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Montag, August 22, 2005

 
Gesellschaft, Geschichte, Kultur

Braunstichiges "germanisches" Freilichtmuseum in Nauen

Der "germanisch"-völkische "Sermonenbund" mit Sitz in Nauen organisierte nicht nur das umstrittene, weil sperrangelweit nach "rechts" offene, "Rock for Roots"-Festival, sondern plant auch, mit Unterstützung der Stadt Nauen, ein "germanisches" Freilichtmuseum.

Das geplante Freilichtmuseum "Gannahall" des "Semnonenbundes" hat mit einem Museumsdorf zur germanischen Kultur nichts zu tun. Es ist eher eine Art sich germanisch gebendes, aber in weiten Teilen unhistorisches, und zudem ideologisch "braustichiges" Fantasy-Museum. Da hilft es auch nichts, dass der "Semnonenbund" sich auf die Ausgrabungsergebnisse der Grabung in Nauen-Bärhorst, beruft, was offensichtlich einige Nauener Lokalpatrioten blendete.

Der "Semnonenbund" steht der von Geza von Nemenyi neubegründeten "Germanischen Glaubens Gemeinschaft" nahe, die ein völkisch bestimmten, streng hierarchisches (Zerr-)Bild der "Germanischen Religion" vertritt. Auf historischen Gebiet ist Nemenyi u. A. Anhänger der - längst widerlegeten - Hypothese, dass die Slawen des spätantiken und frühmittelalterlichen Ostmitteleuropas in Wirklichkeit Ost-Germanen gewesen wären.
Auf seiner Website www.semnonenbund.de vertritt der "Semnonenbund" z. T. ähnliche Geschichtsklitterungen. Daneben fallen zahlreiche historischen Ungenauigkeiten auf. So wird die "nordische Bronzekultur" (etwa 1800-800 v. Chr.), die in Südschweden, Dänemark und Schleswig-Holstein verbreitet war, einfach als "Ursprung der Germanen" bezeichnet. Allenfalls könnte man diese Kultur als "protogermanisch" bezeichnen.

Dass das Germanenbild des "Semnonenbundes" nicht dem derzeitige Stand der historischen und archäologischen Wissenschaft entspricht, ist aber eher zweitrangig, obwohl gerade bei populären Museen auf sachliche Richtigkeit nach bestem Wissen und Gewissen geachtet werden sollte. Wichtiger ist die ideologische Offenheit gegen rechtsextreme und sogar offen neo-nazistische Gruppierungen.

(Info: Arch-De Archäologie-Mailingliste, via "Eldaring-Forum".)

Besonders deutlich wurde diese völlige "Offenheit nach Rechts" auf dem vom "Semnonenbund" organisierten "Rock for Roots" Festival. (Aus
www.turnitdown.de/484.html)
Auf der Freilichtbühne im Nauener Stadtpark fand vor bis zu 400 Besuchern und Besucherinnen am 29. und 30. Juli das nunmehr dritte "Rock for Roots"-Festival statt. Eingeladen waren hauptsächlich Bands aus dem Bereich des sogenannten Pagan Metal, des heidnischen Black Metal, aus Deutschland und Österreich sowie
ein paar Bands aus dem Neofolk und aus der Mittelalterszene.

Organisiert hat das Ganze der Semonenbund, ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Nauen, der sich vom Namen auf den altgermanischen Volksstamm der Semnonen bezieht, die anno dazumal im Havelland ansässig gewesen sein sollen.
Wenn auch der Semnonenbund sich als "politisch neutral" bezeichnet, so ist er über seinen expliziten Bezug auf das Germanentum und Heidentum natürlich nach rechts offen wie ein Scheunentor. Da nützt es auch nix, wenn man im Vorfeld lapidar verkündet, "dass jeglicher Missbrauch dieses Konzertes zu Zwecken politisch oder
sonstig motivierter Propaganda ausdrücklich unerwünscht ist." Wer auf dem Festival Massen Met saufender, in Kartoffelsäcke gehüllter, Germanen erwartet hat, sah sich getäuscht. Zwar waren ein paar Dutzend derartiger Gestalten am Start, ein unübersehbarer Teil des Publikums bestand aber aus rechten Black-Metal-Fans. T-Shirts von Magog, Absurd, Nordisches Blut, Wotanskrieger(allesamt Bands aus dem Bereich des Nationalsozialsitischen Black Metal / NSBM) waren ständig zu sehen, zwischendrin tauchten auch immer wieder Naziskinheads mit ebenso eindeutigen und einschlägigen T-Shirts auf (die konnten mit dem Met-Gesaufe allerdings nicht soviel anfangen und lungerten eher am Bierstand rum). Sicherlich waren auch (selbsternannte) unpolitische Metal-Fans, Neofolker und Grufties anwesend, nur: die massive Anwesenheit von eindeutigen Neonazis hat da keine Sau gestört – schon gar nicht den Veranstalter und die Security.

