Odins Auge Artikel

Des „listigen Guidos“ Erben (3): Der Armanenorden

Nach 1945 war „völkische Esoterik“ verständlicherweise lange Zeit tabuisiert. Eine wirkliche öffentliche Auseinandersetzung fand dennoch weder in der eifrig verdrängenden BRD noch in der von einem auf rein ökonomisch/politische Erklärungsmodelle verengten staatlichen Antifaschismus geprägten DDR statt.
In den 1960er Jahren gründete Adolf Schleipfer die „Guido-von-List-Gesellschaft“ neu. Von Anfang an dabei war seine damalige Frau Sigrun Schleipfer, geborene Sigrun Hammerbacher, Tochter eines NSDAP-Kreisleiters, die sich manchmal in ariosophischer Selbstadlungstradition Sigrun Freifrau von Schlichting nennt. 1976 gründete Adolf Schleipfer zusammen mit seiner Ehefrau Sigrun den Armanenorden (AO). Der AO beruft sich im wesendlichen auf List und Lanz, von etwaigen unbedeutenden Modernisierungen abgesehen. So vermeiden die Armanen die gröbsten Antisemitismen ihrer Vorgänger – wohl auch, um einem Verbot vorzubeugen.

Frauenrolle und Wirtschaftsleben in der armanischen Weltanschauung
Auch die Stellung der Frau wird anders definiert als einst bei Lanz „von Liebenfels“: der AO vertritt religiös begründet die Gleichstellung von Mann und Frau. Frauen können innerhalb der religiösen Hierarchie des AO gleichberechtigt aufsteigen. Das dürfte zum Teil ein Zugeständnis an die gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse sein, oder ein Ausdruck der simplen Tatsache, dass eine Frau an der Spitze des AO wohl schwerlich das brutal frauenfeindliche Weltbild der alten Ariosophen vertreten kann. Dennoch unterscheidet sich die Frauenrolle im AO deutlich von dem der Moderne. Sie folgt in etwa dem Vorbild der Nordgermanen der Wikingerzeit: Die Frau war Herrin im Haus, in das ihr der Mann, der draußen im „feindlichen Leben“ stand und oft lange Zeit abwesend war, nicht ohne weiteres hineinreden konnte. Ansonsten ist die Frau, wie im NS-Weltbild, vor allem für die Erhaltung der „Art“ verantwortlich. Ihre Aufgabe ist es, möglichst viele gesunde germanische Kinder zu gebären. Ein Beispiel dafür ist Sigrun Schleipfer selbst, die acht Kinder hat.

In der Irminsul, der Zeitschrift der Guido-von-List-Gesellschaft, heißt es:

„Dem Germanen ist der wotanistisch Schöpfungswonne (abgekürzt WSW) ist das Weib Göttin … Wenn behauptet wird, daß besonders die germanische Frau dazu neige, aus Gründen der Geschlechterspannung fremdrassigen Männern zu verfallen, dann liegt es nicht an der germanischen Frau … sondern dann liegt das daran, daß der germanische Mann von der Religion der WSW abgefallen ist … Die germanische Frau muß also nicht unter „rassenzüchterische Aufsicht“ gestellt werden, sondern der germanische Mann hat zur angestammten Religion des Blutes, zur WSW, zurückzukehren, womit den Fremdrassen jede Macht über die germanische Frau entzogen ist.“

