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Samstag, Juli 16, 2005Politik Ökologisch, spirituell, autoritär Es ist Wahlkampf, und auch die kleinen Parteien versenden ihre Pressemitteilungen; in der Hoffnung, dass man sie nicht völlig übersieht. Eine dieser politischen Vereinigungen - nach eigenen Verständnis übrigens keine Partei - ist Dynamik 5. Dynamik 5 lässt sich nur schwer in die üblichen Kategorien einordnen. Nach eigenen Aussagen ist die Vereinigung ökologisch, basisdemokratisch und marktwirtschaftlich orientiert und gehört zum "ökospirituellen" Holon-Netzwerk. Politisch unterstüzt sie die sprituell orientierte Kleinpartei "Die Violetten". Im Prinzip könnte Dynamik 5 die ideale politische Heimat für Heiden / Naturreligiöse sein, oder auch für alle, die von der abgeebbten "New Age"-Welle enttäuscht waren, aber ihre Träume von einer spirituellen, harmonischen, naturnahen und gerechten Welt nicht aufgegeben haben. Im Prinzip. Wären da nicht ein paar gerade für Basisdemokraten problematische Prinzipien von Dynamik 5, die auch aus dieser Pressemitteilung hervorgehen: dynamik5 Deutschland Viele europaskeptische und globalisierungskritische Bürger könnten das unterschreiben. Zu ergänzen wäre, dass vor allem in den Niederlanden nicht nur die neoliberalen Tendenzen der Verfassung, sondern auch ihre alles andere als (neo-)liberalen zentralistischen und überregulierenden Elemente abgestraft wurden. Etwas befremdlich ist allenfalls ist der milde Größenwahn der vergleichsweise winzigen Dynamik 5. Wichtige Ursachen der derzeitigen Missstände sind: Etwas populärer Antikapitalismus. Wohlgemerkt: Dynamik 5 ist nach eigenen Aussagen nicht sozialistisch, sondern markwirtschaftlich ausgerichtet. - mehrere gesetzliche Bestimmungen (Aktiengewinne, Zinsen usw.), die zu leistungslosem Einkommen aus Besitz führen und damit eine gigantische Umverteilung von den Besitz-Armen zu den Besitz-Reichen bewirken. Wohlwollend kann man das als Kritik an der "Zinswirtschaft" werten, wie sie z. B. von "Freiwirtschaftlern" wie Silvio Gesell, aber auch etablierten Ökonomen wie John Maynard Keynes und sogar von Karl Marx (im 3. Bsnd des „Kapitals“) geübt wurde. Wegen der Spitze auf das "leistungslose Einkommen aus Besitz" (richtiger: Eigentum), womit anscheinend nur Kapitalerträge und nicht etwa Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemeint sind, liegt leider die weniger wohlwollende Interpretation nahe: Hier wird nach altem (rechts-)populistischen Muster zwischen bösen "raffendem" Finanzkapital und gutem "schaffendem" Kapital unterschieden. - ein parlamentarisches System, dass sich in den letzten Jahrhundert nicht weiterentwickelt hat und an Seilschaften und Parteigehorsam gebundene Politikspezialisten hervorbringt. Das parlamentarische System hat sich durchaus weiterentwickelt, und das Problem der Seilschaften und der an Parteigehorsam gebundenen Politikspezialisten ist eines mangelhafter Transparenz und Kontrolle, keines des parlamentarischen Prinzips. - ein politisches System, das alle Macht an einige wenige Selbstdarsteller delegiert und den Menschen die Lust und die Kraft nimmt, sich an der Gestaltung des Gemeinwesens zu beteiligen. Siehe oben: Bedauerlich, aber ein durchaus lösbares Problem der Praxis, nicht des Systems als solches. - ein kulturelles Umfeld, das nicht in der Lage ist, den Menschen Halt, Bewusstsein und Identität zu spenden und dadurch Unsicherheit und Ersatzbefriedigungen (z.B. übermäßiger Konsum und Drogenmissbrauch) hervorruft.So wage und pauschal ins Blaue formuliert, klingt das