In Anbetracht dessen, dass bspw. auch Bands wie Belborn aus Rosenheim auftraten,
die zum stramm rechten Flügel des Neofolk zählen, muss man sich über das Erscheinen glatzköpfiger und langhaariger Kameraden auch nicht wundern.
Außerhalb der Freilichbühne war eine Art germanischer Marktplatz mit verschiedenen Ständen aufgebaut: An dem einen gab es Schriften der "Germanischen Glaubensgemeinschaft" (GGG) aus Berlin, an einem anderen bot der Versand "Zum
Germanen" aus Berlin germanischen Schmuck feil. Und mittendrin beim
Lagerfeuer dudelte die Berliner Band Adivarius, die sonst auf Mittelaltermärkten und so auftritt und ebenfalls überhaupt kein Problem damit zu haben schien, dass etwa
viele der Leute, von denen sie beklatscht wurden, der extremen Rechten zuzurechnen war – klar erkennbar an den Schwarze-Sonne- und Blut-und-Boden-Tattoos sowie an ihren T-Shirts oder auch an Baseball-Kappen mit der Aufschrift "Fresst keine Döner". Im Bereich der Freilichtbühne hatten sich drei CD-Stände eingerichtet: Zum einen Noltex aus Halle, der die gesamte Spannbreite des Dark-Wave und Industrial anbot, zum anderen "Det Germanske Folket" aus Sachsen, wo es hauptsächlich rechten Scheiß gab und auch keine "T-Shirts", sondern nämlich "T-Hemden". Dann war noch Barbarossa-Records aus Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) da, ein Versand, der zum harten Kern der
Kameradschaftsszene gehört und der Nazi-Black-Metal der Härtesorte sowie das neonazistische Zine "Blutvergießen" anbot und kaum eine Gelegenheit ausließ, die anwesenden Blöd-Metaller mit politischen Sachen vollzuschwafeln.

Wenn sich nun einmal im Jahr in Nauen eine Spielwiese für derartigen Mist öffnet, dann ist das eigentlich schon unerträglich genug. Doch wie immer, es geht noch schlimmer. Der Semnonenbund plant die Errichtung eines Museumsdorfes und Seminarzentrums "Gannahall" in Nauen, wo zukünftig Seminare und Infoveranstaltungen zu "Kultur und Mythologie" stattfinden soll und der vor allem ein "Lehr- und Erlebnisort für offene Kinder- und Jugendarbeit" sein soll.
Offen für was und für wen, dass ist die Frage die mensch sich nach dem Rock for Roots-dringend stellen muss. Seitens der Stadt Nauen hat mensch offenbar keine Ahnung, mit wem mensch es dort zu tun hat – städtische Briefe an den Semnonen-Chef Rico Krüger beginnen mit der Anrede "Lieber Rico" und die Nauener Stadtratsversammlung hat im Juni das Projekt "Gannahall" erstmal abgesegnet. Nun brauchen die Germanen noch paar kleinere Genehmigungen und das notwendige Kleingeld für Bau, Inventar und altgermanische Haustiere. Und wenn darum geht Spenden einzutreiben, hilft auch die örtliche Presse mit wohlwollenden Artikeln mit. Auch die Tatsache, dass beim Rock gegen Roots gerade mal zwei Polizisten kurz vorbeischauten, mit dem Gebotenen nun aber garnichts anfangen konnten und sich wieder trollten, zeugt davon, dass es vor Ort offenkundig keinerlei Problembewußtsein gibt.
Michael W.


Info: Arch-De Archäologie-Mailingliste, via "Eldaring-Forum" und turnitdown.de

Dank an "Ravenbird" für die Weiterleitung.

von Martin 21:21 | Einzelansicht & Kommentare (10)


Kommentare:

Hi MM,

also ich habe die Info nur weitergeleitet, den Text habe ich nicht verfasst. Das war jemand anderes, kannst du das noch mit eintragen?

Gruß micha (ravenbird)


Ich habe die - bereits genannten - Quellen der Deutlichkeit halber nochmal unter dem Text ausgewiesen.

