Wissenschaft

Was hilft gegen Rassismus?

Menschen denken in Schubladen – ob sie wollen oder nicht. Das ergibt sich aus dem Bedürfnis, die Umgebung in Kategorien einzuteilen. Selbst in künstlichen Szenarien, etwa in willkürlich gebildeten Gruppen, neigen wir dazu Angehörige unserer Gruppe grundsätzlich besser zu bewerten als Außenstehende.
Um die eigene Gruppe möglichst gut dastehen zu lassen, gibt es grundsätzlich zwei Wege: die eigene Gruppe aufzuwerten oder die anderen Gruppen abzuwerten. Meistens werden „die Anderen“ schlecht gemacht,
einfach, weil es einfacher ist.
Schon kleine Kinder ordnen positive Merkmale meist ihrer eigenen Hautfarbe zu.
Offensichtlich ist an der alten Vorstellung, die Angst vor dem Fremden sei angeboren, etwa dran.

Solche gruppenbezogenen Vorurteile können leicht in gruppenbezogene Menschenfeindlichlichkeit (GMF) – in Rassismus, Sexismus, Nationalismus, Antisemitismus, Klassismus, Homophobie usw. usw. usw . – umschlagen. Meistens bleibt es nicht bei einer Gruppe – Antisemiten sind z. B.auffällig oft auch Rassisten, Nationalisten, Moslemhasser, Schwulenfeinde usw. usw..
Zum Glück ist das nicht bei allen Menschen in gleicher Weise der Fall.
Laut Ulrich Wagner, Sozialpsychologe an der Universität Marburg, gibt es zwei Kernmerkmale von Menschen mit ausgeprägtem GMF-Syndrom. Zum einen ist das die Neigung zum Autoritarismus: sie sind eher bereit, sich Autoritäten unterzuordnen und althergebrachte Normen hochzuhalten als „Menschenfreunde“. Zum anderen das, was die Sozialpsychologen „Dominanzorientierung“ nennen: Wer dominanzorientiert ist, nimmt nicht nur wahr, dass verschiedene Gruppen in der Gesellschaft unterschiedlich viel wert sind, sondern findet das auch noch richtig.

Hinter all dem scheint im Grunde nur Angst zu stehen. Nicht die persönliche Angst, die führt eher zur Wut oder Scham und lässt sich relativ leicht bekämpfen. Die Angst, die hinter den Vorurteilen steckt, ist subtil und unbewusst: sie entsteht, wenn die eigene Gruppe bedroht ist, oder auch nur bedroht zu sein scheint. Sei kann sich auf ganz Reales, wie Arbeitsplätze oder öffentliche Gelder, aber auch auf Symbolisches wie kulturelle Werte und Normen beziehen.

Auf einem beruht gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ganz sicher nicht: auf schlechten Erfahrungen. Mag sein, dass im Einzelfall schlechte Erfahrungen z. B. mit einem Russen auf „die Russen“ verallgemeinert werden. Aber schon solche unzulässigen Verallgemeinerungen setzen ein Umfeld voraus, in dem Vorurteile dieser Art akzeptiert werden.
Die Vorurteile gegen Ausländer sind dort besonders stark, wo kaum Ausländer leben. Rassismus gedeiht bei denen besonders gut, die gar keine Erfahrung mit Menschen anderer Hautfarbe haben.

Vorurteile lassen sich nur schwer bekämpfen. Das Einzige, was sich laut Wagner als erfolgreich erwiesen hat, sind möglichst vielfältige persönliche Kontakte. Sie lösen die Gruppengrenzen auf. Der „Andere“ wird als eigenständige Persönlichkeit, nicht als „einer von denen da“ wahrgenommen, Gemeinsamkeiten und gemeinsame Interessen über die Gruppengrenzen hinweg erkannt.

Parallel dazu müssen sich die Normen in der Gesellschaft verändern. Werden Vorurteile nicht akzeptiert, schwächen sie sich ab. Vor 40 Jahren wurde noch sehr viel von „Kümmeltürken“ oder „Polacken“ geredet – heute sind solche Sprüche und die damit verbundenen Vorurteile nicht mehr gesellschaftsfähig. Auch die Ablehnung von Schwulen und Lesben hat deutlich abgenommen, seitdem Homosexuelle vor dem Gesetz nicht mehr anders behandelt werden als Heterosexuelle.

Ilka Lehnen-Beyel: „Spaghettifresser und Kümmeltürken – was gegen Ausländerfeindlichkeit und Vorurteile hilft.“ Bild der Wissenschaft, 3/2011, S. 82 – 88

Übersicht über sozialpsychologische Gruppeneffekte: www.uni-marburg.de/fb04/team-wagner Unter „Lehre“, dann „Downloads“, dann „Hagenpapier“.

Weitere Fakten beim Projekt „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ an der Universität Bielefeld.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert