf: Der heimliche Diktator
Am 9. November 1918 wurde in Berlin die Republik ausgerufen – und zwar zweimal, von Karl Liebknecht und Wilhelm Scheidemann. Schon dieser Umstand deutet darauf hin, dass die deutsche Novemberrevolution eine eher uneindeutige Angelegenheit war, sowohl was ihre Ursachen, ihren Verlauf und erst recht, was ihre Ergebnisse anging. Sogar die Frage, ob die Revolution erfolgreich war, lässt sich unterschiedlich beantworten.
Relativ eindeutig lässt sich allerdings die Frage beantworten, wieso der Novemberrevolution eine Art „Revolution von oben“ einen Monat zuvor vorausging, die dem deutschen Reich immerhin einen Demokratisierungsschub gab, der kurze Zeit vorher im stramm autoritär regierten Kaiserreich undenkbar gewesen wäre. Ohne die „Parlamentarisierung der Regierung“ hätte die Revolution einen völlig anderen Verlauf genommen.
Recht eindeutig ist auch, dass eine damals entstandene Verschwörungsideologie, die später „Dolchstoßlegende“ oder, was den Sachverhalt besser trifft, „Dolchstoßlüge“ genannt wurde, auf das politische Klima der „Weimarer Republik“ verheerend gewirkt hatte. Die „Legende“, dass es „feige Demokraten“, „rote Aufwiegler“ und „verräterische Juden“ gewesen wären, die der „im Felde unbesiegten“ deutschen Armee den Dolch in den Rücken gestoßen hätten, war eine der wirksamsten propagandistischen Waffen der rechten Feinde der „Weimarer Republik“.
Das Geschehen vor 100 Jahren wirkt bis heute nach. Es gibt dabei alarmierende Parallelen zur Gegenwart: Lügen, gefälschte Nachrichten und fatale Irrtümer, die auf ideologische Scheuklappen zurückzuführen waren, prägten die Geschichte der „verratener Revolution“ (Sebastian Haffner) genau so wie Opportunismus und das verhängnisvolle Prinzip „der Feind meines Feindes ist mein Freund“.
Sowohl die „Revolution von oben“ wie die „Dolchstoßlegende“ sind eng mit einem Mann verbunden, dessen „geistiges Erbe“ bis heute nachwirkt: Erich Ludendorff.
Nicht nur die deutsche Revolution von 1918, sondern auch die russische Revolution von 1917 wäre ohne Ludendorff anders verlaufen. Vielleicht wäre Lenin ohne den völkischen Sozialistenhasser nicht an die Macht gekommen.
Erich Ludendorff hatte einen enormen verhängnissvollen Einfluss auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Nur Hitler richtete mehr Schaden an, wobei der Aufstieg Adolf Hitlers ohne Ludendorff schwer denkbar gewesen wäre. Dennoch ist Ludendorff, weil er gern aus dem Hintergrund heraus agierte, relativ unbekannt. (Dass er in „Wonder Woman“ als Antagonist auftaucht, ist vielleicht das größte Verdienst dieses fürs „Popcorn-Kino“ ungewöhnlich gelungenen Films, weil er eine fast vergessene Finstergestalt der Weltgeschichte ins populäre kulturelle Bewusstsein holt. Der Erich Ludendorff in „Wonder Woman“ ist eine gelungene Karikatur des echten Ludendorffs, der in vielerlei Hinsicht tatsächlich ein „Superschurke“ war.)
Ludendorff war ein zynischer, skrupelloser, aber hochintelligenter Machtmensch, Antidemokrat, leidenschaftlicher Intrigant und überzeugter völkischer, sprich rassistischer, Nationalist. Nach dem 1. Weltkrieg trat er auch als „völkischer Esoteriker“ in Erscheinung, aber schon als aktiver Offizier strickte und verbreitete er mit großem Eifer Verschwörungsmythen.
Das „Erbe des Hauses Ludendoff“ pflegt eine „germanische“, „heidnische“ und völkische „Religonsgemeinschaft“, der „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.“. Der von Erich Ludendorff zusammen mit seiner zweiten Frau Mathilde gegründete „Bund für Gotterkenntnis“, hat mit Religion und Spiritualität, auch mit „Germanen“, herzlich wenig zu tun, und ist nur insofern „heidnisch“, dass er anti-christlich und antisemitisch ist. Er ist eine völkische, politisch extrem rechte, verschwörungsideologische Weltanschauungsgemeinschaft. Der „völkische Feminismus“, der zeitweilig einen unangenehmen Einfluss auf die Hexenszene hatte, geht ebenso auf das Gedankengut der „Ludendorffer“ zurück, wie die „Volkstod“-Kampagne. Auch bei den „völkischen Siedlern“ sind die „Erben Ludendorffs“ eifrig dabei.
Die Diktatur der Obersten Heeresleitung
De facto war das Deutsche Reich eine Militärdiktatur. Die Macht im seit 1914 kriegführenden Kaiserreich lag nicht mehr beim Reichskanzler, der in der Verfassung des Deutschen Reiches, die Bismarck auf den imposanten Leib geschneidert wurde, der „starker Mann“ war. Sie lag auch nicht beim Kaiser, obwohl der Monarch, und nicht der Reichstag, den Kanzler ernannte und, wenn ihm danach war, einfach entlassen konnte – was Wilhelm II. 1890 mit Bismarck gemacht hatte. Die Macht lag seit August 1916 bei der „Obersten Heeresleitung“ (OHL).
Im Sommer 1916 geriet die deutsche Kriegsführung, nicht zu ersten Mal, in eine schwere Krise. Es war beim besten Willen nicht zu übersehen, dass die „Abnutzungsstrategie“ gegenüber Frankreich auf extrem blutige und verlustreiche Weise gescheitert war, dass die Versorgungslage der Bevölkerung katastrophal war, es der Truppe an Nachschub und neue Waffen fehlte, und dass Deutschland und seine Verbündeten immer mehr eingekreist wurden. Der Kriegseintritt Rumäniens gegen Deutschland und seine Verbündeten am 27. August war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der lange Zeit gefeierte Generalstabschef Erich von Falkenhayn wurde entlassen, letzten Endes als „Sündenbock“ für eine von Anfang an verfehlte Kriegsführung.
Die neue Führung der Obersten Heeresleitung unter dem „Feldherrenduo“ Hindenburg und Ludendorff brachte tatsächlich den ersehnten „frischen Wind“: Sie brach die zum Inbegriff für die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges schlechthin gewordenen Offensivaktionen gegen die französische Festung Verdun ab und kümmerte sich um die lange vernachlässigte wirtschaftliche Mobilisierung („Hindenburg-Programm“). Der Preis dafür war, dass die OHL weit über die militärischen Kompetenzen hinaus in die Politik eingriff. Nachem am 13. Juli 1917 der langjährige Reichskanzler Bethmann Hollweg zurückgetreten war, war die „heimliche Diktatur“ perfekt.
Chef der OHL war theoretisch der überaus populäre Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg. Sein Ruf beruhte weniger auf seinen tatsächlichen militärischen Leistungen, als auf einem politischen Mythos, die ihn als „Sieger der Schlacht von Tannenberg“ von 1914 gegen eine deutlich überlegenen russische Armee und „Retter Ostpreußens“ feierte. Die Propaganda stilisierte den alten Soldaten zur „Großvaterfigur“: lebenserfahren, zuverlässig, integer, loyal und mit der richtigen Mischung aus Güte und Strenge. In Wirklichkeit war der schon über 70 Jahre alte Marschall machtbewusst und eitel, den Kult um seine Person genoss und förderte er, und von Politik verstand er im Grunde herzlich wenig. Der Charismatiker mit Machtinstinkt war dabei wahrscheinlich nie, auch später als Reichspräsident nicht, eine bloße Marionette in den Händen seiner Berater. Er hatte seinen eigenen Kopf. Was aber in diesem manchmal sturen Kopf vorging, das war dennoch leicht beeinflussbar für jene, die wussten, welche „Knöpfe“ sie bei Hindenburg „drücken“ mussten.
