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Tragen „coole Kids“ wirklich keinen Thorshammer?

Coole Kids tragen keinen Thorshammer behauptet die Marburger „Antifa Gruppe 5“ (ag5). Nun ist die ag5 eine dankenswerterweise sehr aktive Antifa-Gruppe, weshalb ich das nicht achselzuckend unter „Vorurteile und Meckereien“ abheften mochte. (Auch wenn nach meinem nicht repräsentivem Eindruck Teenager ziemlich angenervt sind, wenn jemand sie werbesprechmäßig als „coole Kids“ anspricht.)

Sehr richtig stellt ag5 eingangs fest, dass auf Festivals von Metal bis Punkrock der Mjölnir bzw. Thorshammer auf T-Shirts oder am Hals getragen zu sehen ist. Außer Frage steht, dass heidnische Mythen und Symbole wie der Thorshammer auch in der extrem rechten Szene weit verbreitet sind. Auch darin, was die extremen Rechten in den alten Mythen und Symbolen zu finden glauben, kann ich der ag5 nicht grundsätzlich widersprechen:

Die Autoritäten sind klar verteilt und es ist auch klar, was die Zukunft bringt, ein Versprechen, dass in Zeiten von Individualisierung und einem Auseinanderdriften vertrauter Strukturen als Rückzugsort dienen kann.

Ohne jetzt ins Detail zu gehen: diese Interpretation der Mythen entstand im 19. Jahrhundert, als Reaktion auf die Moderne und als Projektion völkischer Phantasien in die Vergangenheit.
Die Mythen wurden in vorchristlicher Zeit wahrscheinlich völlig anders verstanden – wie genau, können wir den wenigen Quellen allerdings nicht entnehmen.
Klar ist jedenfalls, dass diese alten Mythen auch völlig anders, demokratisch, offen, pro-feministisch, anti-nationalistisch und der Moderne und ihren Herausforderungen aufgeschlossen, interpretiert werden können. Zum Beispiel von uns.

Deutlich widersprechen muss ich folgenden Aussagen:

Die »nordgermanische« Mythologie ist dabei allerdings ein Rückzugsort, der alles andere als emanzipatorisch ist. Diese Kritik konzentriert sich auf seine Funktion als vergemeinschaftender »Religionsersatz«, der soziale Wirklichkeiten verschleiert, und seine Starrheit, insbesondere was die Geschlechterordnung und den Bezug auf Stärke und Gewalt als einzig legitimem Mittel zur Erhaltung von Macht angeht. Die klare Rollenverteilung entspricht nicht einem Weltbild, wie wir es uns wünschen.

Die nordgermanische Mythologie ist ebenso wenig ein „Rückzugsort“ wie z. B. die Bibel. Eine Ideologie, die dann tatsächlich antiemanzipatorisch sein kann, entsteht erst durch die Interpretation und Instrumentalisierung der Mythen (egal, ob biblisch, altgriechisch, indisch, indianisch oder eben germanisch). So wie sowohl liberale und linke Christen und halsstarrige rechtsextreme christliche Fundamentalisten sich auf die selbe Bibel – allerdings in völlig unterschiedlicher Auslegung – berufen, so gibt es politisch und gesellschaftlich völlig unterschiedliche Formen des (Neu-)Heidentums. Ein wichtiger Unterschied zum Christentum ist allerdings, dass es im Ásatrú, als Form des germanischen (Neu-)Heidentums, keine „heilige Schrift“, keine allgemeingültige Offenbarung gibt. Damit sind allgemeine Aussagen, wie die, dass soziale Wirklichkeiten verschleiert würden oder dass dieser „Religionsersatz“ (?) hinsichtlich der Geschlechterordnung „starr“ sei, noch weniger möglich als bei einer Offenbarungsreligion.
Die klare Rollenverteilung, wie sie nicht nur Rechtsradikale schätzen, entspricht keinem Weltbild, das wir uns wünschen könnten. Nur nur deshalb, weil es Ættlinge gibt, die unter einer starren hierarchischen Gesellschaft, mit heterosexuellen weißen Männern oben und allen anderen Menschen unten oder draußen, schwer zu leiden hätten. Uns gehen die emanzipatorischen Ansätze in unserer Gesellschaft noch längst nicht weit genug!

