Odins Auge Artikel

Antimonotheismus – Teil 3

Was ist dran an Assheuers These?

Wenn nicht alles täuscht, dann steckt im – fast durchgängigen – Hass auf den Monotheismus der Schlüssel zum Verständnis des rechtsradikalen Weltbildes. Jesus Christus, schreibt der auch hierzulande gern zitierte Chefdenker der »Nouvelle Droite«, Alain de Benoist, sei der erste Bolschewist der Geschichte gewesen. Bis heute knüppele sein Fußvolk – Kommunisten, Linke, Liberale, Aufklärer – mit der Moralkeule alles Starke und Mächtige nieder und lasse die Welt in Gleichheit erstarren.

Assheuer hat insoweit recht, als dass der Antisemitismus – und die daraus abgeleitete Form des Antimonotheismus – zum „weltanschaulichen Kitt“ der „traditionellen“ und „neuen“ extremen Rechten gehört. Wobei ich nochmals darauf hinweise, dass man sehr wohl (nach eigener Einschätzung) „guter Christ“ sein und trotzdem antimonotheistisch denken kann. Ob der Antimonotheimus jedoch der Schlüssel zum Verständnis des rechtsradikalen Weltbildes ist, bezweifele ich.
Rechtsextremismus hat im herkömmlichen Verständnis die Kernelemente autoritäres Staatsmodell, Ungleichheit der Bürger / Untertanen, Rassismus und Nationalismus. Schon der „alte“ Nationalsozialismus mit seiner „Volksgemeinschaftsideologie“, die eine Art Pseudo-Sozialismus war, entspricht also nicht ganz dem klassischen Begriff „rechtsextrem“. Auch die nicht-nationalistische, sowohl europäisch wie regionalistisch orientierte, antitotalitaristische „Neue Rechte“ passt nicht in das „klassische Schema“ der „politischen Rechten“. Querfrontstrategien, antikapitalistische „nationale Sozialisten“ und „Nationalbolschewisten“ machen das traditionelle Modell des „Rechtsextremismus“ – in der Mitte die braven Demokraten, und ganz weit weg am rechten Rand die bösen Nazis – ebenso fragwürdig, wie die schon erwähnten Studien, die belegen, dass „rechtsextremes“ (chauvinistisches, antisemitisches, antidemokratisches usw.) Gedankengut auch in der „bürgerlichen Mitte“ zu finden ist.

Als Kernelement „rechtsextremen Denkens“ in all seinen Spielarten bleibt die Maximierung der als naturgegeben angesehenen Ungleichkeit der Menschen.
(17). Hinzu kommt der „Kitt“ des Antisemitismus – das „Weltjudentum“ (die „Ostküste“, die „Illuminaten“ usw.) als konstruiertes gemeinsames „Feindbild“.

Ist man, wie Assheuer, der Ansicht, dass die Idee der Gleichheit aller Menschen unmittelbar den monotheistischen Religionen entsprang, und rechnet man den Antisemitismus der europäischen „extremen Rechten“ hinzu, dann ist Assheuers These durchaus nachvollziehbar.

Sie ist nachvollziehbar, aber bestenfalls eine Teilwahrheit, weil z. B. die Idee der Gleichheit aller Menschen auch ohne den Monotheismus denkbar ist – und sie ist in der politischen Praxis wenig relevant. Es fällt schwer, sich den Hass auf den Monotheismus etwa als Kernmotivation rassistischer Gewalttäter vorzustellen. In Deutschland müssen Synagogen, und nicht etwa Kirchen, ständig gegen Attentäter bewacht werden. Es gibt auch keine Bürgerinitiativen gegen Kirchen – aber gegen Moscheen. Der Antimonotheismus der Rechtsextremisten streift das Christentum nur am Rande – „Hauptfeinde“ sind „der Jude“ und vor allem „der Fremde“. In der Studie „von Rechts zur Mitte“ (18) heißt es ausdrücklich:

Ausländerfeindlichkeit ist die Einstiegsdroge in ein geschlossenes extremes Weltbild.

