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Luisa Francia: Die Göttin im Federkleid. Das weibliche Universum bei Kelten und Germanen

Luisa Francia: Die Göttin im Federkleid

Wenn eine so altgediente Größe der Hexenbewegung sich mit den Kelten und Germanen befaßt, dann ist das Ergebnis für mich geradezu Pflichtlektüre. Ich nehme nicht viel vorweg, wenn ich sage, daß mich dieses Buch eher enttäuscht hat.
Das liegt vor allem an einem: Kritischer Umgang mit Quellen und Exaktheit, wie sie bei diesem Thema eigentlich angeraten wären, sind Francias Stärke leider nicht. Den GermanInnen etwa Reste einer matriarchalen Gesellschaftsordnung zu unterstellen, ohne dafür Quellen zu nennen, geht mir gegen den Strich, nicht weil ich irgendeinen Vorbehalt gegen matriarchale Zustände an sich habe, sondern weil es abermals eine mythisierende Interpretation ist, die die Informationen, aus denen sie gewonnen ist, verschleiert. Und daß sie den Mythos von der Hexenverfolgung als „Vernichtung der Weisen Frauen“ weiter kolportiert, obwohl sie es besser wissen könnte, ist regelrecht ärgerlich. Ebenso fällt einem die zutiefst heteronormative Opposition Männer gegen Frauen, wie Francia sie so gerne beschwört – hie die aggressiven, im Grunde primitiven, machtversessenen, rationalen Männer, dort die kulturschöpfenden, kreativen, friedlichen, mit der Erde in Einklang lebenden Frauen -, eher früher als später auf die Nerven. Die Glorifizierung geschützter Frauenräume macht die Sache nicht besser. Ihre Skepsis an der Geschichtswissenschaft und der Archäologie, denen sie vorwirft, sich nur für das männliche Leben zu interessieren, wirkt fragwürdig, wo der Verdacht entsteht, daß sie sich die Welt macht, wie sie ihr gefällt und nur die Fakten zur Kenntnis nimmt, die in ihr Weltbild passen. Bitterlich vermisse ich auch Quellenangaben, und wo sie Quellen nennt, wecken die eher noch mehr Zweifel. So kann ich den Eindruck nicht abschütteln, daß sie sich relativ unkritsch auf Tacitus und andere römische Geschichtsschreiber stützt, deren voreingenommene Perspektive ja durchaus bekannt ist.

Trotzdem liest sich das Buch leicht und, wo die beschriebenen Mängel mich nicht gerade verärgert haben, auch spaßig, interessant, ja fesselnd. Francia ist dort stark, wo sie ganz aus sich selbst schöpft, wo sie erzählt. Poetisch, bisweilen komisch, unterhalten ihre Märchen-Neuerzählungen. Auch das Kapitel über Landesmütter habe ich mit Spaß an der Sache gelesen. Ihre Schilderung der keltischen und germanischen Göttinnen macht ebenfalls Freude, hier ist sie in ihrem Element.
Das kurze Jahreskreis-Kapitel hingegen läßt diesen Eindruck des „in ihrem Element seins“ ein wenig vermissen. Dort drängt sich der Verdacht auf, daß es nur angehängt wurde, weil das Thema bei Kelten und Germanen nun mal auf dem Tisch ist und erwartet wird. Einiges in diesem Kapitel (z.B. die Gleichsetzung von Beltane mit der Sommersonnenwende) wirkt uninformiert und geht an dem vorbei, was ich von anderen Autorinnen und aus der verbreiteten Praxis der heidnischen Bewegung kenne.

Fazit
„Die Göttin im Federkleid“ ist ein Lesebuch, das mit eingeschaltetem Kopf und einer gewissen kritischen Distanz gelesen sein will. Es enthält wenig Neues, und wer irgendeine Art von Anleitung, Ritualanregung oder Information über keltische bzw. germanische Religion und Kulte sucht, sollte zu anderer Literatur greifen.
Die germanischen Stämme hätten es nötig, unter dem Wust von Zerrbildern, historischer Fehlinformation, glorifizierender nationalistischer Aneignung und Tabus hervorgeholt zu werden. Francia erweist ihnen allerdings einen Bärendienst, indem sie ihre Quellen verschweigt und auf eine nachgerade esoterische Weise abermals mythisiert.
Für mich war „Die Göttin im Federkleid“ ein getrübtes Vergnügen, zum Einstieg in das Thema „Kelten und Germanen“ würde ich es definitiv nicht empfehlen.

Ein Gedanke zu „Luisa Francia: Die Göttin im Federkleid. Das weibliche Universum bei Kelten und Germanen

  • Und daß sie den Mythos von der Hexenverfolgung als “Vernichtung der Weisen Frauen” weiter kolportiert, obwohl sie es besser wissen könnte, ist regelrecht ärgerlich.

    Damit ist sie leider nicht die Einzige. Diese Hypothese konnte ja deshalb zum modernen Mythos werden, weil sie dem Wunschdenken und den Feindbildern vieler „moderner Hexen“ und mancher Feministinnen so genau entspricht. Da Luisa Franca anscheinend zum Wunschdenken neigt, wundert es mich gar nicht, dass sie von dieser weitgehend pseudowissenschaftlichen „Erklärung“ der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung nicht lassen will.

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