Gegenwärtig stellt der AO einen katastrophalen Geburtenrückgang der nordischen Rasse fest, welchen er mit der Ausschaltung der Frau aus der Volksgemeinschaft durch die christliche Religion begründet.
In wirtschaftlicher Hinsicht vertreten die Armanen ein bizarres, teils sozialistisch anmutendes, teils betont „völkisches“ Modell. Als Grundübel gilt „das zu Raubverhalten treibenden Zinsgeldwesen“. (Übrigens eine gängige Phrase Antisemiten aller Couleur, die das „Zinsgeldwesen“ für eine Erfindung der angeblich geldscheffelnden Juden halten.) Als Lösung bietet der AO eine „zinsfreie Wirtschaftsordnung mit volkseigenem Geld“ an. Jedes Land sollte sein volkseigenes Geld haben, jedes Land mit verschiedenem Klima müsse verschiedene Geldsorten besitzen, wobei nach Ansicht der Armanen auch der Aspekt der verschiedenen Mentalitäten eine Rolle spielt. So müsse doch dasselbe Geld in kalten Ländern immer mehr wert sein als in warmen, da in ersteren der Grundlebensbedarf außer Lebensmitteln und Bildung auch noch warme Kleidung, feste Häuser und Heizmaterial umfasst. (Das Angenehme aus „nordischer Sicht“: solche „Muschelwährungen“ geringer Kaufkraft erlauben es, tropische Länder im Außenhandel kräftig zu benachteiligen. Der AO rechtfertigt also ein postkolonialistisches Ausbeutungsmodel.)
Eher sozialistisch klingt die Forderung, dass jede/r monatlich eine Grundrente erhalten soll, die einem Existenzminimum gleichkommt. Auf den ersten Blick scheint es, dass allen Menschen, egal ob sie produktiv oder unproduktiv (im kapitalistischen Sinne) tätig sind, eine finanzielle Chancengleichheit geboten wird. Nach armanischen Vorstellungen wird dadurch die Arbeitslosigkeit gemindert, indem z.B. die Frau für ihre Dienste im Haus mit einer Grundrente entlohnt wird. Auf den ersten Blick ist dies eine Aufwertung der Hausfrau. Bei genauerer Betrachtung könnte dieses Modell leicht darauf hinauslaufen, die Frauen endgültig aus dem Arbeitsprozess herauszukatapultieren.

Alles in allem wirken die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der Armanen ausgesprochen laienhaft und weltfremd.

Religion
Die Armanen beschäftigen sich mit keltischen und germanischen Göttern – nach außen hin. Im Unterschied zu vielen anderen Neuheiden verzichten sie dabei großzügig auf eine historisch plausible Rekonstruktion der keltischen und germanischen Religion. Schon die ständige Gleichsetzung von keltisch und germanisch ist entlarvend, den bei aller grundsätzlichen Verwandtschaft war die religiöse Praxis dieser beiden Kulturen deutlich verschieden. Sie berufen sich dabei auf angebliches „altes Wissen“, das die Armanen kritiklos aus den Schriften Guido „von“ Lists beziehen. Sehr gerne folgt man als Armane den phantastischen und rassistischen Theorien Lanz „von Liebenfels“ oder auch den SS-Mitgliedern Richard Anders und Günther Kirchhoff, deren versponnenen Deutungen selbst Himmler und dem „Ahnenerbe“ zu weit gingen. So glauben die Armanen, die erst im Mittelalter aufgezeichnete „Edda“ reiche in Wahrheit vor die letzte Eiszeit zurück. Welche Religion jemand ausübt, ist im AO-Verständnis nicht der seiner/ihrer freien Entscheidung überlassen, man sollte sich für eine „artgemäße Religion“ entscheiden, weil bei der Verbindung mit einem „fremden“ Gott „innerliche Verformung“ drohe. Solche „Fremdreligionen“ sind nach armanischer Lesart das Judentum, der Islam und vor allem das Christentum. Das Christentum ist für die Armanen das Feindbild schlechthin, es sei verantwortlich für die meisten Missstände der neuzeitlichen Welt.

Nach innen hin sieht die Sache anders aus: Der innerer Kreis ist nach eigenen Verständnis geistig viel weiter und hat frei nach theosophischem Muster „erkannt“, dass letztlich alle Götter ein Gott sind.

Organisation
Die innere Struktur des Armanenordens besteht im Wesentlichen aus einem von der Freimaurerei kopierten Einweihungssystem in Graden. Die ersten drei Stufen, Lehrling, Geselle und Meister – auch „Goden-Grade“ genannt – bilden die sogenannte „Volkspriesterschaft“, die eigentlich jeder erreichen sollte. Wie bei vielen anderen „esoterischen“ Gesellschaften gibt es daneben einen inneren Kern der „Eingeweihten“: Die Armanen-Ordens-Grade, die bis zum neunten Grad führen und angeblich einer esoterischen Einweihungsordnung entsprechen. Über allen steht der Großmeister der hohen Amanenschaft. Das Wissen, das notwendig ist, um diese Grade zu erlangen, wird den Mitgliedern in Form von sogenannten „Leitbriefen“ durch die Ordensleiter vermittelt. Der Inhalt dieser Leitbriefe wird geheim gehalten.
Längst nicht jeder, der es möchte, kann Armane werden:

