Tödliche „Hexenjagd“ in Papua-Neuguinea

8. April 2013 | Von | Kategorie: Gjallarhorn Weblog

In Papua-Neuguinea wurden wieder Frauen wegen „Zauberei“ ermordet. In der Stadt Bougainville seien zwei ältere Frauen als angebliche Hexen gefoltert und anschließend enthauptet worden, berichtete die in der Hauptstadt Port Moresby erscheinende Tageszeitung „Post-Courier“: Women beheaded (Post Courier)

Besonders erschreckend ist, dass die Tat offenbar unter den Augen der Polizei stattfand. Die Polizei sei gegenüber der aufgebrachten, mit automatischen Gewehren, Äxten und Messern bewaffneten Menge machtlos gewesen. „Wir waren hilflos. Wir konnten nichts machen“ sagte Polizeichefinspektor Herman Birengka laut „Post Courier“. Vermittlungsversuche wären gescheitert und man habe lediglich die Familien der beiden Frauen in Sicherheit bringen können.

Die beiden Frauen seien am vergangenen Dienstag in die Hände ihrer Peiniger geraten und nach drei Tagen grausamer Folter am Freitag enthauptet worden. Erst vor Kurzen wurden sechs Frauen gefoltert, denen ebenfalls Zauberei vorgeworfen wurde. Mitte Februar war in Mount Hagen eine Frau bei lebendigem Leib verbrannt worden. Sie soll einen Jungen „verhext“ und getötet haben.

Die Kirche sowie Menschenrechtsorganisationen fordern einen entschiedenen Kampf gegen den in Papua-Neuguinea weit verbreiteten „Hexenglauben“
Sanguma. Nach dem Mord im Februar forderte Douglas Young, Erzbischof von Mount Hagen, dass die katholische Kirche härter an der Bekämpfung des Glaubens an Hexerei arbeiten müsse.

Seit dem „Sorcery Act“ von 1971 ist Schadenzauber in Papua-Neuguinea ein Straftatbestand.

Kommentar: Mir ist in verschiedenen Berichten deutschsprachiger Medien über die tragischen Vorfälle ein Klischee aufgefallen, das auch bei Berichten über „Hexenjagden“ in Afrika regelmäßig auftaucht: Das sei eben ein armes, rückständiges Land, mit tief verwurzeltem traditioneller Aberglauben, und dieser Aberglauben müsse entschieden bekämpft werden. Ein Problem einer rückständigen, noch weitgehend primitiven Gesellschaft. Einige Medien illustrierten ihren Bericht sogar mit Fotos von Papuas in traditioneller Stammestracht (Nachtrag: Frauen in knappen Grasröcken, Männer in Federschmuck und mit durch die Nase gezogenen Knochen), die in der Großstadt Bougainville wohl schwerlich zum normalen Kleidungsstil gehören dürfte. (Klischeealarm Stufe dunkelrot!)

Abgesehen davon, dass die Todesstrafe auf „Hexerei“ ausgerechnet in dem keineswegs „rückständigen“, aber von religiösen Fanatismus geprägten Saudi-Arabien ganz offiziell verhängt wird: Das aus vielen Ländern bekannte Prinzip „aberglaubische Praktiken einfach verbieten“, das letzten Endes noch auf die Kolonialzeit zurückgeht, hat anscheinend auch in Papua-Neuguinea versagt.

Wie in anderen Gesellschaften – übrigens ansatzweise auch bei uns – werden auch im Hochland von Papua-Neuguinea für unerklärbare Todesfälle oder Krankheiten, Missernten, Unfälle oder Ehebruch „Schuldige“ bzw. „Sündenböcke“ gesucht – und in tatsächlichen und vermeindlichen Sanguma-„Hexen“ und Frauen (seltener Männern) gefunden.
Wie während der bekannten europäischen Hexenverfolgung der Frühen Neuzeit werden in vielen Fällen die der Zauberei beschuldigten Männer und Frauen bedroht, umgebracht oder vertrieben. Wie bei den meisten Hexenjagden zu allen Zeiten und in allen Ländern trifft es vor allem alleinstehende Frauen oder Menschen am Rande der Gemeinschaft, die der „Hexerei“ oder der Anwendung des „bösen Blicks“ beschuldigt werden. Irrationale Ängste lassen sich nicht per Gesetz verbieten.

Laut Amnesty International hat Papua Neuguinea die höchste AIDS-Rate und Sterblichkeit in Zusammenhang mit AIDS im gesamten pazifischen Raum. Da das Landesinnere unwegsam und die Infrastruktur dort sehr mangelhaft ist, ist auch die medizinische Versorgung katastrophal. Es fehlt auch an Schulbildung und Gesundheitsaufklärung. Die Angst vor der unheimlichen und unerklärlichen Krankheit zieht, unter diesen Umständen erfahrungsgemäß „“übernatürliche“ Erklärungen und „Verschwörungstheorien“ nach sich. Gäbe es Sanguma nicht, würde aller Erfahrung nach irgend jemand anders für die AIDS-Epidemie „verantwortlich gemacht“. (Auch im „Westen“ glauben erschreckend viele Menschen an die „Theorie“, dass AIDS „in Wirklichkeit“ eine im Auftrag der CIA / der Zionisten / der Illuminaten usw. usw. entwickelte biologische Waffe sei. Noch weiter verbreitet ist die Ansicht, dass AIDS eine „Strafe Gottes“ für „sündige“ Sexualpraktiken wie Homosexualität sei.)

Die christliche Religion, die vielfach als „Heilmittel“ gegen den „alten Aberglauben“ gepriesen wird, heizt, wie aus Westafrika bekannt ist, oft die „Hexenpanik“ erst richtig an. Vor allem gilt das für evangelikale fundamentalistischen Gruppen, die überall den Teufel am Werke sehen, und damit aus der „traditonellen“ Schadenzauberfurcht eine „Höllenangst“ macht, die oft – ganz nach dem Muster der europäischen Hexenjagd – von Teufelspaktphantasien geprägt ist.
Auch der katholische Glauben ist in diesem Zusammenhang keineswegs unproblematisch, da das Wirken des „leibhaftigen“ Teufels fester Bestand der Dogmatik ist. Das Selbe lässt sich auch von den fundamentalistischen, vor allem salafistischen, Richtungen des Islam sagen.

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