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Wie viele würden „rechtspopulistisch“ wählen?

Mannheimer Politikwissenschaftler Thorsten Faas: Für 26 Prozent der Befragten ist Sarrazin wählbar.
Das ist ein deutlicher Unterschied zu den (immerhin) 18 %, die nach anderen Umfragen eine wohl sozialdarwinistische und antiislamische „Sarrazin Partei“ wählen würden.

Umso bemerkenswerter ist Faas‘ Umfrage, weil es in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch keine rechtsextreme oder auch „nur“ rechtspopulistische Partei schaffte über 20 % der Wählerstimmen zu kommen – und selbst Ergebnisse über 10 % sind Ausnahmen.

Dass rechtspopulistische Parteien, anders als in Österreich, den Niederlanden, Belgien, Dänemark usw. in Deutschland meistens relativ erfolglos bleiben, liegt wahrscheinlich an deren Führungspersonal.
Das Beispiel Ronald Schill deutet darauf hin, dass rechtspopulistische Parteien auch in Deutschland dann gute Chancen haben, wenn sie mit einer charismatischen „Führerfigur“ antreten. Bei den Wahlen in Hamburg 2001 erreichte die damals von ihm geprägte „PRO“ 19,4 % der Wählerstimmen.

Es wurde daher schon länger vermutet, dass mit einem bekannter und boulevardmedientauglichen Politiker eine „PRO“-ähnliche rechtspopulistische Partei ohne weiteres Schills Wahlergebnis von 2001 übertreffen könnte.

Ein Problem bei herkömmlichen Umfragen ist, dass die Befragten vor „unerwünschten“ Antworten zurückschrecken, und daher „politisch korrekt“ antworten. Daher wird das Potenzial radikaler Parteien – wie zuletzt in Schweden das der fremden- und minderheitenfeindlichen SD – in Wahlumfragen oft unterschätzt.

Prof. Dr. Thorsten Faas ist Politikwissenschaftler der Universität Mannheim und Projektleiter am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) . Gemeinsam mit dem Umfrageinstitut YouGovPsychonomics AG führte er eine repräsentative Befragung durch. Für 26 Prozent aller Befragten wäre eine rechtspopulistische Partei unter Führung von Thilo Sarrazin demnach grundsätzlich wählbar. Bislang kamen Erhebungen auf ein Potenzial von rund 18 Prozent.

Um sozial als erwünscht geltende Antworten auszuschließen, griff Faas auf eine innovative Methode zurück:

„Wir nannten 500 repräsentativ ausgewählten Menschen eine Liste mit einigen bekannten Politikern inklusive Sarrazin. 500 andere, ebenfalls repräsentativ ausgewählte Menschen, bekamen diese Liste ohne Sarrazin. Dann fragten wir nicht etwa, wem die Menschen ihre Stimme geben würden, sondern lediglich, welche Anzahl an Parteien auf beiden Listen als grundsätzlich wählbar angesehen wird.“

Die Befragten, die Sarrazin auf der Liste hatten, gaben im Schnitt 1,83 Parteien an, die für sie wählbar sind. Die Gruppe der Befragten ohne Sarrazin fand dagegen im Schnitt nur 1,57 Parteien wählbar. Die Differenz von 0,26 könne nur auf Sarrazin zurückgeführt werden. Das Wählerpotenzial liege folglich bei 26 Prozent.
Potenzial für mögliche „Sarrazin-Partei“ höher als bisher angenommen (Pressemitteilung der Uni Mannheim).

Die Erhebungsmethode – ein „List Experiment“ – hat der Politikwissenschaftler für das Blog Politik nach Zahlen auf ZEIT ONLINE ausführlich erläutert. Dort erklärt er auch, aus welchen politischen Lagern sich das Potenzial für eine mögliche neue Partei speist.

Noch einmal: Über das (erhebliche) Protest-Potenzial einer (möglichen) Sarrazin-Partei

Ist das (erhebliche) Protest-Potenzial einer (möglichen) Sarrazin-Partei valide?

Einen wichtigen Grund, weshalb rechtspopulistische Parteien (wieder) auf dem Vormarsch sind, nennt Parteienfoscher Franz Walter auf SpOn:

(… )Doch deswegen ist die gesellschaftliche Mitte nicht unmittelbar „solidarisch“ oder gar „links“. Die Mindeststandards bilden lediglich das potentielle Auffangnetz für die Mitte beim befürchteten Fall aus dem Wohlstandsleben. Aber zugleich sind die Aggressionen in der Mitte gegen „fremdartige“ Randgruppen gestiegen. Für kostenträchtige Integrationsprojekte zugunsten von Migranten wird man in der Mitte auch nicht mehr allzu viel Applaus ernten oder gar Finanzierungsbereitschaft finden. Die mentale Distanz zu Ausländern etwa ist gerade im Zentrum der Gesellschaft signifikant gewachsen. Die Sarrazin-Thesen fanden hier große Zustimmung. (…)

Ende der Solidarität –
Die Angst der Mitte vor Hartz 5

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