Während Hindenburg die populäre Galionsfigur abgab, lag die Macht in Wirklichkeit beim offiziell „zweiten Mann“ der OHL, ihrem sehr fähigen und dabei zu allem fähigen Stabschef, dem „Ersten Generalquartiermeister“ Erich Ludendorff.
Ludendorff praktizierte die Strategie des „totalen Krieges“, indem er faktisch die Trennung von zivil und militärisch aufhob: alle Produktionsmittel und die gesamte Arbeitskraft der Zivilbevölkerung wurden Bestandteil des Kriegsapparates. Wie Ludendorff später in seiner Abhandlung „Der totale Krieg“ schrieb, sollten diese Anstrengungen dem eigentlichen Ziel, der Vernichtung des Feindes, dienen. Seine besondere Sorge galt dabei den „Kriegsgegner“ im Inneren, jenen, die Einheit und Geschlossenheit der Nation in Frage stellen, weil sie „überstaatlich“ (heute würde man wohl sagen: „transnational“) dachten. Als Kriegsgegner wurden von Ludendorff das Judentum, die katholische Kirche und die Sozialisten benannt. Als „starker Mann“ des Deutschen Reiches agierte er machiavellistisch und war darum manchmal zu taktischen Zweckbündnissen mit Vertretern der katholischen Kirche, mit jüdischen Industriellen und sogar mit „Roten“ bereit.
Er legte viel Wert auf psychologische Kriegsführung und Propaganda – die Gründung der UFA ging nicht zuletzt auf ihn zurück. Ludendorff formulierte geradezu „eroberungssüchtigte“ Kriegsziele, die er wirtschaftspolitisch begründete. Sie standen im Gegensatz zu den Friedensbemühungen des Reichstages ab 1916, stießen aber bei vielen Großunternehmern auf Beifall. An Unterstützung aus „der Wirtschaft“, spricht der Großkapitalisten, hatte es ihm nie gefehlt. Ludendorff hasste die Demokratie; selbst die halbherzigen Reformen des preußischen Wahlrechts 1917 gingen ihm schon zu weit.
Bei allen Plänen, Machenschaften und Intrigen Ludendorffs lässt sich ein gemeinsames Ziel erkennen: Der preußisch-deutsche Obrigkeitsstaat sollte erhalten bleiben. Nicht als Selbstzweck, denn der völkische Ideologe sah diesen Staat als Wegbereiter einer „Volksgemeinschaft“, der „inneren Einigung des deutschen Volkes“, wie sie angeblich beim Kriegsausbruch 1914 schon spürbar gewesen wäre, als es „keine Parteien, sondern nur noch Deutsche“ gegeben hätte. Auch Hindenburg hing der Idee einer „Volksgemeinschaft“ an, was die Arbeitsteilung im „Feldherrenduo“ – Ludendorff lieferte die Ideen, Hindenburg Charisma und Tatkraft – erleichterte. (Was allzu wenig bekannt ist: Hindenburg strebte selbst noch als Reichspräsident danach, internationalistisch ausgerichtete Kräfte so weit wie möglich auszuschalten. Es war sicher kein Zufall, dass Hindenburg 1933 den ihm persönlich unsympathischen Hitler zum Reichskanzler machte: Sie standen sich weltanschaulich grundsätzlich nahe.)
