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Freitag, Oktober 07, 2005

 
Politik, Medien

Hahnebüchene Arbeitsbroschüre zu "Paradise Now"!

Der umstrittenen Film "Paradise Now!" über einen palestinenischem Selbstmordattentäten wird von der Bundeszentrale für politische Bildung als Unterrichtsmaterial empfolen. Allein das ist schon angesichts der - vorsichtig formuliert - einseitigen Darstellung des Film problematisch.

Es ist schon wichtig, dass so ein Film nicht unkommentiert rezipiert wird. Von daher ist es richtig, dass es in allen Kinos, die "Paradise Now" zeigen kostenlos die 24-seitige Broschüre der Bundeszentrale für Politische Bildung gibt.

Schlimm ist allerdings, dass die Broschüre der Zentrale zum Film keineswegs die kritische Auseinandersetzung fördert, sondern leider die im Film vorgegebenen politischen Vorstellungen und Klischees vertieft.

Matthias Küntzel schrieb in seinem Artikel über die 24-seitigen Broschüre:
(zu finden bei Hagalil.com Selbstmord "für ein höheres ideelles Gut"? und Wadinet
Artikel
)
Erstens: Im Film sind alle Israelis böswillige Täter und alle Palästinenser gutwillige Opfer. Die in Szene gesetzte Terroristen-Propaganda bleibt unwidersprochen und wird in dieses dichotome Muster integriert. So legitimiert der designierte Selbstmordattentäter Khaled sein Vorhaben mit dem Argument, dass Israel "keine Zwei-Staaten-Lösung akzeptieren (will)." Um dieses Ziel zu erreichen, hätten die Palästinenser "jedes politische Mittel ausgeschöpft." Weil sie erfolglos geblieben seien, gebe es jetzt zum Selbstmordattentat keine Alternative mehr.

Die von Thomas Krüger behauptete "kritische Rezeption" des Films hätte dieser Darstellung widersprechen müssen. Von jüdischer Seite wurde die Zwei-Staatenlösung nicht nur in den Jahren 1937 und 1947 unterstützt. Man war dieser Lösung auch im Jahr 2000, als in Camp David über den Nahostplan von Ministerpräsident Barak verhandelt wurde, näher gekommen als je zuvor. Jassir Arafat aber verließ den Verhandlungstisch und gab unmittelbar darauf für die zweiten Intifada grünes Licht.

Anstatt die Fehler der Filmdarstellung zu korrigieren, setzt die Unterrichtsvorlage der Bundeszentrale diese Geschichtsklitterung weiter fort. So wird "Camp David" in der hier veröffentlichten "Zeittafel des israelisch-palästinensischen Konflikts" nicht einmal erwähnt. (...)

Anstatt Schüler zur kritischen Distanz gegenüber "Paradise Now" anzuhalten, setzt die Bundeszentrale den antizionistischen Furor dieses Filmes selbst noch in ihrem für Unterrichtszwecke konzipierten "Arbeitsblatt" weiter fort. In dieser Vorlage für die Schüler wird die Politik des Dialogs und der Verhandlung mit Israel nicht einmal als Option erwähnt. Stattdessen werden in Aufgabe 1 die folgenden drei Aussagen zur Diskussion gestellt: "Wer den Tod fürchtet, ist schon tot.", "Ohne Kampf keine Freiheit", "Widerstand kann vielerlei Formen haben." Die Schüler sollen in Kleingruppen Argumente sammeln, die diese Aussagen "stärken bzw. entkräften" und diese Argumente mit Beispielen belegen. Widerstand gegen Israel, Kampf gegen Israel, Selbsttötung gegen Israel – ein andere Form der Konfliktbewältigung taucht, wie schon im Film, so auch in dieser Anleitung für den Unterricht, nicht auf.


Besonders problematisch vor dem Hintergrund des weit verbreiteten "sekundären Antisemtismus", auch an den Schulen:
Zweitens verstärkt "Paradise Now" die antisemitische Wahrnehmung des Nahostkonflikts. So wird in einer Nebenszene jüdischen Siedlern vorgeworfen, das Wasser der Palästinenser mit einem Gift zu verseuchen, dass das Sperma der Palästinenser abtöten soll. Mit diesem Vorwurf wird auf das antisemitische Stereotyp von Juden als den "Brunnenvergiftern" zurückgegriffen, das in Europa seit Beginn der Pest-Epidemien verbreitet worden ist. Zugleich transportiert dieser Film einen antizionistischen Antisemitismus, wie er sich in Form der Dämonisierung und der Delegitimierung Israels offenbart.

So steckte im Begriff des "Kollaborateurs", der eine zentrale Rolle spielt, ein antisemitischer Code. Einerseits ist dieses Wort im deutschen Sprachgebrauch mit einer Bezugnahme auf Nazideutschland konnotiert; unterschwellig legt es somit eine Gleichsetzung von Israel und Nazideutschland nah. Andrerseits wird in diesem Film als selbstverständlich unterstellt, dass jeder Mensch, wenn er nur Israel unterstützt oder mit Israelis kooperiert, sein Todesurteil unterschreibt.


Küntzel auf einen gern verdrängen Aspekt der Dreharbeiten des Filmes hin:
"Paradise Now" wurde hauptsächlich in Nablus gedreht und entstand in jenem Klima der Einschüchterung, wie es in den palästinensischen Autonomiegebieten alltäglich geworden ist. So musste das Filmmanuskript den terroristischen Freischärlergruppen vorgelegt werden. Allein schon der Verdacht, dieser Film könne die Selbstmordattentate kritisieren, reichte aus, um ein führendes Mitglied der Filmcrew, Hassan Titi, zu entführen. Es bedurfte einer Intervention des Terror-Paten, Jassir Arafat, um zu erreichen, dass das entführte Crew-Mitglied wieder auf freien Fuß gesetzt wird.[5] Es ist wenig verwunderlich, dass ein Film, der unter solchen Umständen gedreht wurde, auf jedwedes grundsätzliches Argument gegen die Ermordung beliebiger Israelis verzichtet.


Da die Bundeszentrale für politische Bildung von keiner bewaffneten Bande unter Druck gesetzt wurde, und auch keine "künstlerische Freiheit" für ihre fehlerhafte Darstellung in Anspruch nehmen kann, ist die Broschüre ein ausgewachsener Skandal. Zumal angesichts der weit verbreiteten, als "Antizionismus" verbrämten, antisemitischen Vorstellungen, die durch den Film und die begleitende Broschüre bestätigt werden.

von Martin 23:24 | Einzelansicht & Kommentare (0)


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