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Protest und Ethik

Zu diesen Überlegungen gehört unbedingt ein Beitrag in Sven Scholz Blog: Nazis und die Meinungfreiheit.

Es stimmt, dass in Dresden und anderswo das Demonstrationsrecht mit Blick auf die „kackbraunen Kameraden“ eingeschränkt wurde – z. B. sind bestimmte symbolträchtige Orte jetzt als Kundgebungsort um das sensible Datum 13. Februar herum nicht mehr zulässig. Es stimmt auch, dass es keine gute Idee ist, Fans einer stramm obrigkeitshörigen Gesellschaftsordnung mit obrigkeitsstaatlichen Mitteln bekämpfen zu wollen.
Im konkreten Fall „Dresdner Nazikundgebungen“ ist die Situation aber so, dass es im Interesse der Demokratie (die die Neonazis bekanntlich bekämpfen) und der Gewaltabwehr (denn die „Kackbraunen“ „argumentieren“ lieber mit dem Kantholz als mit Kant) geboten sein kann, die Demonstrationsfreiheit für eine Gruppierung, von der klar ist, dass ihnen an der Demonstrationfreiheit für andere nichts liegt, einzuschränken. Der sächsische Justizminister Jürgen Martens (FDP) sagte in der Landtagsdebatte:

Die Rechtsextremisten wollen nicht trauern, sie wollen nicht gedenken, sie wollen provozieren, hetzen und Geschichtsfälschung unter die Leute bringen.

Womit er völlig recht hat.

Nun gibt es die absurde Situation, dass ein breites Bündnis, das zu einer Sitzblockade gegen die Nazi-Demo aufruft, kriminalisiert wird – wobei auch das Mittel der Zensur eingesetzt wird. Staatsanwaltschaft legt Seite von Dresden-nazifrei still (npd-blog).

In den großen Friedensdemos der 1980er Jahre galten selbst unter überzeugten Pazifisten Sitzblockaden als gewaltfreies Mittel. Die einzigen, die damals von „Nötigung des Staates“ redeten, standen auf der Seite der staatlichen Autoritäten und gingen dabei von einem ausgesprochen autoritären Staatsverständnis aus: „Wir bestimmen, und keiner muckt gegen unsere Entscheidungen auf“.
Noch drastischer war die Situation in der DDR – nach DDR-Rechtsverständnis waren Demonstranten, die sich ohne Gegenwehr wegtragen ließen, Verbrecher. „Keine Gewalt“ hieß eben nicht „Wir halten uns an alle Vorgaben der Behörden“ – in der DDR-Situation wäre das auch offenkundig absurd gewesen.

Radikaler Pazifismus erhebt völlige Gewaltlosigkeit zur obersten moralischen Maxime. Das mag ehrenwert sein, aber aus pragmatischer, freiheitsliebender Sicht ist das eine ähnliche Dummheit wie Gesetzestreue um jeden Preis.
Radikaler Pazifismus, der seinerzeit in der Friedensbewegung bei aller Friedfertigkeit nur die Position einer als weltfremd belächelten Minderheit war, ist eine moralische Position, die sich praktisch nicht lange einhalten lässt.
Unter normalen Umständen kann die Feder wirklich mächtiger sein als das Schwert. Allerdings wüsste ich nicht, wie man sich mit einer Feder (beziehungsweise mit Worten) gegen eine Horde gewaltgeiler Neonazis wehren könnte.
Es ist leider nun einmal so, dass man zur Verteidigung von Menschenrechten in bestimmten Situationen möglicherweise Gewalt anwenden muss. Wobei eine Sitzblockade gegen Neonazis nicht einmal Gewalt wäre. Selbst Mahatma Gandhi hatte keine Probleme damit, dieses Mittel des passiven Widerstandes einzusetzen.

Was jene, die von „unbedingter Gewaltlosigkeit“ und „auf keinen Fall Verbotenes tun“ reden, ignorieren, ist, dass einem Freiheiten eben nicht geschenkt werden!

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