Hindenburg setzte um, was Ludendorff ihm vorschlug, weil er völlig von seinem Stabschef abhängig war, weil dieser ihn geschickt manipulierte, aber auch, weil der alte Marschall sich weitgehend mit dem jüngeren General einig wusste. Generalmajor Max Hoffmann, ein enger Mitarbeiter Ludendorffs, schrieb schon im Herbst 1915 ein einem Brief:
„Hier schreiben wir jetzt meist ›v. Hindenburg‹ unter die Befehle, ohne daß sie ihm überhaupt gezeigt werden… Es gibt doch manches Komische in der Welt. Wenn das deutsche Volk wüsste, daß sein Held Hindenburg eigentlich Ludendorff heißt.“
Die OHL und damit Ludendorff verfügte über den verhängten Belagerungszustand und hatte eine geheime Standleitung ins Reichkanzlerpalais in Berlin. Die zivile Reichsregierung konnte wenig ohne und nichts gegen die Drahtzieher der OHL unternehmen. Reichskanzler Hollweg widersprach ihnen noch; seine Nachfolger Georg Michaelis und Georg von Hertling betrachteten sich selbst als die Gehilfen der OHL an der Heimatfront.
Die Macht Ludendorffs, des wahren Chefs der OHL, stieg bis 1918 enorm.
Mittels Drohung, Intrige und Erpressung baute Udendorff seine Vollmachten immer weiter aus.
Er konnte sich darauf verlassen, dass Hindenburg sogar riskante und verbrecherische Machenschaften abnickte und deckte. Ludendorff sorgte zum Beispiel dafür, dass der uneingeschränkte U-Boot-Krieg wieder aufgenommen wurde, der die vitalen Interessen der USA unmittelbar berührte und als Hauptursache für deren Kriegseintritt gilt. Ludendorff stimmte dem wahnwitzig anmutende Plan des Auswärtigen Amtes zu, Lenin 1917 aus seinem Exil nach Russland zurückkehren zu lassen („Der plombierte Wagon“) – ohne die Zustimmung der OHL wäre er nicht durchführbar gewesen. Der an sich verhasste „Rote“ sollte als „Unruhestifter“ Russland, das auch nach der „Februarrevolution“ den Krieg gegen Deutschland fortsetzte, schwächen. Ob die OHL, also Ludendorff, Lenin auch nach dem März 1917 unterstützte, ist umstritten, aber wahrscheinlich.
Eine offene Diktatur wäre für den „Strippenzieher“ Ludendorff allerdings nachteilig gewesen. Er brauchte einen Kanzler als „Blitzableiter“ und gegebenenfalls „Sündenbock“ für alles, was in der deutschen Politik schief ging – und es ging viel schief gegen Ende des 1. Weltkriegs, nicht zuletzt aufgrund von Fehlern, die die OHL selbst zu verantworten hatte. Typisch für die OHL wie für andere Teile der „Elite“ des Kaiserreiches, waren Selbstüberschätzung und der damit eng verbundene Hang, anderen die Schuld für die Folgen eigener Fehler in die Schuhe zu schieben. (Dieses Denken ist für extreme Rechte ungemein typisch, in Deutschland geht das selbstmitleidige Jammern allerdings weit über die Kreise der Anhänger extrem rechter Ideologien hinaus. Meiner Ansicht nach wurzelt dieser hässliche Zug der deutschen Mentalität im ersten Weltkrieg.)
Ludendorff war ein extremes Beispiel für einen „arschlochigen“ Verantwortlichen, der, wenn etwas schief geht, grundsätzlich jede Verantwortung auf andere abwälzt. Im Unterschied zu den meisten anderen selbstgerechten und sich selbst bemitleidenden Narzissten in Machtpositionen war er allerdings tatsächlich „hochbegabt“: er war sehr intelligent, rhetorisch begabt, ein sehr guter Organisator, und er hatte den unbedingten Aufstiegswillen des „Bürgerlichen“, der sich in einem adelsbestimmten Milieu durchsetzte. Vor allem war er ein brillanter Taktiker. Was ihn dazu verleitete, sich auf allen anderen Gebieten ebenfalls für „brillant“ zu halten. Ein „weitblickender Stratege“ war der General eher weniger, er unterschätzte zum Beispiel die Fähigkeit der USA, wirksam in den Krieg einzugreifen:
„Ich pfeife auf Amerika (…) Was kann es uns tun? Herüber kommen sie nicht.“
Ein „genialer politischer Denker“, für den seine Anhänger ihn bis heute halten, war Ludendorff überhaupt nicht.