Da wir nichts von einer „straffen Weltordnung“ halten und Treue, Kraft und Stärke zwar schätzen (wenn sie für die richtigen Ziele und auf die richtige Weise eingesetzt werden), aber nicht „religiös überhöhen“, gibt es auch keinen „fließenden Übergang“ zu einem (angeblichen) germanischen Erbe, das die Grundlage für die Konstruktion einer arischen Rasse (die es schlicht und einfach nicht gibt) bildet, und das diese Werte angeblich verkörpert.

Dem folgenden Satz können wir jedoch voll und ganz zustimmen:

Für die extreme Rechte ist der Rückgriff auf das Neuheidentum auch ein Instrument um sich von einem »Judä-Christentum« abzugrenzen.

Antisemitismus ist in der Tat einer der wichtigsten Gründe, weshalb extreme Rechte so gerne auf germanische und schein-germanische Versatzstücke zurückgreifen!

In der links-alternativen Subkultur ist es zum Glück nicht Konsens, dass Symbolen der nordgermanischen Mythologie auf Veranstaltungen ein Platzverweis erteilt wird. Auch weil es sich herumgesprochen hat, dass „Heidentum kein Faschismus“ ist, und dass mitunter sogar Linke, Anarchisten, Feministinnen, Lesben, Schwule und sogar AntifaAktivisten den Mjölnir tragen.

9 Gedanken zu „Tragen „coole Kids“ wirklich keinen Thorshammer?

  • Pingback: … wo der Hammer hängt! - Asatru zum selber Denken - die Nornirs Ætt

  • Vielen Dank für dieses Bericht! Es ist sehr schade, dass derartige Symbole immer wieder zum Instrument von Gruppierungen (links wie rechts) werden. Die meisten, die derartigen Symbolen huldigen oder sie anprangern wissen nicht im Geringsten was sich dahinter verbirgt, sie folgen nur neuen, angedichteten Symbolwerten.
    Gerade der Thorshammer ist bezeichnend hierfür. So ist es ein Symbol der Nordischen Mytholodie, welches erst am dem 8.Jh. aufkam. Insofern man hier noch von Germanenstämmen als solches reden kann, bezieht sich diese mythologische Einheit nur auf Teile der germanischen Welt, wir bezeichnen diese Völker heute als Wikinger. Aktuell interessieren sich aber wohl die wenigsten für derartige geschichtliche Fakten. Wäre schön, wenn das wenigstens ein positives Nebenprodukt wäre. Vielmehr macht heute Wissen und Vernunft der Suche nach Argumenten für irgendeine Sache platz.
    Als Symbol des Heidentums ist der Thorshammer recht passend, da er, als Symbol der nordischen Mythologie, eine gut bekannte, offene und flexible Glaubensrichtung vertritt, die später auch das Christentum übernahm. Gerade bei neuheidnischen Glaubensgruppierungen steht ein ungebundener, freier Glaube im Vordergrund, was auch eine christliche Kirche nicht bieten kann. Der Zuwachs derartiger Gruppierungen könnte sich daraus erklären.

    Vielen Dank!

    Christian Herzog

  • Vielen Dank für die positive Kritik, Herr Herzog.

    Erlauben Sie mir, dass ich etwas klar stelle:

    Es ist sehr schade, dass derartige Symbole immer wieder zum Instrument von Gruppierungen (links wie rechts) werden.

    Mir sind keine germanischen (bzw. keltischen) Symbole bekannt, die von linken Gruppierungen instrumentalisiert, oder genauer gesagt vereinnahmt, werden. Zwar gibt es „Linke“, die solche alten Symbole verwenden, allerdings ohne sie als „Logo“ einer Partei, Gruppierung oder „Weltanschauung“ zu vereinnahmen.