MM


Da der Thread im offenen Forum des Rabenclan geschlossen wurde, würde ich gern hier die Frage loswerden, ob diese Informationen auf eigenen Erfahrungen/Gesprächen/Anwesenheit beruhen, oder ob hier einfach eine kritische Meinung unhinterfragt übernommen wurde?


Dieser Beitrag beruht auf den im Text angegebenen Quellen, einschließlich der Websites des Semnonenbundes und der der GGG.

Der Meinung von turnitdown zum "Roots"-Festival mag ich zwar in allen Details folgen, aufgrund der Artikel über Ereignisse, bei denen ich zugegen war und über die turnitdown berichtete, halte ich turnitdown in der Sache für zuverlässig - und ihre politischen Einschätzungen für heftig, hin und wieder polemisch überzogen, aber vom Gehalt her korrekt.


Hmhm. Wäre, da das Gjallarhorn den Anschein einer gewissen journalistischen Sachlichkeit erwecken möchte, es nicht naheliegend gewesen, sich zu dem sicherlich nicht wenig brisanten Thema auch direkt mit dem Semnonenbund zu unterhalten - vor allem, da hier nicht nur andere Quellen zitiert werden, sondern der Autor auch seine eignene Schlüsse zieht und veröffentlicht?


Der Semnonenbund ist kein Unbekannter.


also ich war da und hab da auch gespielt, als headliner am ersten tag und das von turn it down geschriebene kann ich zum größtenteil nicht bestätigen (was ich ihnen mitteilte). also als linker, bin ich immer sehr schockkiert, mit welcher blumigkeit man solche dinge ausschmücken kann. solche veranstaltungen ziehen das braune gesindel nun mal leider an. was die angeblich überall zu erblickenden NSBM-shirts angeht, ist das totaler blödsinn! und außerdem war sowas nicht erwünscht, jedoch auch nicht verboten. die grind-core, death metal und punkbands die da spielten kann man nun nicht wirklich als faschisten bezeichnen, was bei den plattenverkaufsständen schon ein bissel anders aussieht...was mir definitiv nicht paßt, ist aber diese arroganz und der überhebliche ton, mit dem in diesem "bericht" über leute gesprochen wird, mit denen man nie persönlichen kontakt hatte. mag sein das sie ein bunter- zusammengewürfelter haufen sind, der nicht alles korrekt macht und geschichtlich ein bissel danebenliegen (leider waren die semnonen aber wirklich mal in dieser gegend und sind dann ausgewandert, heißen heute schwaben:), aber hinfahren, alles aufschreiben was ins auge sticht, den rest vergessen und dann maulen, ist nicht besser als dämliches fascho-gesabbel. bands zu bekommen, die man sich leisten kann, ist nicht einfach und wenn da fallobst mit bei ist, kann man oft nicht für. habe turn it down empfohlen, den semnonen dabei zu helfen, das festival sauber zu halten- anstatt nur zu meckern, aber das wird wohl kaum geschehen..., weil wir ja gleich alle nazis sind. fuck off!

grüße, das nidhogg


wie gesagt, der SB ist kein unbekannter. Manches, was woanders "halt nicht vermeidbar" ist, wird woanders "einfach nicht vermieden" - kann man rein von der "Optik" her gesehen durchaus verwechseln. Von der Motivation her nicht.


huhu! welch comment! der besagte rico krüger, chef des SB und früher aktiver antifa aktivist(aaa-schön nicht?)hat sich der sache jetzt angenommen und wird öffentlich einen kommentar dazu abgeben. belborn wurde übrigens nicht vom SB gebucht, das war der eingesetzte organisator und das stieß beim bund wohl auch auf heftige ablehnung, da man bei neofolk meist automatisch in diese schublade rutscht. wie gesagt waren diverse subversive personen vor ort, wie besagter noltex, deren hintergründe dem bund ebenfalls nicht bekannt waren und jetzt aber sind. kannte den noltex selbst nicht persönlich, nur den namen und ruf, und kaufte da sogar noch ne leibach mini mit final countdown von europe, pech halt.


Oh shit, hab ick doch zu spät gelesen, dass hier so ein Gemisch aus schlichter Unkenntnis, Linkslastiger Hetze und völliger Desorientierung zum Thema "Rock for Roots" abgelassen wurde.
Die Zeilen lassen auf den politischen Hintergrund des/der Verfasser/s schließen.
Ich hoffe nur, dass diesen geistigen Müll nicht noch mehr Mitglieder von Bands lesen, die übrigens ein hervorragendes Festi beschert haben.

Sal og sig
NoXMortiS


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