Wikinger-Ausstellung Leoben – Kein „Oh!“ des Staunens
Die Runen hätten kein „o“, das sei zu rund zum Ritzen gewesen. Aussagen wie diese, gern haarscharf an ähnlich klingenden Tatsachen vorbei, waren auf einer Führung durch die Ausstellung „Die Wikinger“ in der Leobener Kunsthalle zu erlauschen.
Ums vorweg zu nehmen: Wer noch nie etwas von Wikingern, ihrer Zeit und ihrem Umfeld gehört hat, dem kann man den Besuch durchaus schon mal empfehlen – ob aber grade Unbedarfte sich durch unübersichtliche Texttafeln mit zuweilen noch mangelhaftem Deutsch hangeln wollen, ist fraglich. Wichtige Infos sind in den Textmassen der Tafeln eher versteckt, sodass man sich am Ende der Ausstellung auch fragen kann, wo denn nun das viel angekündigte Aufräumen mit WikingerKlischees geblieben sei.
Von den Führungen – wir erlauschten mehr als eine – ist zum Teil eher krudes Allerlei zu erfahren, das themenkundige Besucher eher erheitern dürfte:
So erfuhren wir (neben dem unritzbaren „o“), dass der Fruchtbarkeitsgott Freyr auch manchmal als Liebesgöttin Freyra dargestellt sei, der Kriegsgott Thingsus hieß – dafür aber alle Runenfunde restlos entschlüsselt seien.
Das sind leider so typische Beispiele von „knapp vorbei ist auch daneben“, was eigentlich sehr schade ist, denn es hätte sich jeweils um interessante Ansätze gehandelt.
Die hochkarätigen, aber leider weitgehend konzeptfrei in den Räumlichkeiten verteilten Exponate, lassen ebenfalls den Verdacht unnötiger Effekthascherei aufkommen. Da wurde einerseits das Gokstad-Boot komplett nachgebaut, als Wrack, aber sehr dämmrig beleuchtet – und dazu mit Geräuschen knarzender Riemen und ruhigen Wellen berieselt.
Immer wieder hat man den Eindruck, dass hier gute Ideen einfach nicht zu Ende gedacht wurden. So wähnt man sich nicht nur anhand der guten, wenngleich betagten Filmdokumentationen in die Achtziger Jahre zurück versetzt.
Von einem Wikingerschiff-Kundigen erhielten wir noch folgende ergänzende Information: Die Reffbändsel auf dem Bild gehen in Ordnung, aber die Segelbahnen waren bei den Wikingern diagonal (!) vernäht und z. T. mit Lederstreifen an den Nähten verstärkt. (Diese Tatsache wurde allerdings noch nicht einmal bei den Rekonstruktionen des Wikingermuseums Roskilde berücksichtigt. Die „Streifensegel“ gehen auf Rekonstruktionen nach dem Teppich von Bayeux (nach 1066) zurück, also bereits nach der „klassischen“ Wikingerzeit.)(Foto: Brigh)
Im letzten Raum der Ausstellung, der sich ausführlich mit der Rezeptionsgeschichte der Wikinger in Kunst und Popularitätskultur befasst, bleibt der erhebliche Einfluss durch die Nationalsozialisten leider weitgehend ausgespart. Warum? Dieser Teil der Rezeptionsgeschichte ist mindestens so interessant wie die anderen dargestellten Themen.
Das Atemberaubendste sind die Preise für Eintritt und diejenigen im Museumsshop (der überflüssigerweise mit esoterischen Runenbüchern zweifelhafter Güte aufwartet). Für 9 Euro hätten wir uns etwas mehr Konzeptphantasie und modernere Museumspädagogik erwartet.
Für die mangelhafte Aufbereitung war die nackte Info wiederum zu dürftig und zu lückenhaft, sowohl an den Texttafeln als auch an den Beschriftungen der Exponate. Da helfen dann auch die großformatigen Runensteinmodelle (wie anschaulich wäre doch der Große Jellingstein in Farbe gewesen!) wenig – wer Zeit und Leben der Wikinger (nicht nur) museal näher gebracht haben möchte, muss sich weiterhin mindestens bis Haithabu oder gar noch weiter in den Norden bemühen.
Wer nicht in der Nähe von Leoben weilt, ist mit dem wirklich ausgezeichneten Ausstellungskatalog deutlich besser bedient, hinter dem die Ausstellung selbst leider weit zurück bleibt.
Und nun die Auflösung der Führungs-Stilblüten
Die Identität eines Mars Thingsus (und nur in dieser Verbindung wurden Inschriften am Hadrianswall gefunden, aber niemals „Thingsus“ allein!) mit dem alten Himmels- und Gerichtsbarkeits-Gott Tiwaz gilt lediglich als wahrscheinlich; ist aber nicht so ohne weiteres als gesichert anzunehmen. Ein Bezug zur Kriegssphäre liegt ebenfalls nahe. Grundsätzlich sprechen wir aber von einem Mars Thingsus und weder von einem Mars noch von einem Thingsus.
Zum „o“: Bereits vor den Wikingern ritzte man, die im älteren Futhark noch vorhandene Rune für „o“ einfach eckig.
Die eigenständige Göttin, die durchaus weit mehr als eine weibliche Variante ihres Bruders Freyr darstellt, wird Freya genannt.
Ach ja, und sehr zum Leidwesen von so manchem Wissenschaftler: Die Runeninschriften sind längst nicht alle entziffert oder geschweige denn in ihrer Deutung unstrittig – aber wir bemühen uns!
hallo ich wüsste gerne welche austellungen es alles gibt
Hallo Affrokopf, mit einer Aufzählung aller Ausstellungen auch nur zu archäologischen Themen sind wir, fürchte ich, etwas überfordert. Wir arbeiten zwar an einem Terminkalender, in dem vor allem solche Ausstellungen berücksichtigt werden, aber einen vollständigen Überblick könnten wir auch dann leider nicht geben. Gute ständige Wikingerausstellungen gibt es in Schleswig (Museum Haithabu und archäologisches Landesmuseum im Schloss Gottorf), und natürlich in Dänemark, Schweden und Norwegen.