Angriff auf die unabhängige Wissenschaft
Seit längerem tobt in den USA eine Auseinandersetzung um die wissenschaftliche Unabhängigkeit der Förderungsentscheidungen der National Science Foundation.
Der republikanische Kongressabgeordnete Lamar S. Smith (dt. wikipedia) stellt als Vorsitzender des Kongress-Auschuss für Wissenschaft, Weltraum und Technologie Entscheidungen der NSF in Frage. Er fordert, dass nur noch national bedeutende Projekte – Kulturwissenschaften zählt er offenbar nicht dazu – gefördert werden sollten und dass das Verfahren des peer review zwar unangetastet bleibt, aber unter politischer Aufsicht stehen sollte. Eine Gesetzesnovellierung soll das festschreiben.
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Über die USA und die Archäologie hinaus ist dieser „neokonservative“ Vorstoß gegen eine Einrichtung der öffentlichen Wissenschaftsförderung aus mehreren Gründen bedeutsam.
Auf der Liste der „überflüssigen“ Forschungsvorhaben stehen auch solche, die sich mit Folgen des Klimawandels auseinandersetzen. Das ist nicht überraschend, denn Smith ist ein bekannter „Skeptiker“ (also Verneiner) des Klimawandels, der mehrfach Wahlkampfunterstützung aus der Ölindustrie erhalten hat.
Die USA sind nach wie vor jene Volkswirtschaft, die am meisten für Wissenschaft und Forschung aufwenden – mit Erfolg, was sich z. B. auch an der Zahl der Nobelpreise ablesen lässt.
Daher wirken sich Einschränkungen bei der NSF direkt und indirekt auf die Wissenschaft außerhalb der USA aus. Direkt, weil NSF-Gelder auch internationalen Forschungsvorhaben zugute kommen, indirekt, weil da, wo die USA sich aus der Forschung zurückziehen, sich erfahrungsgemäß auch andere zurückziehen. Die Hoffnung, dass andere da „einspringen“ würden, wo die USA eine „Lücke“ in der Forschungslandschaft hinterlässt, ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, trügerisch.
Der gerade für Deutschland einscheidende Punkt ist allerdings der, dass Smith‘ Forderung, dass nur noch „national bedeutende Projekte“ gefördert werden sollten, und „wir“ uns „überflüssige“ Forschung und „Bildungsluxus“ in „Zeiten des Sparzwanges“ nicht leisten könnten, auch in der deutschen Forschungs- und Kulturpolitik nicht gerade selten zu hören ist. Auch die Agenda dessen, was eingespart werden soll, stimmt weitgehend überein: Kulturwissenschaften und Grundlagenforschung gelten als Geldverschwendung.
Die These, dass Forschungsförderung in erster Linie Wirtschaftsförderung sei (und ansosten „Luxus“ wäre, der nicht aus knappen Steuergeldern finanziert werden dürfe) ist auch bei uns leider weitgehend Konsenz unter den politischen Entscheidern. Das Beispiel aus den USA wird wahrscheinlich, auch das ist ein Erfahrungswert, auch auf deutsche Entscheidungen Einfluss haben.
In Österreich ist man, was die auch in Deutschland seit Langem von diversen Lobbyorganisationen geforderte „enge Anbindung der Forschung an die Wirtschaft“, angeht, schon einen Schritt weiter: Am 1. März 2014 wurde dort das Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung aufgelöst, und seine Kompetenzen an das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend abgegeben, das wiederum die Kompetenzen für Familie und Jugend an ein neu gegründetes Familien- und Jugendministerium abgab. Seitdem gibt es ein Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, bei dem die „Wirtschaft“ ganz klar am längeren Hebel sitzt.
Es ist zu befürchten, dass das österreichische Modell auch anderswo, vor allem in Deutschland, Schule macht.