„Angehöriger des Armanenordens (AO) ist jeder Ariogermane, der nach seiner Veranlagung die Vorraussetzung zu armanischem Denken, Fühlen und Handeln zeigt. Die Zugehörigkeit zum AO wird daher nur durch artgerechte Geburt in der Volksgemeinschaft erworben …“

Auch sind beispielsweise Hochzeiten im armanischen Sinne nur dann möglich, wenn beide Partner arischer Abstammung sind (ob es einen Ahnennachweis á la SS gibt, entzieht sich meiner Kenntnis) und sich beide Partner im rassischen Erscheinungsbild einander ähneln. Diese und andere rassistische Gedanken ziehen sich quer durch die Zeitschriften des AO. Auch wenn er es öffentlich immer wieder bestreitet: der AO sieht sich offensichtlich als „rassische Elite“. Diese „Zwiebelschalen“-Struktur des Ordens spiegelt getreulich das von List gezeichnete Bild wieder. Außen die „Volkspriesterschaft“, die eine polytheistische „heidnische“ Religion vertritt. Sie gibt sich relativ demokratisch, von Rassismus oder gar Antisemitismus ist auf dieser Ebene nicht viel zu spüren. Innen die Armanen, mit ihrem auf der Theosophie beruhende, von List ausgearbeiteten, von Lanz beeinflussten, monotheistischen und rassistischen Weltbild. Hinzu kommen die äußere „Zwiebelschalen“: Ein System von konzentrischen Kreisen der mit dem Armanenorden verbundenen bzw. kooperierenden Organisationen. Sie haben ebenfalls ein der Freimaurerei entlehntes System von Einweihungsgraden und werden von Armanen geleitet.

Der Armanen-Orden tritt nach außen hin nicht offen rassistisch auf. Im Gegenteil dementiert er grundsätzlich jede rassistische Tendenz und führt auch neue Mitglieder (und erst recht die seiner Satellitenorganisationen) nur langsam an die rassistischen Kernaussagen seiner Lehre heran.

Einige Beispiele für die Weltanschauung der Armanen.
Die Leitbriefe hält der Armanenorden nicht ohne Grund geheim. Allerdings gibt es, wie in jeder Organisation dieser Art, „undichte Stellen“.
(Ich betone, dass ich diese Äußerungen hier nur zum Zweck der Information zitiere, inhaltlich distanziere ich mich entschieden von den zitierten Ansichten!)

Leitbrief 5, 1.Stufe, Seite 2:

„… Durch die vorigen Leitbriefe haben wir (…) Einblick in die Frühentwicklung unseres Volkes erhalten; auch, daß es durch unsere germanischen Vorfahren, der indoarischen Völkerfamilie, der weißen Rasse entstammt, die auf die Atlanter zurückgeht. (…)“

Es folgen ein paar sprachwissenschaftlich gesehen abwegige Versuche, „arisch“ von „Aar“/Adler und „Ra“ (Ägypten) herzuleiten, sowie über die Assoziation mit Licht „Hellas“ (Griechenland) in das Weltbild einzubeziehen.

„Leider sind sie“ (die Griechen) „später der Rassemischung erlegen und dadurch als Kultur untergegangen“.

Entspricht das noch in etwa gängigen Aussagen „völkischer Esoteriker“, kommt der Leitbrief auf Seite 5 zur Sache:

„(…) Durch Ostkolonisation, preußische Zuverlässigkeit, Wissenschaft und Kunst, wurde die Grundlage eines neuen Reiches geschaffen. Kaum jedoch war das junge Reich proklamiert, neue Eliten nachgewachsen, wurde unter fadenscheinigen Begründungen in zwei katastrophalen Weltkriegen erneut abgeschöpft.“

Ein weiteres Beispiel für das rassistische Weltbild der Leitbriefe: (Zur Erläuterung: Sonnenvölker = „weiß“, Mondvölker = „dunkel“.)
Leitbrief 30, 1.Fortsetzung / 3.Stufe, „Hyndla-Lied“

