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80 Jahre Hitler-Vatikan-Pakt

Am 20. Juli 1933 gelang dem deutschen Naziregime mit dem „Reichskonkordat“, einem Staatsvertrag mit dem Vatikan, ein beachtlicher diplomatischer Erfolg.
International durchbrach das Naziregime mit diesem Staatsvertrag seine Isolierung. Für Deutschland bedeutete er den Schulterschluss auch der katholische Kirche mit dem Nationalsozialismus. Wesendlichen Anteil an diesem fatalen Bündnis hatte Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII..

Die Politik des Vatikans in der Zeit nach 1918 war durch die Angst vor dem „gottlosen“ Kommunismus bestimmt, was angesichts des aggressiven Atheismus in der neu gegründeten UdSSR durchaus nachvollziehbar ist. Allerdings lehnte die römisch-katholische Kirche seinerzeit nicht allein den Kommunismus, sondern jede Form des Sozialismus, einschließlich der Sozialdemokratie, ab. Aber auch der politische Liberalismus wurde kirchlicherseits beargwöhnt.
In der Tat sahen nicht wenige hohe Geistliche in demokratischen Idealen wie Freiheit, Unabhängigkeit und Eigeninitiative nicht nur eine Gefahr für den Einfluß und die Privilegien ihrer Kirche, sondern für das Christentum an sich. Toleranz galt als gefährliche Schwäche.
Es war neben den russischen Revolution vor allem der Untergang der österreichisch-ungarische Monarchie mit ihrer starken katholischen Präsenz, der die Angst vor der „rote Gefahr“ anheizte. Der Vatikan kam zu der Einschätzung, dass die Interessen der römisch-katholischen Kirche am Besten von autoritär regierten katholischen Staaten geschützt werden könnten. Diktaturen waren, solage ihre Führer gute Katholiken waren, offenbar akzeptabler als die Wechselhaftigkeit von Demokratien, die jederzeit in die Hände von atheistischen Kommunisten, Sozialisten, für die Religion nichts als Privatsache ist, und den allen möglichen nicht-katholischen Weltanschauungen gegenüber gefährlich toleranten Liberalen fallen können.
Papst Pius XI., wie auch Pacelli, zeigten jedenfalls stets Sympathie für autoritär regierte katholische Staaten, und verstanden sich gut mit dem italienischen Faschismus unter Mussolini.
Den deutschen Nationalsozialisten misstraute Pacelli in seiner Zeit als Nuntius (vatikanischer Botschafter) für Deutschland hingegen. Im Mai 1924 nannte er den Nationalsozialismus die „vielleicht gefährlichste Häresie unserer Zeit“ – eine interessante Wortwahl. Häresie ist nach römisch-katholischem Verständnis nämlich das beharrliche Leugnen einer „zu glaubenden Wahrheit“, vorausgesetzt, dass der Häretiker vorher katholischer Christ war. Das lässt vermuten, dass Pacelli die „Nationalsozialistische Bewegung“ als eine Art vom Katholiken Hitler geführte Sekte ansah. Sorgen bereiteten dem Nuntius auch die antikatholischen Tendenzen rechtsgerichteter Protestanten, die die Jesuiten und Juden als gemeinsame Feinde des Deutschtums ansahen und bekämpften. Bezeichnend ist, dass er deshalb vor der ökumenischen Annäherung an die evangelischen Kirchen warnte – obwohl jene evangelischen Christen, die an der Ökomene interessiert waren, schon aufgrund dieses Interesses ja keine „Katholikenfresser“ sein konnten.
Pacielli war also sicherlich kein Nazisympathisant, aber solange die Nazis die katholische Kirche in Ruhe ließen, konnte er offensichtlich gut mit ihnen leben.

In Deutschland waren zu Zeiten der Weimarer Republik schon Konkordate mit den Bundesländern Bayern (1924), Preußen (1929) und Baden (1932) abgeschlossen worden, mit wesendlicher Beteilung Pacellis. Ein Konkordat auf Reichsebene kam 1931 nicht zustande, obwohl Reichkanzler Heinrich Brüning Mitglied der katholischen Zentrumspartei war. Pacelli wollte ein Konkordat abschließen, das die Interessen der katholischen Kirche, vor allem im Bereich der Bildung, gewährleistet sollte. Brüning lehnte die weit gehenden Forderungen ab, da er wusste, dass seine Koalitionspartner einem solchen Vertrag nicht zustimmen würden. Pacelli riet dem Kanzler darauf, nicht länger mit den Sozialdemokraten zusammenzuarbeiten, sondern mit Hitlers NSDAP. Brüning antwortete, dass Pacelli die Situation in Deutschland und vor allem die wahre Natur der Nazis völlig falsch einschätze.
Es spricht einiges dafür, dass Pacelli den deutschen katholischen Bischöfen, die Anfang der 1930er Jahre noch mehrheitlich Nazi-Gegner waren, ein Zweckbündnis mit der NSDAP schmackhaft machte. Die vielen Kontakte zwischen den Führern der Zentrumspartei, Kaas und von Papen, und Pacelli lassen vermuten, dass es einen konkreten Plan gab, die katholische Partei, und damit die bestehende Demokratie der Weimarer Republik, für eine Reihe von Vorteilen für die katholische Kirche zu opfern.

