Braune Flecken im Biogarten
Es gab eine Zeit, vor etwa 30 Jahren, da hatte die „Öko-Szene“ ziemlich ausgeprägte braune Ränder. Dennoch war weder sie, noch waren es die frühen „GRÜNEN“, rechtsextrem unterwandert.
Das mediale Geraune über angeblich kackbraunen Kameraden bei den Piraten erinnert mich an Baldur Springmann, der die Grünen mitgegründet hat.
Piraten und Nazis: Burks‘ Blog.
Springmanns Drall ins Rechtsextreme war meiner Ansicht nach noch ausgeprägter als es aus dem „Wikipedia“-Artikel hervorgeht. Bis in den Tod, wie diese Todesanzeige von „Rassen-Jürgen“ Riegers „Artgemeinschaft“ zeigt:
Für die „GRÜNEN“ damals war der reale parteipolitische Schaden durch den „Braun-Grünen“ Springmann eher gering: Springmann verließ die seiner Ansicht von Linken durchsetzten „GRÜNEN“ im Streit und gründete 1982 gemeinsam mit Herbert Gruhl die ursprünglich erzkonservative Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die er 1989, ebenfalls im Streit, verließ. Aus den „GRÜNEN“ hätte, angesichts der damals noch unaufgearbeiteten „deutschvölkischen“ Traditionen im Naturschutz, öko-autoritärer Apokalyptiker wie Gruhl und der Unterwanderungsversuche durch Neonazis, eine rechtslastige Öko-Partei werden können – dass sie es nicht wurde, spricht für die demokratische Reife der frühen „GRÜNEN“.
Die Außenwirkung Springmanns um 1980 war weitaus größer als seine politische Bedeutung für die „GRÜNEN“. Springmann war „journalistisch interessant“, und zwar bis in die Boulevardpresse: schon optisch gab der Ökobauer mit weißem Haar und Vollbart, der gerne bunte Bauernkittel trug, einiges her. Er war exzentrisch genug, um interessant zu sein, aber hinreichend konservativ, um nicht als „weltfremder Spinner“ abgetan zu werden. Dass das, was er „Naturreligiosität“ nannte, rechte Esoterik mit deutlich ariosophischem Einschlag war, wurde einfach nicht erkannt oder übersehen. Selbst dass er neben dem bäuerlichen Leben und der Abwendung vom „Wachstumswahn“ auch „die Liebe zum Deutschtum“ und „Widerstand gegen die geplante Abschaffung des deutschen Volkes“ propagierte, thematisierten und kritisierten damals nur wenige, unter ihnen der linke Grün-Alternative und „GRÜNEN“-Mitgründer Rainer Trampert.
Als größter „braune Fleck“ auf der grünen Weste wurde damals allerdings August Haußleiter wahrgenommen, immerhin einer der drei gleichberechtigten Vorsitzenden / Sprecher der „GRÜNEN“. 1980 trat er als Sprecher der „GRÜNEN“ zurück, weil seine Vergangenheit bekannt wurde: als rechter Kleinstparteien-Führer (AUD), der 1965 über ein Wahlbündnis mit der NPD verhandelte, als Kriegsberichterstatter, der im 2. Weltkrieg Hasspropaganda verfasste und jemand der 1952 die Nürnberger Prozesse und die Entnazifizierung als „das dümmste und infamste aller Strafgerichte“ schmähte und den Alliierten vorwarf, die Konzentrationslager weiter zu benutzen. Springmann gelang es, im Gegensatz zu Haußleiter, seine NS-Vergangenheit (Stahlhelm, „Schwarze Reichswehr“, SA-Mitglied, SS-Mitglied, Mitglied der NSDAP, als Marineoffizier „NS-Führungsoffizier“) zu verschleiern, wobei es ihm zugute kam, dass er nicht wie ein „typischer“ Altnazi redete und handelte.
In ihrem Aufsatz Grün-braune Liebe zur Natur (PDF) kritisieren Peter Bierl und Clemens Heni, dass es zwar es eine ideologiekritische Forschung zur Geschichte des Naturschutzes gäbe, welche sich mit der braunen Tradition des Umweltschutzes beschäftigt, die im Kaiserreich als Heimatschutz und völkische Lebensreformbewegung begonnen hatte, aber dass die Aktivitäten ehemaliger NSDAP-Mitglieder wie Baldur Springmann und Werner Vogel oder des neu-rechten Propagandisten Henning Eichberg bei der Gründung der Grünen „in Vergessenheit“ geraten seien.
Meiner Ansicht nach sind die „braunen Flecken“ nicht einfach nur übersehen oder vergessen worden. Die unbequeme Erkenntnis, wie sehr Naturschutz und Öko-Landwirtschaft in Deutschland mit Nazi-Ideologie verwoben sind, wurde einfach verdrängt. Oder verzerrt und verklärt, wie es bis heute im Tierschutz geschieht: Tierfreundliche Nazis?
Es gab einen „grünen“ Flügel der NSDAP. Landwirtschaftsminister Rudolf Walther Darré kooperierte mit Demeter, Weleda und den anthroposophischen, biologisch-dynamischen Landwirten – im augenscheinlichen Widerspruch zu der Tatsache, dass die „Anthroposophische Gesellschaft“ in Nazideutschland ab 1935 verboten war. Offenbar wurden die Anthroposophen von den Nazis als weltanschauliche Konkurrenz bekämpft, während Teile ihrer Lehre „NS-kompatibel“ waren. Hinzu kam, dass einige Anthroposophen sich offensiv an die NS-Führung anbiederten.