Sogar der Anti-Egalitarismus, die Idee, „Ungleichheit“ und „Ungleichwertigkeit“ sei „naturgegeben“ und „gut“, das Kernelement des Rechtsextremismus schlechthin, wird beim „Einsteig“ ins rechtsextreme Denken nicht etwa durch Auflehnung gegen das Christentum befeuert:

Die Legitimation von rechtsextremer Einstellung wird dann erfahren, wenn die Ungleichheit in der Gesellschaft in der öffentlichen Inszenierung zur Erfahrung der Ungleichwertigkeit wird. Dies gilt insbesondere und beispielhaft auch im sozioökonomischen Bereich. Jede Form von Denunziation von Arbeitslosen als zu faul, als nicht leistungsbereit, oder die periodisch auftretende Ahndung von Transferempfängern als Betrüger schafft ein Klima der Stigmatisierung und Ungleichwertigkeit, das der Nährboden für rechtsextreme Einstellungen ist. Die Stigmatisierung von Ausländern und Leistungsbeziehern schafft eine „Hackordnung“, an deren unterstem Ende die Migranten stehen.

Der Hass auf den Monotheismus – die vom Judentum abstammenden „Wüstenreligionen“ – ist ein wichtiges Element in rechtsextremen Ideologien, aber nur eines von mehreren. Er dient als Rechtfertigung für Fremdenhass und der Idee des „Rechts des Stärkeren“ – aber erst, wenn das rechtsextreme Denken sich schon im Kopf eingenistet hat. „Rechtes Denken“ lernt man normalerweise am Küchentisch, Kneipentisch oder Kantinentisch – (und deren Entsprechungen im Internet) und nicht aus den theoretischen Schriften z. B. eines Benoists.

Rassismus und Antisemitismus haben ihre stärksten Wurzeln nicht am Rande, sondern mittendrin in Deutschland. Aber die „bürgerliche Mitte“, in die das „rechtextreme Denken“ laut Assheuer bisher nicht eindringen konnte, ist nicht nur aus diesem Grunde anfällig. Das bürgerlich-demokratisch-humanistische Bild vom Menschen, das bislang noch einen gewissen Schutz bot, wird zunehmend diskreditiert – und zwar nicht nur durch die Metapolitik gut getarnter rechtsextremer Ideologen. Marktradikale („Neoliberale“) betrieben z. B. bis zum Crash im Herbst 2008 besonders erfolgreich Metapolitik, beherrschten die öffentlichen Diskurse in ihrem Sinne.
Politische Repression – motiviert aus Angst, vor allem vor dem eigenen Volk – nagt sozusagen von oben her an der Demokratie – der totalitäre Überwachungsstaat gewinnt Konturen, und zwar fast überall.

Neonazis und „Neue Rechte“ sind ein übles Symptom, nicht die Ursache. Was nicht heißt, dass man sie nicht entschieden bekämpfen soll. Aber nicht mit jedem Mittel. Die Gefahr, dass die Demokratie „zu Tode geschützt“ wird, war selten so groß wie heute.
Vor allem sollte man nicht am äußerlichen Bild historischer Erscheinungsformen der Nazis und Faschisten hängen bleiben und auch nicht sozusagen die Nazis von ´33 / ´45 „bekämpfen“. Es wird kein „4. Reich“ der Neonazis geben! Das heißt aber lange nicht, dass Freiheit, Demokratie und Grundrechte nicht in Gefahr wären.

Rechte Antimonotheisten und wir


Auch wenn „wir“ demokratisch gesonnenen Heiden nicht gemeint sind – das Klischee „Neuheiden sind Nazis“ bzw. „Nazis sind Neuheiden“ ist weit verbreitet. Vor allem germanisch orientierte Heiden, Ásatrúar, geraten schnell unter Generalverdacht.

Leider ist dieser Verdacht nicht ganz grundlos. Es gibt nun einmal rechtsextreme Heiden, die wegen ihrer Gefährlichkeit mehr Nachrichtenwert haben als nicht-rechtsextreme Heiden. Es gibt außerdem die bekannte „Germanen-Symbolik“ der Neonazis. Und es gibt „Neurechte“, die gerne vor offenem Mikrofon ihre antimonotheistische Ideologie zum Besten geben – einschließlich eines Bekenntnisses zum Heidentum.
Da nützt auch ein Hinweis darauf, dass die „alten Nazis“ sich überwiegend als „gute Christen“ verstanden, und auch heute die wenigsten Neonazis „Neuheiden“ sein dürften, nicht viel.
Tatsächlich stimmen das „sittenchristliche Weltbild“ und das „rechtsextreme Weltbild“ in mancher Hinsicht überein – wenngleich sie moralisch „umgekehrt gepolt“ sind. Darin, dass die Ideen der Gleichheit aller Menschen und die der universellen Menschenrechte jüdische Wurzeln haben, stimmen sie beide überein. Allerdings lehnen Rechtextreme all das ab, was christliche Humanisten schätzen.

