Zum Tode Ralph Giordanos
„Deshalb: Ob Links oder Rechts, Groß oder Klein, Christ oder Muslim, Atheist oder Agnostiker – wer die Demokratie attakiert, sie angeht, beschädigen oder gar aufheben will, der kriegt es mit mir zu tun, dem gehe ich an die Kehle, der hat mich am Hals!“
Ralph Giordano
Dankesrede zur Verleihung des „Arthur-Koestler-Sonderpreises“ 2014
Als Publizist trat Ralph Giordano immer wieder für Minderheiten ein und engagierte sich öffentlich, indem er Unterdrückung, rechtsextremes Gedankengut und die Verletzung von Menschenrechten anprangerte.
Ein großes Vorbild? Ja, unbedingt! Das gilt auch – oder gerade deshalb – weil Ralph Giordano kein „Held ohne Fehl und Tadel“ war. Er vertrat im Laufe seines langen Lebens nicht nur unbequeme, sondern auch manchmal fragwürdige Positionen. Er war Mitglied der KPD und verehrte – aus einer entschieden antifaschistischen Haltung heraus – einige Jahre lang Stalin. Nachdem er sich desillusioniert nicht nur vom Stalinismus, sondern generell vom „Kasernenhofsozialismus“ nach Muster der UdSSR abgewandt hatte, kehrte er, anders als andere Ex-Stalinfans, seine einstige Haltung nicht unter den Teppich.
Nicht besonders klug war meiner Ansicht nach sein scharf formulierter Protest gegen den Bau einer Großmoschee in Köln, für den er viel Beifall von seinen geschworenen Gegnern erhielt. Er legte dabei eine Härte an den Tag, die einigermaßen befremdet. Allerdings: Zwischen den Motiven eines „Menschenrechtsfundamentalisten“ (kein Schimpfwort, sondern ein Kompliment) wie Giordano und denen selbsternannter Verteidiger des christlichen Abendlandes liegen ganze Ozeane. Seine Einmischung richtete sich eben nicht, wie ihm unterstellt wurde, gegen „die Muslime“ in Deutschland. Seine Einmischung richtete sich gegen alle, die ein anderes als das demokratische Deutschland im Sinne haben – und das an der Seite kritischer Muslime und antirassistischer Nichtmuslime. Immerhin ist die DİTİB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion), als Bauherrin der Moschee, alles andere als unumstritten.
Giordano schrieb 1992 einen offenen Brief an Bundeskanzler Helmut Kohl. Darin schrieb er, dass er bereit sei, „bis in den bewaffneten Selbstschutz hinein“ gegen den militanten Rechtsextremismus vorzugehen, da die Regierung offensichtlich nicht bereit sei, Minderheiten den notwendigen Schutz zu gewähren. Dieser Brief führte zu einer notwendigen öffentlichen Diskussion.
Mit ist die Trauerrede, die er 1993 nach dem Flammentod von fünf Türkinnen in Solingen auf Aufforderung der hinterbliebenen Familie Genc an der Mordstätte gehalten hatte, noch in guter Erinnerung. Weil Giordano darin nicht, wie die überwiegende Mehrheit der deutschen Politiker und Medienvertreter, das Werk „verwirrter Einzeltäter“ sah.
„[…]Wie soll ich ruhig bleiben, wenn fast drei Menschenalter nach dem Untergang Hitlerdeutschlands der Todfeind von gestern mit seinen Emblemen in Gestalt einer neuen Generation aufersteht, die nicht als Fremdenfeinde und Antisemiten geboren wurden, wohl aber im Laufe ihres jungen Lebens dazu geworden sind? Und wovor muss ich mich mehr fürchten – vor dem deutschen Rechtsextremismus mit Tentakeln bis in die Mitte der Gesellschaft, oder vor den Defiziten der Staats- und Sicherheitsorgane im Kampf gegen die späten Braunen und ihre Sympathisanten?[…]“
Ralph Giordano
Dankesrede zur Verleihung des „Arthur-Koestler-Sonderpreises“ 2014
Ralph Giordano ist verstummt. Mögen seine Ermahnungen gehört werden!