Einen „harten Kern“ der „grünen Nazis“ bildeten die in der NS-„Bewegung“ aufgegangenen Artamanen. Sie verbanden den völkischen Okkultismus der Ariosophie mit der Naturschwärmerei der Lebensreform, Ideen der Naturschutzbewegung und dem Kulturpessimismus Oswald Sprenglers („Der Untergang des Abendlandes“). Die Artamanen verfolgten eine stramm agroromantische Zielsetzung, verherrlichten die Bauern als die einzigen „organischen Menschen“ und predigten die Abkehr von der „internationalen Asphaltkultur der Großstädte“. Sie verabscheuten die westliche „Zuvielisation“ und träumten von einem naturverbundenen Leben ohne Industrie. Das Mittel zu diesem „sanften“ Zweck war brutale Gewalt bis zum Völkermord: „Lebensraum“ sollte im Osten erobert werden, damit das deutsche Volk wieder zur Scholle zurückkehren könne.
Der ehemalige bayrische Gauleiter der Artamanen, „Reichsführer SS“ Heinrich Himmler, betrachtete „seine“ SS als legitime Erbin der Artamanen. Er übernahm nicht nur die Uniform, das „Artamanenschwarz“, sondern auch die Weltanschauung, allerdings ergänzt um einen zynischen Opportunismus und ohne die ursprüngliche Technikfeindlichkeit. Der „Reichsführer SS“ war und blieb bis zu seinem Selbstmord 1945 ein in der Wolle gefärbter Okkultist ariosophischer Prägung. Wohl auch deshalb war er ein Förderer und Gönner der mit einen ziemlich mächtigen esoterischen Überbau versehenen biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Ein anderer „Nazi-Esoteriker“, dessen Einfluss dafür sorgte, dass die Methoden des biologisch-dynamischen Landbaus in der NS-Zeit, anders als andere Lehren der Antroposophen, nicht nur nicht unterdrückt wurden, sondern zumindest von völkisch-mystisch orientierten Nazis als Teil ihrer Ideologie begriffen wurden, war der „Stellvertreter des Führers“ der NSDAP, Rudolf Hess.
Zugleich Nutznießer wie Förderer der Vorliebe ranghoher Nazis für biologisch-dynamischen Landbau und Gärtnerei, und von zentraler Bedeutung für den Naturschutz im NS war der Gartenarchitekt Alwin Seifert. Seifert war seit 1934 als „Reichslandschaftsanwalt“ an der Gestaltung der neuen Autobahnen beteiligt, vorzugsweise mit ihrer Begrünung mit heimischen Gehölzen. In der der „Times online“ erschien im September 2008 ein interessanter Artikel über Seifert, der von der traditionellen britischen Skepsis gegen deutschen Naturmystizismus profitiert: German organic gardening guru Alwin Seifert took tips from Dachau experiments. Die Behauptung der „Times“, er wäre für die „kurvige“, in die Landschaft eingepasste Streckenführung der Reichsautobahnen verantwortlich gewesen, dürfte zwar Legende sein: die Autobahnen wurden so trassiert, dass die Erdbewegung möglichst gering war. Was allerdings ohne Zweifel stimmt: Seifert war mitverantwortlich für den Kräutergarten der SS im KZ Dachau (ein Lieblingsprojekt Himmlers), wo viele Häftlingen aufgrund der Arbeitsbedingungen starben, während die SS biologisch-dynamische Anbaumethoden testete. Wahrscheinlich gingen in sein Buch „Gärtnern, Ackern – ohne Gift“, bis heute ein Klassiker der ökologischen Landwirtschaft, auch Erfahrungen aus dem Kräutergarten von Dachau ein.
Seifert, in der NS-Zeit eifriger Antisemit und „völkischer“ Denker, schaffte es trotzdem das Entnazifizierungsverfahren als „Mitläufer“ abzuschließen. 1950 wurde Seifert Professor und 1954/55 Ordinarius für Landschaftspflege, Straßen- und Wasserbau an der Technischen Hochschule in München und war jahrelang Vorsitzender des Bundes Naturschutz. 1958 bis 1963 war er Bundesleiter des Bund Naturschutz in Bayern, einer Vorläuferorganisation des BUND. Seifert war 1961 einer der 16 Unterzeichner der „Grünen Charta von der Mainau“, die vom Grafen Lennart Bernadotte initiiert und von Bundespräsident Lübke gleich vor Ort verkündet wurde. 1961 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz.
In seiner Rede Naturschutz und Nationalsozialismus (2002) setzte sich der damalige Bundesumweltminister Jürger Trittin (GRÜNE / Bündnis 90) mit der kackbraunen Erblast für den Naturschutz auseinander. Er sprach dabei etwas aus, was jahrzehntelang jedem Kenner des bis 1976 gültigen „Reichsnaturschutzgesetz“ klar gewesen sein müsste, aber ob des „vorbildlichen Charakter“ dieses Gesetzes in Natur- und Umweltschützerkreisen verdrängt wurde: Das Reichsnaturschutzgesetz von 1935 war ein Gesetz der Nationalsozialisten, und das nicht nur, weil es auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes handstreichartig verabschiedet wurde, sondern auch von seiner Ausrichtung. Trittin ging auch auf die zwiespältige Rolle Seiferts ein.
Um 1980 herum wäre diese kritische Haltung in der Umweltbewegung wahrscheinlich eine Außenseiterposition, wie die des „Grün-Alternativen“ Tramperts, gewesen. Und mit noch größerer Wahrscheinlichkeit wäre die ihr zugrunde liegende Erkenntnisse von politischen Gegnern der „GRÜNEN“ und der politischen Umweltbewegung benutzt worden, die „Ökospinner“ in die „braune Ecke“ zu stellen. In die sie dann doch, trotz einiger „brauner Ränder“, ganz und gar nicht gehörte.
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