Im Herbst 1917 war, dank des „Oktoberrevolution“ genannten Staatsstreichs von Lenins Bolschewiki, „Ruhe“ an der Ostfront absehbar. Ludendorff und seine militärischen Berater planten eine Offensive im Westen. Sie hatten es damit eilig, denn das Zeitfenster, in denen die Truppen des Kaiserreiches eine leichte Überlegenheit im Westen hatten, war eng. Nach dem Kriegseintritt der USA im April 1917 – den es ohne Ludendorffs Entscheidung für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg wahrscheinlich nicht gegeben hätte – dauerte es einige Monate, bis auch wirklich US-Truppen in nennenswertem Umfang gegen die deutsche Armee eingesetzt wurden. Es war aber absehbar, dass das Kräfteverhältnis immer ungünstiger werden würde.
Die Versorgungslage war schlecht, die Volksmassen hungerten und froren, die Truppen waren ausgelaugt und kriegsmüde. Immerhin gab es keine so schlimme Hungersnot wie im „Steckrübenwinter“ 1916/17, ausgelöst durch Missernten, die britische Seeblockade in der Nordsee, aber auch einer verfehlten Preis- und Verteilungspolitik.
Die politische Linke in Deutschland 1918
Im Inneren erreichte die politische Linke, die trotz der Spaltung der Sozialdemokratie über die Frage der Kriegskredite in SPD (dafür) und USPD (dagegen) sehr stark war, zusammen mit den ihr nahestehenden Gewerkschaften Erfolge, von denen sie im autoritären Obrigkeitsstaat bisher nur träumen konnten. In der Zeit des „Burgfriedens“ mit der Regierung des Kaiserreiches gelang ihr das durch zähe politische Kleinarbeit, vor allem durch eine Kombination aus gezielten Streiks, Massenprotesten und Kompromissbereitschaft.
Die SPD unter ihrem eher konservativen Vorsitzenden Friedrich Ebert legte großen Wert darauf, als patriotisch und loyal wahrgenommen zu werden; die Angst, den „Burgfrieden“ mit der Staatsführung zu gefährden und als „Feind im Inneren“ dazustehen, steckte vielen Sozialdemokraten tief in den Knochen. Eine gewaltsame Revolution hätte die Errungenschaften der Reformpolitik gefährdet. Die USPD war deutlich pazifistischer und weniger patriotisch als die „Mehrheits-SPD“, ansonsten aber keineswegs „linker“. Viele Sozialdemokraten beider Parteien fürchtete, dass die radikal linken „Spartakisten“ – also Kommunisten – nach dem Vorbild der Bolschewiki die übrige politische Linke überrumpeln könnte. Anders als die Bolschewiki waren die aus dem linken USPD-Flügel hervorgegangenen Spartakisten allerdings nicht als Elite- und Kaderpartei von „Berufsrevolutionären“ verfasst. Der von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht geleitete Spartakusbund hatte kein gutes Verhältnis zu den putschistischen Bolschewiki, und die relativ wenigen Spartakisten standen einer gut organisierten, zahlenmäßig starken und disziplinierten Sozialdemokratie entgegen.
Die bis in die SPD hinein reichenden Furcht vor den „blutdürstigen Spartakisten“ und „bolschewistischen Berufsrevolutionären“ war eher Angstphantasie als eine reale Bedrohung.