Nachdem die Nazis die Macht übernommen hatten, nahm der Vatikan bald Kontakte zur Regierung Hitler auf, mit dem Ziel eines Reichskonkordats. Die abschließenden Verhandlungen wurden durch den deutschen Rechtsexperten des Innenministeriums Rudolf Buttmann, die nach der Selbstauflösung der Parteien nun ehemaligen Zentrumspolitikern von Papen und Kaas, dem Freiburger Bischof Conrad Gröber und den vatikanischen Staatssekretär Pacelli geführt. Man einigte sich sehr schnell, schon am 20. Juli 1933 wurde der Staatsvertrag unterzeichnet.

Botschafter, Bischöfe und Nuntii informierten Pacelli laufend, frühzeitig und detailliert über die Lage in Nazideutschland, besonders über die sich verschärfende Judenverfolgung. Seit Januar 1933, also
noch vor Abschluss des Konkordates, baten viele Prominente ihn darum, auf den Papst einzuwirken, um die Judenverfolgung öffentlich anzuprangern. Doch Pacelli sprach dieses Thema in seinen regelmäßigen Audienzen mit Pius XI. 1933–1939 nach Aktenlage fast nie an und ließ alle Bittbriefe bis auf einen unbeantwortet.
Gegen die Übergriffe der SA und Gestapo auf katholische Gruppen hatte Pacelli hingegen oft päpstliche Protestnoten an die Reichsregierung gesandt. Im Juli 1936 informierte er die Deutsche Bischofskonferenz von der Absicht des Papstes, einen Hirtenbrief zu diesen Übergriffen zu erlassen. Das war den deutschen Bischöfe zu wenig, sie verlangten eine Enzyklika. Pacelli wollte jede offizielle Verurteilung des Nationalsozialismus verhindern, und stimmte dem Verlangen erst zu, nachdem der Papst eine entsprechende Verurteilung des Kommunismus beschlossen hatte. Übrigens hielten auch die meisten deutschen Bischöfe sich mit Protesten gegen Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte sehr zurück, jedenfalls solange die Übergriffe nicht Katholiken galten. (Die viel zu wenigen beherzten Geistlichen, die tatsächlich gegen die Nazis eintraten, gelten bis heute als Beleg für die angebliche Nazi-Gegnerschaft der römisch-katholischen Kirche.)
Pacelli erstellte dann die Schlussfassung der Enzyklika „Mit brennender Sorge“, die am 21. März 1937 erschien.
Als Beweis für die Gegnerschaft des Vatikans, Pacellis oder Pius‘ XI. gegen den Nationalsozialismus taugt die Enzyklika wenig, sie wendet sich vielmehr klar gegen Verletzungen des Konkordats – und mutet auf weite Strecken wie die Verdammnis einer vom „wahren Glauben“ abgewichenen Sekte an.
Der erste Hauptteil wendet sich dann auch gegen die Verwendung des Begriffs „gottgläubig“ durch die Machthaber und ihre Begünstigung des Pantheismus und des Neuheidentums:

Wer nach angeblich altgermanisch-vorchristlicher Vorstellung das düstere unpersönliche Schicksal an die Stelle des persönlichen Gottes rückt, leugnet Gottes Weisheit und Vorsehung, die kraftvoll und gütig von einem Ende der Welt zum anderen waltet und alles zum guten Ende leitet. Ein solcher kann nicht beanspruchen, zu den Gottgläubigen gerechnet zu werden.

(Aus Àsatrú-Sicht kann ich dazu anmerken: mit „angeblich altgermanisch-vorchristlicher Vorstellung“ liegt die Enzyklika völlig richtig!)
Die „brennende Sorge“ gilt nicht den Verfolgten der Nazisregimes, es sei denn, sie wurden wegen ihrer katholischen Grundhaltung verfolgt oder waren katholisch getaufte Juden.

Eugenio Pacelli wurde im März 1939 Papst. Zu diesem Zeitpunkt waren die Lateranverträge mit dem faschistischen Italien und das Reichskonkordat längst trotz allem bewährte Einrichtungen. Im spanischen Bürgerkrieg hatte sich die katholische Kirche vorbehaltlos auf die Seite Francos geschlagen. Wahrscheinlich war der neue Papst mit dieser politischen Ausrichtung völlig einverstanden.

Die Haltung und die Taten bzw. Unterlassungen Pacellis nach seiner Ernennung zum Papst Pius XII. sind ein Kapitel für sich. Ein Alles in Allem schändlilches Kapitel in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche!

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