Das „Neuheidentum“ in der Form, wie es z. B. die Nornirs Ætt vertritt, ähnelt meiner Ansicht nach tatsächlich in dieser Hinsicht einer nicht-europäischen Religion / Lebensphilosophie / ethischer Tradition – es definiert sich, anders als z. B. Benoists „Heidentum“, nicht als Gegenpol zum Monotheismus. Wir stehen außerhalb der Polarität „Monotheismus“ / „Antimonotheismus“.
Allerdings: Dass wir uns gegen das Christentum für eine vorchristliche Spiritualität entschieden, das haben wir und die Nazi-Heiden gemeinsam. Schon leichte Denkfaulheit oder persönlicher Hass können einen demokratisch gesonnenen Heiden in die Nähe des „neurechten“ Denkens etwa eines Benoist bringen.

Oder, um es auf die persönliche Ebene herunterzubrechen: Jedes Mal, wenn jemand von uns undifferenziert gegen den Monotheismus wettert, leitet er Wasser auf die weltanschaulichen Mühlen jener, deren Ideologie und Praxis wir aufs Entschiedenste ablehnen! Kirchenkritik – ja! Religionskritik – jederzeit! Blinder Hass auf „Wüstenreligionen“ – niemals!

Martin Marheinecke, 10. Dezember 2008

Fußnoten:

(1) Ein typisches Beispiel ist Jan Udo Holeys (Pseudonym: Jan von Helsing) verschwörungstheoretischer, rechtsesoterischer und antisemitischer Bestseller Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert

(2) Der Begriff „Ostküste“ wird z. B. vom ehemaligen Linksextremisten und heutigen Rechtsextremisten Horst Mahler verwendet – wobei Antikapitalismus, Antiamerikanismus und als „Antizionismus“ verbrämter Antisemitismus die Konstanten seiner Weltanschauung sind.

(3) Das ist z. B. typisch für die Haltung der Hamas, aber auch für die Attentäter von Mumbai, die gezielt das von einem nicht-zionistischen Rabbi geleitete jüdische Chabad-Haus angriffen (hierzu der Blogbeitrag: Vernichtende Logik auf Lizas Welt).

(4) A. Hitler nach Hermann Rauschning:
Gespräche mit Hitler
. Auch wenn Rauschnings Buch als Quelle unzuverlässig ist, zweifle ich, vor allem nach der Lektüre von „Mein Kampf“, nicht daran, dass Hitler tatsächlich so dachte.

(5) Siehe das Kapitel: „Gegenpäpste – Ordensburgen – Sonnenräder“ in Ralph Giordano: Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte.

(6) Siehe der Aufsatz „Des listigen Guidos Eben“.

(7) gemäß Hirschberger: Geschichte der Philosophie, Band II

(8) Siehe z. B. Jan Assmann: Die Mosaische Unterscheidung

9) Besonders deutlich in seinen Schriften „Der Antichrist“ und Götzendämmerung.

(10) Heidegger: Nietzsche I und II

(11) z. B. Dr. Micheal Blume Glauben und Demografie – Der übersehene Wettbewerb der Religionen

(12) Das ergibt sich aus der der. 4 Studie der Friedrich-Ebert Stiftung zum Rechtextremismus, aber z. B. auch aus dem Wahlergebnis der „bürgerlich-rechten“ Schill-Partei (PRO) die bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen 2001 auf 19,4 % der Wählerstimmen kam. 5,5% der Deutschen haben laut Studie ein geschlossen rechtsextremes Weltbild.

(13) Jedenfalls tauchen sie in rechten Foren wie Skadi.net oder altermedia.info nicht auf.

(14) Benoist: Heide sein zu einem neuen Anfang. Die europäische Glaubensalternative.

(15) Mehr zur Metagenetik und zum Rassismus ohne Rassen in :„Menschenrassen gibt es nicht“.

(16) Besonders wehleidig ist in dieser Hinsicht Riegers „Artgemeinschaft“ asatru.de – Sie steht tatsächlich im Verfassungsschutzbericht, aber selbstverständlich nicht wegen ihres germanischen Neuheidentums.

(17) Sehr gut ausgearbeitet sind die Merkmale rechtsextremen Denkens in: Hacker: Das Faschismus-Syndrom

(18) Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2006: Von Rechts zur Mitte

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