(Der Berliner „Spartakusaufstand“ im Januar 1919 ist kein Gegenbeispiel: der Spartakusbund beziehungsweise die KPD hatte diesen Aufstand weder geplant noch ausgelöst noch angeführt und erst nach seinem Beginn daran mitgewirkt. Letztes Ende ist die geläufige Bezeichnung für den Januaraufstand darauf zurückzuführen, dass die Macht der „Spartakisten“ sowohl im ursprünglich rechten Verschwörungsmythos wie im Gründungsmythos der „Kommunistischen Partei Deutschlands“ (KPD) weit überschätzt wurde.)
Die deutsche Frühjahroffensive 1918 – „Zu Tode gesiegt“
Anfang März 1918 hatte das Deutsche Reich der jungen Sowjetunion den äußerst harten Frieden von Brest-Litowsk aufgezwungen. Am 21. März 1918 begann die Großoffensive im Westen. Die OHL setzte auf eine „Alles-oder-Nichts“-Strategie, die die Alliierten überraschte. In taktisch-operativer Hinsicht war das gewagte Unternehmen erfolgreich, strategisch bleibt ein durchschlagender Sieg aber aus. Der rücksichtslose Einsatz erschöpfte die Armee, und die Offensive im Sommer scheiterte wegen fehlender strategischer Reserven des von Hunger und Materialmangel geschwächten Heeres. Und aus den USA rückten immer neue frische Truppen heran.
Am 18. Juli 1918 begann die alliierte Gegenoffensive, die schließlich die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg besiegeln sollte. Ab August 1918 gaben sich immer mehr kriegsmüde und erschöpfte deutsche Soldaten gefangen. In der Heimat stand die Kriegswirtschaft kurz vor dem Kollaps. Mehr als zwei Millionen deutsche Soldaten waren zu diesem Zeitpunkt für den „Griff nach der Weltmacht“ (Fischer) gestorben, noch mehr waren schwer verwundet und zum Teil grausam verstümmelt worden, und in der Heimat starben Millionen an Hunger und Entkräftung. Wer allerdings reich und privilegiert war, konnte auch noch 1918, im vierten Jahr der „Hungerblockade“, recht angenehm leben.
Allerdings lag die Westfront noch weit vor der deutschen Reichsgrenze, und ein für Deutschland glimpflicher Verständigungsfrieden wäre noch möglich gewesen. Hätten der „Meisterstratege“ Ludendorff realistisch gedacht, hätte er die ihm hörige Regierung dazu veranlasst, auf Eroberungen zu verzichten, und sich entschlossen gezeigt, die eigenen Grenzen mit allen noch vorhandenen Kräften zu verteidigen. Er hätte die Regierung auch darin bestätigt, am pragmatischen innenpolitischen Kurs in Richtung sozialer und demokratischer Reformen festzuhalten.
Realistisch dachte Ludendorff jedoch nur im Detail und im Zuge machiavellistischer Machtspiele. Ging es ums große Ganze, war er ganz völkischer Ideologe. Im Verlauf des Krieges entwickelte er die fixe Idee, mit „England“ – er meinte das britische „Empire“, die „Supermacht“ seiner Zeit – selbst nach einem Friedensschluss noch einmal um die Weltherrschaft kämpfen zu müssen.
Er plante buchstäblich einen zweiten Weltkrieg. Er wäre, wie der reale Zweite Weltkrieg, ein deutscher Angriffskrieg und ein Vernichtungskrieg gewesen.
Wie er waren die meisten führenden Militärs, Politiker und Industriellen wie verblendet. Sie wollten nicht auf die Eroberungen im Osten und in Belgien verzichten und hielten eisern am Ziel „Sieg um jeden Preis“ fest.
Als am 8. August britische Truppen einen breiten Frontabschnitt durchbrachen, erkannte Ludendorff, dass an einen Sieg nicht mehr zu denken war. Die deutsche Kriegpropaganda tönte zu diesem Zeitpunkt immmer noch, ein glorreicher „Siegfriede“ sein in greifbarer Nähe.
Teil 2: Die „Revolution von oben“