„Es ist ein Naturgesetz, daß die Sonnenvölker allein diejenigen sind, die Kultur, Kunst und schöpferische Entfaltung hervorbringen, (…) Deshalb leben die Mondvölker vom Raub an den Sonnenvölkern, die sie abernten und zwar meist so vollständig, daß sie nicht nur deren Habe wegnehmen, sondern auch deren Leben. Daher kommen die entsetzlichen Verbrechen, Raubkriegs und Völkermordgeschehnisse (sic) der vergangenen und der kommenden Zeiten in den meisten Fällen. (…) Mit hinterlistigen Verdrehungen der Gesetze, Fälschung der Geschichte und Überlieferungen, Entwendung echter Urkunden, Lügen und Betrug, gewissenloser Ausbeutung ihrer Opfer, immerwährender Mordbereitschaft und Todesdrohung, vermögen sie die Sonnenmenschen zu erschrecken, einzuschüchtern und zum Verzicht ihrer Naturrechte zu veranlassen. Dadurch werden die Sonnenmenschen dann zuerst bastardisiert, dann versklavt und schließlich ausgelöscht“ (…)
„Ihre Raubtätigkeit ist so gründlich, daß sie dort, wo sie wohnen, Wüste um sich verbreiten. Den Sonnenvölkern ziehen sie hinterher oder umlauern sie, um ständig ernten zu können, was andere gesät haben. Dadurch entstanden die neueren Wüsten auf unserer Erde“ (…)
„Dadurch werden die möglichen Kulturgebiete auf der Erde immer kleiner und die Lebensmöglichkeiten der Sonnenvölker aus Raumgründen immer mehr eingeschränkt. (…) Aber das schlimmste daran ist, daß die Sonnenmenschen durch Vermischung geistig so umnachtet sind, daß sie die Lage garnicht (…) wahrnehmen.“

Nach einer Ausführung über die Sahara, die sich nach Armanenlehre entgegen der üblichen Geographie bis zum Irak herauf erstreckt (logisch, da sonst Israel ja außen vor wäre), folgt eine weitere deutlich rassistische Passage:

„Das (Schutz der eigenen Art) ist sehr notwendig, denn die Natur hat die Sonnenvölker auch dadurch benachteiligt, daß die Sonneneigenschaften der Erbmasse sehr empfindlich sind. Kommt mehrfach Mondblut dazu, erlahmt die Schaffenskraft, die Schöpfungskraft. Die Nachkommen der ersten Mischungsverbindung werden oft spitzfindig und rechthaberisch, unzufrieden und „un-artig“, in den folgenden faul und unfähig sich selbst und andere zu erhalten.“

Letztendlich beruht dieses rassistische Weltbild auf der Wurzelrassenlehre der Theosophen: Leitbrief 32 / 3.Stufe

„Vielmehr gibt es nur eine einzige organisch gewordene Menschenrasse: Die arische (weiße) Rasse. Die farbigen Bestandteile der Menschheit, sind durch frühe Kreuzungen mit Vormenschenformen mit der 5. (arischen) Wurzelrasse entstanden. Alles was am Menschen menschlich aussieht, haben alle Rassen von der arischen Wurzelrasse. Was jedoch von der arischen Wurzelrasse abweicht, stammt aus dem Vormenschenbereich!

(Hervorhebungen im Original.) Hierauf folgt eine Ausführung über die angeblich bahnbrechenden Erkenntnisse der Rassenforschung des frühen 20. Jahrhunderts.

Geradezu unverschämt ist der Alleinvertretungsanspruch der Armanen für alle Naturreligiöse und Heiden Europas. Im Grunde ist jeder „reinrassige Ariogermane“, der einer keltischen, germanischen oder verwandten Religion angehört, automatisch Armane – auch wenn sie oder er es selber nicht weiß. Und auch die armen Christen und Atheisten arischen Blutes warten nur darauf, endlich von ihren fremdländischen Irrlehren erlöst zu werden und den wahren Artglauben armanischer Lesart anzunehmen. Der AO ist damit also selbsternannte Interessenvertretung und potentielle Dachorganisation für alle Heiden des Abendlandes und – nach dem Endsieg über die „Wüstenreligionen“ – das künftige Machtzentrum der westlichen Kultur.

Teil 4: Ariosophen heute: Unterwandern und Verbünden

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