„Katholikenphobie“ in der Gesellschaft?
Seid tapfer im Umgang mit Häme und ungerechtfertigten Vorwürfen.
Das rät der Kölner Kardinal Joachim Meisner nach „Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Mitarbeitern seines Bistums. Hintergrund sind die Diskussionen um die Zurückweisung eines mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers an zwei Kölner Kliniken und der Bruch zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Kriminologen Christian Pfeiffer.
In einem Schreiben an die Mitarbeiter spricht Meisner von einem Sturm, wie er ihn in seinen Jahren als Bischof selten erlebt habe. In der Gesellschaft gebe es eine Katholikenphobie.
Vor wenigen Tagen hatte der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation Gerhard Ludwig Müller geklagt, dass die medialen Attacken auf die Kirche eine Wut erzeugten, die an eine Pogromstimmung erinnere.
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Meines Erachtens ist die „Katholikenphobie“ ein Phantom, genauer gesagt, eine ideologisch verengte Wahrnehmung tatsächlicher Phänomene, eng verwandt mit der so genannten weltweiten Christenverfolgung. Im Falle der „Christenverfolgung“ stimmt es zwar, dass die Gewalt gegen Christen weltweit zunimmt, aber eine systematische Verfolgung von Christen, weil sie Christen sind, gibt es nicht. Verfolgt werden Menschen, die auch Christen sind, z. B. wegen ihres politisches Engagements oder weil sie zu unterdrückten ethnischen Minderheiten gehören. Religiöse Fanatiker, z. B. eine Sorte Islamisten, auf die die Bezeichnung „Islamfaschisten“ voll und ganz passt, verfolgen Christen aus dem gleichen Grunde, aus denen sie Atheisten, Juden, Angehörige von Stammesreligionen und ganz besonders auch Moslems anderer Glaubensrichtungen verfolgen: es sind „Ungläubige“, und damit automatisch Feinde und Sündenböcke für alle Übel und Missstände dieser Welt.
Gäbe es wirklich eine „Katholikenphobie“ analog zur „Homophobie“, dann würde Katholiken eine irrationale, sachlich durch nichts zu begründende Angst, die weit über einfache Vorurteile hinaus geht, entgegenschlagen. „Katholen“ würden ausgegrenzt und gemieden werden, sie müssten zum Beispiel, wenn sie als Katholiken bekannt werden, deutliche Nachteile in der berufliche Karriere hinnehmen. „Kathole“ oder „Papist“ wären beliebte Schimpfwörter auf Schulhöfen, und es gäbe Debatten darüber, ob ein katholischer Minister Deutschland vertreten dürfe.
Meissner und andere hohe katholische Würdenträger bemerken die wachsende scharfe Kritik an der römisch-katholischen Kirche, sie registrieren eine beispiellose Austrittswelle aus ihrer Kirche, und vor allem stellen sie fest, dass die auch bei Nicht-Katholiken lange Zeit allgemein verbreitete Vorstellung, dass die römisch-katholische Kirche Gutes täte und strenge moralische Standards hochhielte und damit „das Gewissen der Gesellschaft“ sei, zusammenbricht.
Aus ihrer Sicht handelt es sich bei den Skandalen immer nur um Einzelfälle, die eben nur menschlich sind (weil wir allemal alle Sünder sind usw.) und die von einer, aus ihrer Sicht, hysterischen Öffentlichkeit völlig überbewertet werden.
Aus ideologischen Gründen kommen sie gar nicht auf die Idee, dass etwas mit der Struktur ihrer Kirche im Argen liegt, oder dass ihre sich auf den christlichen Glauben berufende Ideologie nur noch in einem Zirkel aus in gleicher Weise wie sie ideologisierten Katholiken akzeptiert und überhaupt verstanden wird.
Es gibt Millionen gläubiger Katholiken, die das anders sehen als die Mitglieder dieses Zirkels, die ich gerne Christianisten katholischer Konfession nenne.
Es ist eben bequemer, sich weiterhin im exklusiven Besitz der Wahrheit, der Moral und des Naturrechts zu wähnen, und eine „Katholikenphobie“ herbeizuhalluzinieren, als an sich selbst zu arbeiten.
Hi
Sehr guter Artikel!
Danke für den Hinweis auf diesen Rundbrief, den kannte ich noch nicht. Ich habe auf meiner HP mehrere Sachen zu diesem Thema zusammengetragen. Leider ist dies ja nur die Spitze vom Eisberg. Wenn man sich das Verhältnis Staat – Kirche genauer ansieht, oder nur das was bei dieser „Krankenhäuser-aktion“ ans Tageslicht kam, sollte man als Heide sehr nachdenklich werden. Mir ist leider momentan nicht bekannt, wo man auch ins Tun kommen könnte, außer bei der Verbreitung des Wissens, so dass eines Tages genug Menschen darüber empört sind, das man gemeinsam ins Tun kommt.
In diesem Zusammenhang ist eine Meldung des evangelischen Nachrichtenportals Idea.de interessant:
Demnach genießen die Kirchen in Deutschland (also nicht nur die sich nach Aussage führende Funktionäre verfolgt wähnende katholische Kirche) deutlich weniger Vertrauen als Religionsgemeinschaften in anderen Ländern.
Vier von zehn Deutschen vertrauen den Kirchen.
Eigentlich müsste die Überschrift lauten: „Sechs von zehn Deutschen vertrauen den Kirchen nicht“.
Wenn nur 39 Prozent der Deutschen den Kirchen trauen, aber immerhin noch 59 Prozent ihnen nominal angehören, d. h. Kirchensteuerzahler sind, dann zeigt das deutlich, wie schlecht es um das Vertrauen sogar bei „den eigenen Leuten“ steht.
Der Ländervergleich deutet außerdem darauf hin, dass das schlechte Ruf der Kirchen kein Zeichen von „Entchristlichung“, „Materialismus“ oder „spiritueller Verarmung“ usw. sein muss, sondern in erster Linie vom Verhalten der Kirchen selbst abhängen dürfte. Den besten Ruf in Europa genießen die Kirchen in Schweden (62,5 Prozent Vertrauen), wobei Schweden zu den Hochburgen sowohl des Atheismus wie auch der nichtchristlichen Religionen gehört, den schlechtesten in Spanien (32 Prozent, trotz der weit verbreiteten Volksfrömmigkeit) und in Belgien (30 Prozent). Weltweit ist das Vertrauen in die Kirchen / religiösen Organisation in Südafrika am Größten (86 Prozent), in Japan am Geringsten (16 Prozent) – was in einem von Zen-Buddhismus und Schintoismus geprägten Land nicht wirklich überrascht, denn diese spirituellen Richtungen funktionieren auch ohne Massenorganisationen ganz gut.