doch arg nach einem ultra-konservativen Stoßseufzer über die "dekadenten modernen Zeiten". - eine durch Eigeninteressen missbrauchte WirtschaftsMoral, die nicht in der Lage ist, in Weltmaßstäben zu denken, verantwortliches und gemeinschaftliches Verhalten zu erzeugen und alle Menschen und alle Orte in ihr Wirken mit einzubeziehen. Warum nicht gleich: "Der Kapitalismus hat versagt"? Vermutlich, weil Dynamik 5 sich "marktwirtschaftlich" nennt. Eine Neuorientierung des Bewusstseins in Europa macht eine Reihe von dringenden Maßnahmen erforderlich: Das hat mit "Marktwirtschaft" nun nichts mehr zu tun. Selbst unter einem sozialistischen Wirtschaftsmodell verbietet sich aus pragmatischen Gründen eine staatlich verordnete obere Einkommensgrenze, weshalb es sie nicht einmal in China unter Mao gab. - eine substantielle Zunahme des europäischen Budgets zugunsten einer sozialen Politik und die Erhöhung der Unterstützung für die neuen EU-Mitgliedsländer, um ihre Entwicklung zu fördern, statt Sozialdumping, Steuersenkungswettlauf und Betriebsverlagerungen zu dulden. Akzeptabel, aber das haben fast alle Parteien im Wahlkampf-Repertoire. - eine Erhöhung des öffentlichen Beitrags zur Entwicklungshilfe auf wenigstens 0,7% des jeweiligen Brutto-Inland-Produkts und die Annullierung der Schulden der armen Länder. Klingt gut, gut gemeint – auch wenn es Afrikaner gibt, die da anderer Ansicht sind. - den Bürgern ist ein echtes Initiativrecht (Bürgerbegehren) zu gegeben. Das läst sich nichts gegen sagen. - intensive Schulung der Bürger in ökonomischen Grundkenntnissen und Unterstützung individueller Bewusstseinsentwicklung. Auch ganz vernünftig. - die Förderung von sogenannten "Bürgerhaushalten", wo die Bürger in ihrer Kommune über essenzielle Ausgaben der Steuergelder mitentscheiden können. An sich keine schlechte Idee, auch wenn nicht leicht sein wird, das Konzept praktisch umzusetzen. - Gründung eines Konvents, der sich unter Einbeziehung aller Bürger um eine grundsätzliche Erweiterung des demokratischen Systems in Europa und den EU-Staaten bemühen soll. Auch hier stellt sich die Frage nach der praktischen Umsetzung. Man könnte erst mal mit einer, im Gegensatz zum Verfassungskonvent, demokratisch gewählten verfassungsgebenden Versammlung Europas anfangen. Mittelfristig ist die Verbesserung oder Schaffung folgender demokratischer europäischer Institutionen sinnvoll: Bisher zeigte sich Dynamik 5 eher populistisch. Jetzt wird’s härter: - Um eine verbindende Ethik für alle Menschen, Wesen und Orte zu erarbeiten, soll ein Grundwerte-Parlament, ein Rat der Weisen oder ein "Weltzukunftsrat" (benannt nach einer Initiative von Jakob von Uexküll) geschaffen werden. Dieser sollte eng mit dem offiziellen UN-Gremium "Komitee für Spiritualität, Werte und globale Probleme" zusammenarbeiten. Eine verbindende und vermutlich verbindliche Universal-Ethik? Bisher kannte man dergleichen nur aus totalitären Systemen. Es stimmt, dass im Zentrum der westlichen Demokratien ein spirituelles Vakuum herrscht. Ein durch substanzielle Werte zusammengehaltene Gemeinschaft würde dem Individuum Halt geben – allerdings um den Preis, dass ein Dissens mit diesem Wertesystem nicht mehr möglich wäre, also die Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen empfindlich eingeschränkt wären. Das gälte auch in dem Fall, dass die spirituellen Werte von der überwältigenden Mehrheit der Weltbevölkerung beschlossen würden. (Zur Illustration verweise ich auf die Karikatur einer "perfekten" Utopie einer Welt ohne Kriminalität und Gewalt im Film "Demolition