    Die Strategie der „Rechten“ besteht einerseits darin, sich, indem sie auf archaische Symbole zurückgreifen, eine historische Legitimation zu verschaffen. Sie konstruieren eine „Tradition“, in der z. B. Wikingerkrieger, Soldaten der Waffen-SS und Schläger der „freien Kameradschaften“ in eine Reihe gestellt werden.
    Anderseits besetzen sie Symbole, bzw. geben ihnen eine auf den Nazi-Kontext eingeengte Bedeutung. Beides zusammen zielt auf die Diskurshoheit ab, die „Lufthoheit über den Stammtischen“, wie es ein „Neurechter“ Vordenker mal genannt hat. Die „Rechten“ geben die Deutungen vor, und es kann, wenn ihre Strategie aufgeht, gar nicht mehr z. B. über Runen geredet werden, ohne sich auf „völkische“ Deutungsmuster der Runen zu beziehen.

    Die meiner Ansicht nach sinnvollste Gegenstrategie ist es, diese „rechten“ Deutungsmuster durch Aufklärung, und indem man diese Symbole in eindeutig „nicht-rechtem“ Kontext verwendet, zu durchbrechen.

    MartinM

  • Felicitas

    Hi Martin,

    letzter Satz im Artikel:
    „und dass mitunter sogar Linke, Anarchisten, Feministinnen, Lesben, Schwule und sogar AntifaAktivisten den Mjölnir tragen.“

    Warum nicht?:
    „und dass auch Linke, Anarchisten, Feministinnen, Lesben, Schwule und sogar AntifaAktivisten den Mjölnir tragen.“

    Entspräche imho viel mehr der Intention des Artikels, dem rechten Vereinnahmungsdruck etwas entgegenzusetzen und klarzustellen, dass es eben erstmal gar nichts mit einer politischen Aussage zu tun hat/haben muss und auch völlig im normalen Rahmen liegt, dass unserereins in linken Kontexten in Erscheinung tritt.

    Ansonsten sprichst Du mir aus dem Herzen.
    Weiter so!
    Felis

  • munin

    @martinm: die doppelaxt wird als Symbol von manchen Feministinnen genutzt – bezieht sich auf die keltische doppelaxt, und wie man weiß, gab es zB mutterrechtliche Ordnungen im Britannien vor der römischen Eroberung.

    allerdings wurde die doppelaxt auch von Faschisten als Symbol benutzt – in diesem fall mit Bezug auf die „fasces“ Ruten und Axt gebündelt – wie im alten rom

  • Die (nicht nur) von einigen Feministinnen verwendete Doppelaxt bezieht sich auf die kretische Labrys, die wiederum ein Symbol der „minoisch“ genannten Kultur des bronzezeitlichen Kreta bezieht, die als matriarchalisch gilt. Die Labrys ist sozusagen das Symbol des Matriarchats – eine Verwendung, die schon in der Antike einsetzt, z. B. war die Doppelaxt in der klassischen und hellenistischen Kunst Attribut der Amazonen.

    Ich verstehe allerdings nicht ganz, was die Doppelaxt mit dem Thorshammer zu tun haben soll. Die öffentliche Wahrnehmung dieser Symbole ist doch deutlich verschieden!
    Die Liktorenbündel, die Faces, sind natürlich „belastete“ Symbole, allerdings dürfte es einfacher sein, sie der faschistischen Deutung zu entziehen, als etwa die Sowilo-Rune der Nazi-Deutung als „Siegrune“. Immerhin tauchen die Faces auch im französischen Staatswappen, im Wappen des Schweizer Kantons St. Gallen und im Siegel des Senats der Vereinigten Staaten auf, das macht es einfacher, in ihnen etwas anderes zu sehen, als nur eben das zentrale Symbol des italienischen Faschismus.

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