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Studie zur Intoleranz: menschenfeindliches Europa

Am 11. März 2011 stellte die Friedrich-Ebert-Stiftung die von ihr in Auftrag gegebene Studie Die Abwertung der Anderen vor.
Die Studie bestätigt das düstere Bild, dass schon frühere Studien zur „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ ergaben. (Der etwas sperrige Begriff „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ ist ein Überbegriff für Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Homophobie, usw. usw. – also immer, wenn Menschen andere Menschen anfeinden, nur weil diese einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden.)
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist in Europa weit verbreitet. Sie ist zudem keineswegs ein Phänomen von politischen Randgruppen, sondern findet sich auch in der Mitte der Gesellschaft.
Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Islamfeindlichkeit in Europa weit stärker verbreitet ist als bisher angenommen. Die Europäer sind in ihrer Ablehnung von Moslems und von Einwanderern auffällig einig: Rund die Hälfte aller befragten Deutschen stimmte der Aussage zu, dass der Islam „eine Religion der Intoleranz“ sei. In den Niederlanden, Portugal und Polen stimmten sogar 60 Prozent dieser Ansicht zu. Rund die Hälfte aller europäischen Befragten ist der Ansicht, es gebe zu viele Zuwanderer in ihrem Land. Ebenfalls etwa die Hälfte aller europäischen Befragten wünscht sich ein Arbeitplatzvorrecht für Einheimische in Krisenzeiten.
Vor diesem Hintergrund überrascht, dass knapp 70 Prozent aller Befragten in Zuwanderern eine Bereicherung für die eigene Kultur sehen.
Neben Islamfeindlichkeit ist vor allem der „klassische Rassismus“ und Antisemitismus deutlich geworden: 30 Prozent der Deutschen sagten, dass sie an eine „natürliche Hierarchie zwischen schwarzen und weißen Völkern“ glauben. Noch größer ist der Anteil „klassischer Rassisten“ in Portugal, wo sogar etwa die Hälfte der Befragten dieser Meinung waren.
Besonders ausgeprägt sind antisemitische und schwulenfeindliche Einstellungsmuster im katholisch geprägten Polen und Ungarn. Knapp 90 Prozent der Polen und 70 Prozent der Ungarn sprechen sich gegen gleichgeschlechtliche Ehen aus. Der Ansicht, dass Juden „Vorteile daraus ziehen, dass sie während der Nazi-Zeit die Opfer gewesen sind“, stimmen in Polen 72 Prozent und in Ungarn 68 Prozent der Befragten zu, in Deutschland sind ist immer noch 48 Prozent.

Neu ist gegenüber den früheren von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen Studien zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, dass achteuropäische Länder einbezogen wurden. Jeweils 1000 Menschen aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Italien, Portugal, Polen und Ungarn wurden 2008 für die 2,5 Millionen Euro teure Studie befragt. Finanziert wurde das Projekt durch Spenden privater Stiftungen.

Insgesamt bestätigt die Studie wieder einmal, dass es ein „Syndrom der Abwertung“ gibt: Wer Vorurteile gegen eine Gruppe (z. B. Schwule) hat, neigt auch gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen (z. B. Juden oder Einwanderern) zur Feindseligkeit.
Auffallend ist das weit verbreitete Gefühl politischer Machtlosigkeit und der Wunsch nach einem „starken Mann an der Spitze, der sich nicht um das Parlament oder Wahlen schert“. Der für die Studie verantwortliche Wissenschaftler Andreas Zick spricht von einem fundamentalen Demokratiedefizit in Europa, das oft mit Intoleranz und Diskriminierung Anderer einhergehe.

Als wichtigste Schutzfaktoren sehen die Vorurteilsforscher Vertrauen in andere Menschen, feste Freundschaften und Kontakt über die Gruppengrenzen hinweg.
Sie fordern eine engere Zusammenarbeit innerhalb der EU, um länderübergreifende Projekte gegen Diskriminierung zu unterstützen.

Studie Die Abwertung der Anderen (pdf)

So düster die Studie auch ist: sie gibt meiner Ansicht nach Hinweise, was gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit helfen könnte – und noch deutlicher, was eher nicht hilft. Wenn fast 70 Prozent meinen, dass Zuwanderer die eigenen Kultur bereichern, aber trotzdem fast die Hälfte der Befragten meinen, es gäbe zu viele Zuwanderer, dann kann da etwas nicht stimmen. Ich vermute, dass hier gut gemeinte Kampagnen bei vielen nur eine oberflächliche Wirkung hatten: „man“ hat gelernt, dass „man“ Einwanderer als kulturelle Bereicherung zu sehen hat. Kommt es aber hart auf hart (Arbeitsplätze!) sind die „kulturellen Bereicherer“ wieder „die Ausländerschwemme“ und „das Boot ist“ – wieder einmal – „voll“.

Eines der größten Probleme für das friedliche und gerechte Zusammenleben der Menschen ist offensichtlich religiöse Engstirnigkeit, die von machtbewussten Politikern gern als Treue zur christlichen Leitkultur gepriesen und gefördert wird. (In vorwiegend islamischen Ländern geht das auch auf muslimisch.)
Besonders Islamfeindlichkeit, Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit und (allem Gerede von einer „jüdisch-christlichen“ Kultur zum Trotz) Antisemitismus werden offensichtlich durch einen starken politischen und gesellschaftlichen Einfluss konservativer bis reaktionärer Kirchenfunktionäre angeheizt.

2 Gedanken zu „Studie zur Intoleranz: menschenfeindliches Europa

  • „Wenn fast 70 Prozent meinen, dass Zuwanderer die eigenen Kultur bereichern, aber trotzdem fast die Hälfte der Befragten meinen, es gäbe zu viele Zuwanderer, dann kann da etwas nicht stimmen. “

    Wahrscheinlich steht dahinter nur, daß die Befragten einzelne Zuwanderer durchaus als Bereicherung sehen können aber dennoch nicht für eine unbegrenzte Zuwanderung sind. Anders als die Autoren der Studie würde ich daraus kein vorurteilsgeprägtes Bild oder gar „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ sehen sondern eine differenzierte Wahrnehmung.

  • Das mag bei manchem sicher so sein. Bei anderen wird es reines Lippenbekenntnis sein. Aber die Frage nach den tieferen Motiven für die Antworten kann so eine Fragebogenstudie schon von der Methodik her nicht beantworten.
    Vielleicht kann man das ähnlich sehen wie mit dem „halb vollen“ und dem „halb leeren“ Glas. Auf Grund der beunruhigenden Wahlerfolge von „Rechtspopulisten“ (sprich: Vertretern einer menschenfeindlichen Politik) und der breiten Blutspur rechtsextremistisch motivierter Gewalttäter halte ich aber eine optimistische Beurteilung für potenziell gefährlich. Die Studie ist zweckpessimistisch – mit Recht!

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