Man".) Wahrscheinlich ist das angebliche "spirituelle Vakuum" des Westens in Wirklichkeit die Luft zum Atmen für das selbstbestimmte Individuum. In einer Demokratie kommt in erster Linie darauf an, dass das Volk die Mittel hat, die Herrschenden zu kontrollieren und abzuwählen. Das könnte bei einem "Weltzukunftsrat", einem obersten ethischen Gremium, das sozusagen vorschreibt, wie das "Gemeinwohl" auszusehen hat, schwierig werden. - das europäische Parlament sollte gestärkt und in hierarchisch gegliederte Sachbereiche untergliedert werden. Nichts gegen mehr Kompetenzen für das europäische Parlament. Allerdings würde eine Gliederung in hierarchisch gegliederte Sachbereiche (statt in gleichberechtigte Ausschüsse) das Wesen des Parlamentes zerstören: Die informellen Hierarchien im parlamentarische System sind schon problematisch genug. - gleichzeitig müssen lokale und regionale Parlamente ausgebaut und gefördert werden. Reichen nicht einfach mehr Kompetenzen aus? - auf nationaler Ebene sollen Kultur-Parlamente entstehen, die sich in erster Linie um die kulturelle Einzigartigkeit und den kulturellen Reichtum der jeweiligen Nationen kümmern. Aua! Aller Erfahrung nach gedeiht kulturelle Vielfalt dann am Besten, wenn die "Kulturschaffenden" möglichst von allen Gremien, Kontrollen und gut gemeinten Regelungen in Ruhe gelassen werden. Als Künstler hätte ich es nicht gern, wenn mir ein Kulturparlament Vorschriften etwa in der Richtung macht, mich gefälligst auf die regionalen Traditionen zu besinnen. Kontakt: dynamik5 Deutschland, Sangeet Gill, Tel.: 06033/ 749083 Mein Kommentar: Unter Demokratie, zumal Basisdemokratie, verstehe ich doch etwas anderes. Ein System wird nicht allein dadurch demokratisch, dass über alles und jedes abgestimmt wird. Meines Erachtens weist die Ideologie von Dynamik 5 deutlich totalitäre Züge auf. Zumindest besteht kaum ein Zweifel daran, dass in der Welt von Dynamik 5 die Interessen der Gemeinschaft stets Vorrang vor denen des Einzelnen haben. Anders ausgedrückt: Dynamik 5 ist offensichtlich hochgradig "staatsgläubig". Ich sehe Dynamik 5 in der relativ jungen Tradition des "New Age" mit seinen "sprituellen" Utopien – im Umkehrung von Marx: Das (richtige spirituelle) Bewusstsein bestimmt das Sein – seiner Vorliebe für Patentlösungen und seinem apokalyptischen Denken. Dynamik 5 steht meines Erachtens auch in der verhängnisvollen romantisierenden Tradition der deutschen Geistesgeschichte, mit dem altbekannten antirationalistischen Reflex gegen Aufklärung und "seelenlose" Moderne. von Martin 00:28 | Einzelansicht & Kommentare (2) Kommentare:
Gut analysiert!
Nachtrag zum Punkt "Bandbreiteneinkommen": Meines Wissens nach gab es ein politisches System, das eine obere Einkommensgrenze festlegte: in Kambodscha unter den Roten Khmer, angeführt von Pol Pot. Dort wurden alle, die im Verdacht standen, "reich" zu sein, aus den Städten vertrieben und in vielen Fällen hingerichtet. Zusammenfassend möchte ich sagen: das einzig bekannte politische System, das eine Einkommensobergrenze festgelegt hat, war mit sovielen Nachteilen verbunden, dass eine Einkommensobergrenze mir alleine aus diesem Grund als nicht erstebenswert erscheint.
Wenn man sich das Parteiprogramm der Violetten durchliest, mal abgesehen von der geschmacklosen Homepage, dann fühlt man sich an gewisse Future-Filme erinnert in denen erst ein mal alles nach heiler Welt aussieht, aber hinter den Kulissen die übelsten Dinge passieren, damit die "heile Welt" realisierbar wird.Gruselig.
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